Interview Rolf Mützenich (SPD): „Trump begreift einfach nicht, was alles auf dem Spiel steht“

Interview Rolf Mützenich (SPD) „Trump begreift einfach nicht, was alles auf dem Spiel steht“

Interview | Berlin · Der Ex-SPD-Fraktionschef und Außenexperte über die Bedeutung des Autokraten-Gipfels in Peking, Chinas Militärparade, Tölpeleien des US-Präsidenten und was daraus für die Bundesregierung folgen muss.

Rolf Mützenich, Ex-Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. (Archiv)

Rolf Mützenich, Ex-Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. (Archiv)

Foto: dpa/Michael Kappeler

Herr Mützenich, in dieser Woche hat es ein Treffen von Xi Jinping, Wladimir Putin und Kim Jong Un gegeben. Was droht dem Westen da?

Mützenich Die Bilder aus Peking sollten der Welt und insbesondere den USA und den US-Verbündeten wie uns zeigen, dass es Alternativen zur westlich dominierten Welt gibt. Die Wucht dieser Bilder wurde verstärkt durch die Militärparade. Die Botschaften selbst sind allerdings nicht wirklich neu.

Und doch lösen sie mehr Unbehagen aus in Europa als zuvor. Ist das nicht eine neue Qualität der Kooperation, die China, Russland und Nordkorea da eingehen?

Mützenich Wir haben in Deutschland und in Europa lange nicht wahrhaben wollen, dass die Mehrheit der Menschheit in Ländern lebt, die nicht Teil der westlichen Wertegemeinschaft sind. Die Staaten des sogenannten Globalen Südens haben die westliche Erzählung nie geglaubt oder übernommen, zumal sie oft darunter gelitten haben. Und dass China jetzt noch stärker auf Russland zugeht, hat viel mit der aktuellen US-Politik zu tun.

US-Präsident Donald Trumps konfrontative Zoll-Strategie?

Mützenich Die aggressiven US-Zölle haben mit Sicherheit dazu beigetragen, dass es China leichter fällt, andere wichtige Staaten wie Russland, Indien oder Brasilien stärker an sich zu binden. Trump begreift einfach nicht, was alles auf dem Spiel steht. Er ist dabei, bedeutende Kooperationspartner in die Hände seiner strategischen Gegner zu treiben. Trump hatte es seinem Vorgänger Joe Biden stets vorgehalten, China und Indien näher zusammenzubringen. Jetzt treibt er beide kurzsichtig auf das gleiche Feld.

Mützenich Das halte ich mittelfristig für die größere Herausforderung, auch für uns Europäer. Denn wir sind beispielsweise auf Indien angewiesen, hinsichtlich der Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte oder was den Zugang zur russischen Regierung betrifft. Wenn nun Indien und Russland noch enger kooperieren, kann uns das ebenfalls nicht kalt lassen. Das chinesische Säbelrasseln durch Militärparaden und das verbale Brusttrommeln von Xi ist besorgniserregend. Die eigentliche Herausforderung allerdings ist, wenn diese Länder noch stärker zusammenrücken.

Dennoch sind in Peking neue Waffensysteme präsentiert worden, Xi sprach von einer Entscheidung der Menschheit zwischen Krieg und Frieden. Kein Grund zur Beunruhigung mit Blick auf Taiwan etwa?

Mützenich Naja, die Rede des chinesischen Präsidenten hebt sich nicht von dem ab, was er in den vergangenen Jahren auch gesagt hat. Aber natürlich ist das US-Militär zu Recht tief besorgt darüber, welche Fähigkeiten die chinesische Armee mittlerweile hat. Niemand weiß, wann und ob China nach Taiwan greifen wird und wie die USA dann wirklich reagieren. Dennoch werden Chinas Streitkräfte denen der USA in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren nicht in allen Bereichen ebenbürtig sein. Zumal die USA ja auch im Indopazifik neue militärische Kooperationen etwa mit Australien oder Südkorea eingegangen sind.

Welche Strategie empfiehlt sich angesichts der Konflikte der Großmächte für die Bundesregierung?

Mützenich Die Ansicht, dass Deutschland in dieser Gemengelage irgendwie von echter Relevanz wäre, ist vermessen. Es interessiert in den USA oder China niemanden ernsthaft, ob eine deutsche Fregatte durch das südchinesische Meer schippert. Entscheidender für uns ist, dass wir unsere eigenen Kooperationspartner nicht verlieren. Das gelingt nur, wenn wir uns zu beiden Seiten offen zeigen und insbesondere in der Handelspolitik auf die Suche nach mehr Zusammenarbeit jenseits der USA gehen.

Militärisch sind wir aber weiter auf die USA angewiesen. Wie geht das zusammen?

