Deutschland verschärft Asylverfahren: Kabinett beschließt umstrittene EU-Asylreform

Deutschland verschärft Asylverfahren Kabinett beschließt umstrittene EU-Asylreform

Berlin · Mit der Umsetzung der europäischen GEAS-Reform plant die Regierung strengere Migrationsregeln. Menschenrechtsorganisationen schlagen bei Freiheitsbeschränkungen Alarm.

 Ein Boot mit 156 Personen an Bord kommt an der Anlegestelle La Restinga auf den Kanaren an. Das Boot mit über 100 Menschen an Bord, darunter Kinder und Frauen, wurde vom spanischen Seerettungsdienst in den Hafen geschleppt. (Archivbild)

Ein Boot mit 156 Personen an Bord kommt an der Anlegestelle La Restinga auf den Kanaren an. Das Boot mit über 100 Menschen an Bord, darunter Kinder und Frauen, wurde vom spanischen Seerettungsdienst in den Hafen geschleppt. (Archivbild)

Foto: Europa Press/Europapress/dpa/Europa Press

Es ist eines der umstrittensten Gesetzesvorhaben zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD: die Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Das schwarz-rote Kabinett hat nach langen Verhandlungen nun mehrere Verschärfungen in der Migrationspolitik auf den Weg gebracht. GEAS sei „der Schlüssel, um Migration insgesamt zu steuern und zu ordnen, humanitäre Standards für Geflüchtete zu schützen und die irreguläre Migration zu begrenzen“, heißt es in dem Entwurf, den das Kabinett am Mittwoch verabschiedet hat. Deutschland werde „von der ausgewogenen Balance aus Verantwortung und Solidarität“ deutlich profitieren.

Neben der Umsetzung der europäischen Vorgaben enthielten die nun beschlossenen Gesetzentwürfe „weitere Regeln, die eine restriktivere Gestaltung des Asylverfahrens ermöglichen“, teilte das Bundesinnenministerium mit. Behörden sollten künftig verstärkte Möglichkeiten für klare Aufenthalts- und Meldepflichten bekommen, um die Anwesenheit von Asylbewerbern zu gewährleisten. Dadurch soll die Anzahl der Abschiebungen und der Rücküberstellungen von Asylbewerbern an andere, für ihre Verfahren zuständige europäische Staaten erhöht werden. Das Ministerium sieht darin laut dem Entwurf eine „Grundlage, um EU-weit die Gewährung internationalen Schutzes insgesamt zu steuern und zu ordnen“. Laut Koalitionsvertrag soll der Entwurf noch in diesem Jahr ins Parlament eingebracht werden.

Kabinettsentwurf würde Menschenrechte verletzen

Die Kritik an GEAS ist groß, vor allem von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Pro Asyl sieht in der GEAS-Reform einen großen Rückschritt „für die Rechte von schutzsuchenden Menschen in Europa – und wie mit dem nun im Kabinett beschlossenen Umsetzungsgesetz deutlich wird, auch in Deutschland.“ Das sagte die rechtspolitische Sprecherin der Organisation auf Anfrage unserer Redaktion. Der Verein kritisierte vor allem die ausgebauten Möglichkeiten zur Freiheitsbeschränkung und Freiheitsentziehung. Den Asylsuchenden könne verboten werden, eine zugewiesene Einrichtung zu verlassen, oder in Asylverfahrenshaft genommen werden. „Selbst Kinder könnten in Haft genommen werden, wenn zum Beispiel einem ihrer Elternteile diese Freiheitsbeschränkung auferlegt wird“, so die Sprecherin. Pro Asyl appelliere deswegen an die Bundestagsabgeordneten, „dieses Verschärfungsgesetz nicht einfach durchzuwinken, sondern die Achtung der Menschenrechte sicher zu stellen.“

Auch die Grünen kritisieren den Kabinettsentwurf. „In einer Zeit der zunehmenden nationalen Abschottung und Alleingänge liegt der Schlüssel für eine konstruktive, solidarische und regelbasierte Asylpolitik in Europa und dem europäischen Zusammenhalt“, erklärten Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, und Lukas Benner, Obmann im Innenausschuss, in einer gemeinsamen Pressemitteilung. „Dass die CDU und CSU seit Amtsantritt auf nationale Abschottung setzt, gefährdet den europäischen Zusammenhalt und schadet auch Deutschland.“

