Stand: 13.09.2025 19:53 Uhr
Studien zeigen: Noch immer sind Frauen in Stadträten und Kreistagen unterrepräsentiert. Die Hürden für junge Frauen sind hoch. Dabei wären ihre Perspektiven wichtig für die Demokratie.
„Junge, weibliche Stimmen sind ein wichtiges Gegengewicht zur Übermacht der alten, weißen Männer“, sagt Caroline Werner. Die 33-jährige Lehrerin ist Mutter einer 3-jährigen Tochter und kandidiert bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen im sauerländischen Sundern für den Stadtrat.
„Nahezu in jedem politischen Gremium überwiegen ältere, weiße Herren. Das ist nicht automatisch schlimm, wird aber dann zum Problem, wenn die Bedürfnisse junger Familien, Mütter oder Frauen nicht mehr mitgedacht werden“, findet die SPD-Politikerin.
Frauen werden anders behandelt
„Junge, weibliche Pionierinnen müssen Prozesse anstoßen und die Weichen stellen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und politischem Engagement, damit andere nachziehen können“, wünscht sich Caroline Werner. „Das klingt anstrengend, ist aber ein aufregender Prozess.“ Nach der Wahl am 14. September will sie sich für starke Familien, sichere Verkehrswege und verantwortungsvollen Umweltschutz einsetzen.
„Frauen werden immer noch häufig anders behandelt und unterschätzt“, sagt Werner. „Die Geschichte der Vereinbarkeit von Familie und ehrenamtlichem Engagement oder Familie und Beruf, klingt wie ein alter Hut, ist aber tagesaktuell.“ Mütter, oder generell Eltern junger Kinder, seien strukturell auch in der Politik benachteiligt. Ihre Probleme werden häufig nicht mitgedacht, weshalb ein politisches Engagement ungleich schwieriger werde.
„Frauen werden immer noch häufig anders behandelt und unterschätzt“, sagt Werner.
Frauen sind unterrepräsentiert
Dem stimmt auch Helga Lukoschat zu. Die Politologin ist Vorsitzende der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft und forscht zu Frauen in Führungspositionen und Politik. „In der Region und in den von uns untersuchten Städten liegen die Frauenanteile im Stadtrat deutlich unter 50 Prozent, die Spannbreite geht von 24 bis 39 Prozent“, erklärt Lukoschat.
Gerade in der Kommunalpolitik seien Frauen und vor allem jüngere Frauen unterrepräsentiert. „Auffällig ist die Altersstruktur: Zwei Drittel der Mandatsträger sind über 50, zum Teil über 70 Jahre alt und sehr lange dabei. Der Anteil der unter 30-Jährigen liegt dagegen bei 5,3 Prozent.“
Im Zweifel Kinderbetreuung statt politischer Termin
Die SPD-Politikerin Caroline Werner aus Nordrhein-Westfalen blickt dennoch optimistisch in ihre politische Zukunft. Sie möchte Angelegenheiten, die sie und ihre Heimat betreffen, direkt nachvollziehen und steuern. „Mein Kind selbst stellt nie eine Hürde dar. Viele Termine erlauben es problemlos, Kinder auch mitzunehmen“, sagt sie. „Die Vielzahl an Terminen führt jedoch dazu, dass politisches Engagement in Kombination mit Familie häufig nur mit entsprechender Rückendeckung funktionieren kann.“
Natürlich gebe es eine Vielzahl an Terminen, an denen sie eine Betreuung suchen und sich im Zweifel für die Kinderbetreuung und gegen den politischen Termin entscheiden müsse. „Das ist schade, aber dieses Problem ist bislang ungelöst.“
Verzicht im Privatleben
Die 29-jährige Anna Hußmann möchte für die CDU in den Wuppertaler Stadtrat ziehen. „Grundsätzlich erlebe ich als junge Frau in der Politik dieselben Herausforderungen wie im Berufsleben: Vertrauen muss man sich erarbeiten“, sagt Hußmann. „Per se ist das nichts Schlechtes, solange jeder die gleichen Chancen hat. Für mich ganz persönlich ist die größte Herausforderung, meine berufliche Karriere und das Ehrenamt zu vereinen – das geht nur mit Verzicht im Privatleben.“
Besonders wichtig sei ihr die Gesundheitspolitik. Eine wohnortnahe, verlässliche medizinische Versorgung müsse Teil moderner Stadtentwicklung sein.