Mützenich Das ist die Aufgabe für die Bundesregierung und für die Europäische Union: Sich einerseits von den USA lösen beim Handel und zugleich engste Verbindungen halten in der Sicherheitspolitik. Auch wenn Deutschland und Europa eigene Stärken in der Verteidigung aufbauen, bleiben wir abhängig von dem US-Schutz in der Nato. Ich wünsche mir, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mehr Zeit darauf verwendet, mit wem wir künftig zu welchen Bedingungen Handel treiben. Und nicht, wie europäische Friedenstruppen in der Ukraine agieren könnten.

Wie können die USA gemeinsam mit der Bundesregierung und anderen westlichen Partnern den Druck auf Russland für ein Ende des Ukraine-Krieges erhöhen?

Mützenich Druck auf Putin entsteht nicht durch Trumps Tölpeleien. So viel steht fest. Und ist unser Einfluss in Washington gewachsen, nachdem wir uns der Erpressung Trumps gebeugt haben? Auch das verfrühte Gerede über Sicherheitsgarantien und europäische Soldaten in der Ukraine hilft überhaupt nicht. Vielleicht ist das alles auch dem Versäumnis geschuldet, keine eigenen Initiativen zur Beendigung des Krieges jenseits der militärischen Unterstützung entwickelt zu haben.

Mützenich Als ich vor mehr als einem Jahr vom Einfrieren des Krieges gesprochen hatte, ist man über mich hergefallen. Heute sagt Bundeskanzler Merz Vergleichbares. Nato-Generalsekretär Mark Rutte spricht sogar von der faktischen Aufgabe ukrainischer Gebiete. Wir sollten uns jetzt darauf konzentrieren, internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen auf das Feld zurückzuführen. Putin wird Nato-Truppen zur Absicherung einer Waffenruhe nicht akzeptieren. Umso mehr müssen wir die Bearbeitung des Themas internationalisieren.

Wie das, wenn Trump die UNO verachtet? Und Russland und China als Mitglieder im Sicherheitsrat doch bestimmt ein Veto einlegen würden, wenn es etwa um Blauhelmsoldaten in der Ukraine ginge?

Mützenich Auch Russland könnte ein Interesse an einer Blauhelmmission haben, die breit aufgestellt ist. Ich wundere mich über die deutsche Debatte, die solche Gedanken gerne gleich wegwischt, bevor es überhaupt mal versucht wird. Damit verengen wir unsere Optionen ohne Not. Wir müssen aus strategischen Gründen ein Interesse an der Stärkung multilateraler Formate haben. Ich hoffe sehr, dass Trump das Interesse an einem Ende des Krieges nicht verliert und bereit ist, für einen aus ukrainischer Sicht fairen Frieden zu kämpfen.

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Rolf Mützenich, Ex-Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. (Archiv)

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Foto: dpa/Michael Kappeler

Herr Mützenich, in dieser Woche hat es ein Treffen von Xi Jinping, Wladimir Putin und Kim Jong Un gegeben. Was droht dem Westen da?

Mützenich Die Bilder aus Peking sollten der Welt und insbesondere den USA und den US-Verbündeten wie uns zeigen, dass es Alternativen zur westlich dominierten Welt gibt. Die Wucht dieser Bilder wurde verstärkt durch die Militärparade. Die Botschaften selbst sind allerdings nicht wirklich neu.

Und doch lösen sie mehr Unbehagen aus in Europa als zuvor. Ist das nicht eine neue Qualität der Kooperation, die China, Russland und Nordkorea da eingehen?

Mützenich Wir haben in Deutschland und in Europa lange nicht wahrhaben wollen, dass die Mehrheit der Menschheit in Ländern lebt, die nicht Teil der westlichen Wertegemeinschaft sind. Die Staaten des sogenannten Globalen Südens haben die westliche Erzählung nie geglaubt oder übernommen, zumal sie oft darunter gelitten haben. Und dass China jetzt noch stärker auf Russland zugeht, hat viel mit der aktuellen US-Politik zu tun.

US-Präsident Donald Trumps konfrontative Zoll-Strategie?

Mützenich Die aggressiven US-Zölle haben mit Sicherheit dazu beigetragen, dass es China leichter fällt, andere wichtige Staaten wie Russland, Indien oder Brasilien stärker an sich zu binden. Trump begreift einfach nicht, was alles auf dem Spiel steht. Er ist dabei, bedeutende Kooperationspartner in die Hände seiner strategischen Gegner zu treiben. Trump hatte es seinem Vorgänger Joe Biden stets vorgehalten, China und Indien näher zusammenzubringen. Jetzt treibt er beide kurzsichtig auf das gleiche Feld.