In der vergangenen Legislaturperiode hatte die Ampelregierung die GEAS-Reform mit verhandelt. Die Reform sieht unter anderem eine Verpflichtung zur Identitätskontrolle bei Ankommenden in der EU vor. Asylbewerber mit einer EU-weiten Schutzquote von unter 20 Prozent sollen ihr Verfahren an der EU-Außengrenze durchlaufen. Dazu hatte es auch bereits im November einen Kabinettsbeschluss gegeben – wenige Stunden bevor die Ampel-Koalition zerbrach. Damals fand sich keine Mehrheit mehr im Bundestag für den Gesetzentwurf. Der jetzige Entwurf würde jedoch weit über die EU-Vorgaben hinaus gehen, wie die Grünen sagen. „Der Gesetzentwurf der Bundesregierung widerspricht hierbei verfassungsmäßigen Grundsätzen von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten.“

Bundesinnenminister plant weitere Schritte

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik (SPD) verteidigt die Reform. Sie habe sich in den vergangenen Wochen dafür eingesetzt, dass bei der Umsetzung der GEAS-Reform in nationales Recht „an vielen Stellen die Rechte von besonders schutzbedürftigen Geflüchteten – darunter Familien, Kinder und unbegleitete Minderjährige“ – gewahrt würden. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt bezeichnete die EU-Reform im ZDF-„Morgenmagazin“ als „wichtigen Meilenstein“. Man sei aber nicht am Ende. Die meisten EU-Länder wollten die Maßnahmen weiter „schärfen und härten“. Der CSU-Politiker nannte etwa sogenannte Return-Hubs außerhalb der EU, in die Menschen gebracht werden, die keinen Asylanspruch in Europa haben, aber nicht in Heimatländer ausgewiesen werden können.

Seit Monaten ist die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland rückläufig. Nach Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) stellten 8293 Menschen im Juli Erstanträge auf Asyl – im selben Monat des Vorjahres waren es noch 18.503. Auch im August ist die Zahl der Asylbewerbenden um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gesunken. Dobrindt wertete den Rückgang als Erfolg seiner restriktiveren Migrationspolitik.

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 Ein Boot mit 156 Personen an Bord kommt an der Anlegestelle La Restinga auf den Kanaren an. Das Boot mit über 100 Menschen an Bord, darunter Kinder und Frauen, wurde vom spanischen Seerettungsdienst in den Hafen geschleppt. (Archivbild)

Ein Boot mit 156 Personen an Bord kommt an der Anlegestelle La Restinga auf den Kanaren an. Das Boot mit über 100 Menschen an Bord, darunter Kinder und Frauen, wurde vom spanischen Seerettungsdienst in den Hafen geschleppt. (Archivbild)

Foto: Europa Press/Europapress/dpa/Europa Press

Es ist eines der umstrittensten Gesetzesvorhaben zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD: die Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Das schwarz-rote Kabinett hat nach langen Verhandlungen nun mehrere Verschärfungen in der Migrationspolitik auf den Weg gebracht. GEAS sei „der Schlüssel, um Migration insgesamt zu steuern und zu ordnen, humanitäre Standards für Geflüchtete zu schützen und die irreguläre Migration zu begrenzen“, heißt es in dem Entwurf, den das Kabinett am Mittwoch verabschiedet hat. Deutschland werde „von der ausgewogenen Balance aus Verantwortung und Solidarität“ deutlich profitieren.

Neben der Umsetzung der europäischen Vorgaben enthielten die nun beschlossenen Gesetzentwürfe „weitere Regeln, die eine restriktivere Gestaltung des Asylverfahrens ermöglichen“, teilte das Bundesinnenministerium mit. Behörden sollten künftig verstärkte Möglichkeiten für klare Aufenthalts- und Meldepflichten bekommen, um die Anwesenheit von Asylbewerbern zu gewährleisten. Dadurch soll die Anzahl der Abschiebungen und der Rücküberstellungen von Asylbewerbern an andere, für ihre Verfahren zuständige europäische Staaten erhöht werden. Das Ministerium sieht darin laut dem Entwurf eine „Grundlage, um EU-weit die Gewährung internationalen Schutzes insgesamt zu steuern und zu ordnen“. Laut Koalitionsvertrag soll der Entwurf noch in diesem Jahr ins Parlament eingebracht werden.