Politik sollte im besten Fall immer einen Querschnitt der Gesellschaft abbilden, findet Hußmann – und dazu gehörten eben auch 50 Prozent Frauen. „Gleichermaßen gilt es auch junge und alte Perspektiven, arme und reiche Perspektiven zu berücksichtigen. Engagement ist immer noch ein Privileg, welches sich nicht jeder leisten kann oder will.“
Wichtige Perspektive fehlt im Land
Auch die künftige Studentin Sienna Leesberg möchte in die Politik. Kaum 18 Jahre alt und schon auf dem Wahlzettel. „Für mich geht es darum, Brücken zu bauen, zwischen Generationen, Lebenswelten und auch zwischen Stadt und Land“, sagt Leesberg.
Sie ist die jüngste Kandidatin von Bündnis 90/Die Grünen bei der Wahl für den Arnsberger Stadtrat. Heute feiert sie ihren 18. Geburtstag, einen Tag später steht sie zur Wahl. „Wenn die Hälfte der Menschen im Land nicht angemessen vertreten ist, fehlt eine wichtige Perspektive“, findet die junge Grünen-Politikerin. „Gerade jüngere Frauen bringen Erfahrungen mit, die sonst oft unsichtbar bleiben.“
Das gelte für den Einstieg ins Berufsleben, bei Bildungschancen oder auch in Fragen bezüglich der Zukunft. Die gesamte Gesellschaft abzubilden sei das Fundament für eine funktionierende Demokratie.
„Natürlich begegnet man als junge Frau oft der Frage: Kannst du das überhaupt? Das macht es nicht immer leicht, die Entscheidung zu treffen, in die Politik zu gehen“, erzählt Leesberg. „Zweifel und Unsicherheit begleiten einen täglich. Aber genau deshalb müssen Parteien junge Frauen fördern und den Weg dafür ebnen.“
„Für mich geht es darum, Brücken zu bauen, zwischen Generationen, Lebenswelten und auch zwischen Stadt und Land“, sagt Sienna Leesberg.
Ein Fremdkörper in der Politik?
Das sieht auch Politologin Helga Lukoschat so. „In der Kommunalpolitik ist es besonders wichtig, rechtzeitig und kontinuierlich Frauen anzusprechen und zu fördern. Das darf nicht erst kurz vor der Wahl passieren“, fordert Lukoschat.
Junge Frauen fühlten sich als Fremdkörper und die Untersuchungen hätten gezeigt, dass sie zum Beispiel weniger ernst genommen werden. „Auch der Stadtrat und die Verwaltungsspitze sind gefragt, ihre Sitzungs- und Diskussionskultur offen, respektvoll und zeitschonend zu gestalten, zum Beispiel mit digitalen Formaten. Damit wird auch für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesorgt“, sagt Lukoschat.
Für junge Frauen wie Sienna Leesberg, Anna Hußmann und Caroline Werner ist politischer Alltag nicht immer einfach. „Mein Alltag wird wohl irgendwo zwischen dem Studium der Internationalen Beziehungen in Kleve und Terminen im Sauerland liegen, also ständig in Bewegung“, erwartet Leesberg. „Meine Hoffnung ist, dass Politik wieder inhaltlicher und lösungsorientierter wird.“
Alle drei Frauen wünschen sich, dass Frauen in der Politik besser repräsentiert sind. Sie wollen zeigen, dass sich politisches Engagement lohnt, um etwas vor Ort zu bewegen.