Mützenich Das halte ich mittelfristig für die größere Herausforderung, auch für uns Europäer. Denn wir sind beispielsweise auf Indien angewiesen, hinsichtlich der Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte oder was den Zugang zur russischen Regierung betrifft. Wenn nun Indien und Russland noch enger kooperieren, kann uns das ebenfalls nicht kalt lassen. Das chinesische Säbelrasseln durch Militärparaden und das verbale Brusttrommeln von Xi ist besorgniserregend. Die eigentliche Herausforderung allerdings ist, wenn diese Länder noch stärker zusammenrücken.

Dennoch sind in Peking neue Waffensysteme präsentiert worden, Xi sprach von einer Entscheidung der Menschheit zwischen Krieg und Frieden. Kein Grund zur Beunruhigung mit Blick auf Taiwan etwa?

Mützenich Naja, die Rede des chinesischen Präsidenten hebt sich nicht von dem ab, was er in den vergangenen Jahren auch gesagt hat. Aber natürlich ist das US-Militär zu Recht tief besorgt darüber, welche Fähigkeiten die chinesische Armee mittlerweile hat. Niemand weiß, wann und ob China nach Taiwan greifen wird und wie die USA dann wirklich reagieren. Dennoch werden Chinas Streitkräfte denen der USA in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren nicht in allen Bereichen ebenbürtig sein. Zumal die USA ja auch im Indopazifik neue militärische Kooperationen etwa mit Australien oder Südkorea eingegangen sind.

Welche Strategie empfiehlt sich angesichts der Konflikte der Großmächte für die Bundesregierung?

Mützenich Die Ansicht, dass Deutschland in dieser Gemengelage irgendwie von echter Relevanz wäre, ist vermessen. Es interessiert in den USA oder China niemanden ernsthaft, ob eine deutsche Fregatte durch das südchinesische Meer schippert. Entscheidender für uns ist, dass wir unsere eigenen Kooperationspartner nicht verlieren. Das gelingt nur, wenn wir uns zu beiden Seiten offen zeigen und insbesondere in der Handelspolitik auf die Suche nach mehr Zusammenarbeit jenseits der USA gehen.

Militärisch sind wir aber weiter auf die USA angewiesen. Wie geht das zusammen?

Mützenich Das ist die Aufgabe für die Bundesregierung und für die Europäische Union: Sich einerseits von den USA lösen beim Handel und zugleich engste Verbindungen halten in der Sicherheitspolitik. Auch wenn Deutschland und Europa eigene Stärken in der Verteidigung aufbauen, bleiben wir abhängig von dem US-Schutz in der Nato. Ich wünsche mir, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mehr Zeit darauf verwendet, mit wem wir künftig zu welchen Bedingungen Handel treiben. Und nicht, wie europäische Friedenstruppen in der Ukraine agieren könnten.

Wie können die USA gemeinsam mit der Bundesregierung und anderen westlichen Partnern den Druck auf Russland für ein Ende des Ukraine-Krieges erhöhen?

Mützenich Druck auf Putin entsteht nicht durch Trumps Tölpeleien. So viel steht fest. Und ist unser Einfluss in Washington gewachsen, nachdem wir uns der Erpressung Trumps gebeugt haben? Auch das verfrühte Gerede über Sicherheitsgarantien und europäische Soldaten in der Ukraine hilft überhaupt nicht. Vielleicht ist das alles auch dem Versäumnis geschuldet, keine eigenen Initiativen zur Beendigung des Krieges jenseits der militärischen Unterstützung entwickelt zu haben.

Mützenich Als ich vor mehr als einem Jahr vom Einfrieren des Krieges gesprochen hatte, ist man über mich hergefallen. Heute sagt Bundeskanzler Merz Vergleichbares. Nato-Generalsekretär Mark Rutte spricht sogar von der faktischen Aufgabe ukrainischer Gebiete. Wir sollten uns jetzt darauf konzentrieren, internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen auf das Feld zurückzuführen. Putin wird Nato-Truppen zur Absicherung einer Waffenruhe nicht akzeptieren. Umso mehr müssen wir die Bearbeitung des Themas internationalisieren.

Wie das, wenn Trump die UNO verachtet? Und Russland und China als Mitglieder im Sicherheitsrat doch bestimmt ein Veto einlegen würden, wenn es etwa um Blauhelmsoldaten in der Ukraine ginge?

Mützenich Auch Russland könnte ein Interesse an einer Blauhelmmission haben, die breit aufgestellt ist. Ich wundere mich über die deutsche Debatte, die solche Gedanken gerne gleich wegwischt, bevor es überhaupt mal versucht wird. Damit verengen wir unsere Optionen ohne Not. Wir müssen aus strategischen Gründen ein Interesse an der Stärkung multilateraler Formate haben. Ich hoffe sehr, dass Trump das Interesse an einem Ende des Krieges nicht verliert und bereit ist, für einen aus ukrainischer Sicht fairen Frieden zu kämpfen.

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