analyse
Stand: 05.11.2025 18:04 Uhr
Dass die Syrien-Aussage des Außenministers weiterhin die Fraktion beschäftigt, sagt viel über den politischen Druck in der Union aus. Auch ein Auftritt Wadephuls in der Fraktionssitzung hat die Debatte nicht beruhigt.
Es geht längst nicht mehr um Fakten, längst nicht mehr ausschließlich um die konkreten Probleme. Nervosität angesichts einer immer stärkeren AfD dürfte eine Rolle spielen, vielleicht auch Neid und Missgunst innerhalb der Fraktion. Knapp eine Woche nach dem Besuch von Außenminister Johann Wadephul (CDU) in Syrien ist erneut eine Debatte zum Oberthema Migration bei CDU und CSU außer Kontrolle geraten.
Am Dienstag erklärte sich der Außenminister in der Unionsfraktion. Kanzler Merz stellte sich demonstrativ vor seinen Minister. Wadephul habe sich sehr gute Kontakte im Nahen Osten aufgebaut, soll Merz gesagt haben.
Lob für den Minister – das muss Merz tun, wenn er als Bundeskanzler ernst genommen werden will, vor allem vor seiner Fraktion. Die Einschätzungen von Abgeordneten dazu gehen allerdings auseinander – von „übertriebenem Lob“ bis hin zu „absolut angemessen“.
Wadephul soll Position geschildert haben
Wenn jemand eine Entschuldigung von Wadephul erwartet hatte, dann wurde er wohl enttäuscht. Wadephul soll nach Angaben von Teilnehmern seine Position geschildert haben, seine umstrittene Äußerung aus Damaskus in den Kontext gestellt haben – und so letztlich bei seiner Version geblieben sein, in die Region, wo er gewesen sei, könne man kurzfristig nicht zurückkehren.
Einige Stimmen beschreiben Wadephuls Auftreten in der Unionsfraktion als „uneinsichtig“. In der Fraktion gibt es aber sicherlich auch Neider auf ihn und das Amt des Außenministers.
In der Sache in mehreren Punkten einig
Es ist also längst keine Debatte in der Sache mehr. Denn in der Sache ist man sich in mehreren Punkten einig:
Erstens, dass Straftäter und Gefährder abgeschoben werden sollen. Das steht so im Koalitionsvertrag, das wollen sowohl Wadephul als auch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU). 920 Syrer sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums ausreisepflichtig und ohne Duldungsstatus. Wadephul hat seine konstruktive Unterstützung betont. Hier gibt es also keine Differenzen.
Zweitens gibt es derzeit kaum Diskussion darüber, gut in den Arbeitsmarkt integrierte Syrer sofort abzuschieben. Insbesondere im Gesundheitswesen haben Syrer wichtige Leerstellen in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen gefüllt. Das weiß man auch in der Union.
Ein Plan wird gebraucht
Es geht in der Sache also, drittens, vor allem um die anderen. Und um die Frage, ob man Syrer zur freiwilligen Ausreise motiviert oder letztlich auch abschiebt.
CDU-Chef Friedrich Merz setzt zunächst auf eine freiwillige Rückkehr der syrischen Flüchtlinge in ihr Heimatland, spricht aber auch von möglichen Abschiebungen. Ob die Differenz in der Sache allerdings so groß ist, darf bezweifelt werden: Schließlich sprach Wadephul von der Zerstörung in der Umgebung von Damaskus, die extrem groß ist. Andere Gebiete Syriens sind weniger zerstört. Durchaus denkbar also, dass man hier auch in der Union eine Linie findet.
In der Union müsste man also erstens einen Plan entwickeln, wie man Syrer motiviert, in ihr Heimatland zurückzukehren, und ob zweitens Abschiebungen dorthin rechtlich durchsetzbar sind.
Union tut sich schwer
Doch um diese Fakten geht es mittlerweile weniger, denn die Union tut sich immer noch schwer mit dem Oberthema Migration. Was darf da wann wie und von wem gesagt werden? Ein Teil der Union, vor allem in der CSU, will sich als harte Ordnungsmacht profilieren, indem sie Migranten aus Deutschland abschieben will. Politiker im Wahlkampf, wie der sachsen-anhaltische CDU-Chef Sven Schulze müssen vermeiden, als „zu links“ wahrgenommen zu werden. Schließlich ist die AfD bei Umfragen in Sachsen-Anhalt derzeit führend. Im Herbst 2026 wird dort gewählt.
Fraktionschef Jens Spahn und Bundeskanzler Friedrich Merz müssten die Debatte einfangen. Doch weder Merz’ demonstrative Rückendeckung für seinen Außenminister noch die öffentlichen Äußerungen von Spahn haben das erreicht. Stattdessen haben Spahn und Wadephul nun eine neue Debatte ins Rollen gebracht, ob man Syrien 2025 und Deutschland 1945 vergleichen kann – und ob man es darf. Ein kommunikatives Desaster, das die Panik in der Union beim Thema Migration offenbart.