Kabinettsentwurf würde Menschenrechte verletzen

Die Kritik an GEAS ist groß, vor allem von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Pro Asyl sieht in der GEAS-Reform einen großen Rückschritt „für die Rechte von schutzsuchenden Menschen in Europa – und wie mit dem nun im Kabinett beschlossenen Umsetzungsgesetz deutlich wird, auch in Deutschland.“ Das sagte die rechtspolitische Sprecherin der Organisation auf Anfrage unserer Redaktion. Der Verein kritisierte vor allem die ausgebauten Möglichkeiten zur Freiheitsbeschränkung und Freiheitsentziehung. Den Asylsuchenden könne verboten werden, eine zugewiesene Einrichtung zu verlassen, oder in Asylverfahrenshaft genommen werden. „Selbst Kinder könnten in Haft genommen werden, wenn zum Beispiel einem ihrer Elternteile diese Freiheitsbeschränkung auferlegt wird“, so die Sprecherin. Pro Asyl appelliere deswegen an die Bundestagsabgeordneten, „dieses Verschärfungsgesetz nicht einfach durchzuwinken, sondern die Achtung der Menschenrechte sicher zu stellen.“

Auch die Grünen kritisieren den Kabinettsentwurf. „In einer Zeit der zunehmenden nationalen Abschottung und Alleingänge liegt der Schlüssel für eine konstruktive, solidarische und regelbasierte Asylpolitik in Europa und dem europäischen Zusammenhalt“, erklärten Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, und Lukas Benner, Obmann im Innenausschuss, in einer gemeinsamen Pressemitteilung. „Dass die CDU und CSU seit Amtsantritt auf nationale Abschottung setzt, gefährdet den europäischen Zusammenhalt und schadet auch Deutschland.“

In der vergangenen Legislaturperiode hatte die Ampelregierung die GEAS-Reform mit verhandelt. Die Reform sieht unter anderem eine Verpflichtung zur Identitätskontrolle bei Ankommenden in der EU vor. Asylbewerber mit einer EU-weiten Schutzquote von unter 20 Prozent sollen ihr Verfahren an der EU-Außengrenze durchlaufen. Dazu hatte es auch bereits im November einen Kabinettsbeschluss gegeben – wenige Stunden bevor die Ampel-Koalition zerbrach. Damals fand sich keine Mehrheit mehr im Bundestag für den Gesetzentwurf. Der jetzige Entwurf würde jedoch weit über die EU-Vorgaben hinaus gehen, wie die Grünen sagen. „Der Gesetzentwurf der Bundesregierung widerspricht hierbei verfassungsmäßigen Grundsätzen von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten.“

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Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik (SPD) verteidigt die Reform. Sie habe sich in den vergangenen Wochen dafür eingesetzt, dass bei der Umsetzung der GEAS-Reform in nationales Recht „an vielen Stellen die Rechte von besonders schutzbedürftigen Geflüchteten – darunter Familien, Kinder und unbegleitete Minderjährige“ – gewahrt würden. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt bezeichnete die EU-Reform im ZDF-„Morgenmagazin“ als „wichtigen Meilenstein“. Man sei aber nicht am Ende. Die meisten EU-Länder wollten die Maßnahmen weiter „schärfen und härten“. Der CSU-Politiker nannte etwa sogenannte Return-Hubs außerhalb der EU, in die Menschen gebracht werden, die keinen Asylanspruch in Europa haben, aber nicht in Heimatländer ausgewiesen werden können.

Seit Monaten ist die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland rückläufig. Nach Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) stellten 8293 Menschen im Juli Erstanträge auf Asyl – im selben Monat des Vorjahres waren es noch 18.503. Auch im August ist die Zahl der Asylbewerbenden um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gesunken. Dobrindt wertete den Rückgang als Erfolg seiner restriktiveren Migrationspolitik.

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