analyse
Stand: 12.12.2025 06:42 Uhr
Vor dem CSU-Parteitag sendet Markus Söder widersprüchliche Signale an die CDU: Er verspricht Friedrich Merz volle Unterstützung und distanziert sich gleichzeitig, lobt die Berliner Koalition und setzt sich zugleich ab.
Aus und vorbei: Die Sache mit einer Unionskanzlerkandidatur sei für ihn abgeschlossen, versicherte CSU-Chef Markus Söder vor wenigen Tagen bei Caren Miosga im Ersten. 2021 sei es für einen Moment möglich gewesen – und die Chancen eines Kandidaten Söder seien „schon ganz gut gewesen“. Aber ins Rennen ging bekanntlich der damalige CDU-Chef Armin Laschet.
So mancher in der CDU kreidet Söder bis heute an, den Unionskandidaten damals nicht nach Kräften unterstützt zu haben. „Schnee von gestern“, sagte Söder jetzt dazu und betonte seine „volle Unterstützung“ für den derzeitigen CDU-Chef und Kanzler Friedrich Merz. „Ich bin ja im Moment wahrscheinlich der freundlichste CSU-Vorsitzende seit Jahrzehnten.“
Söder verspricht Rückendeckung und Geschlossenheit
Diesen Satz wiederholt Söder in diesen Tagen nahezu bei jeder Gelegenheit – ob in Heidelberg bei der CDU Baden-Württemberg, im Zeitungsinterview oder bei einer CSU-Pressekonferenz in München, wo er zudem ankündigte: Vom CSU-Parteitag an diesem Wochenende werde ein „klares Signal für die Zusammenarbeit mit der CDU“ ausgehen.
Zum Auftakt am Nachmittag steht Söder mit seiner Rede und voraussichtlichen Wiederwahl im Mittelpunkt, am Samstag soll Gast Merz in München bejubelt werden.
Die legendäre CSU-Dialektik
Doch auch wenn Söder dem Kanzler regelmäßig Rückendeckung zusichert und ihn für seine Außenpolitik lobt: Gleichzeitig geht er immer wieder auch auf Distanz zu Merz. Von Konflikten wie zwischen Franz Josef Strauß und Helmut Kohl, zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel oder Söder und Laschet ist das Verhältnis der heutigen Parteichefs zwar weit entfernt. Aber auch Söder beherrscht und praktiziert die legendäre CSU-Dialektik – die Fähigkeit, Widersprüchliches innerhalb weniger Sätze zu vereinen.
Bei Caren Miosga betonte Söder einerseits, er wolle „so konstruktiv“ und „so freundlich“ wie möglich sein. Andererseits aber distanzierte er sich nach Monaten davon, dass die Union Ende Januar im Bundestag mit der AfD für eine andere Migrationspolitik gestimmt hatte.
„Leitentscheidung“ im Wahlkampf „mitgetragen“
Auf die Frage, ob dies ein Fehler war, sagte er: „Ich glaube, ja.“ Die Abstimmung habe die Union gespalten, die linke Seite mobilisiert und der AfD eine Chance gegeben. Und Söder stellte klar, wer für all das verantwortlich war: Es sei eine „Leitentscheidung“ des Kanzlerkandidaten Merz gewesen, die CSU habe das wegen des Wahlkampfs mitgetragen.
Unmittelbar nach der Abstimmung hatte Söder von einem wichtigen Signal gesprochen: „Es kann nicht falsch sein, nur weil die Falschen das Richtige mit uns beschließen.“ Wenige Tage später attestierte er dem CDU-Chef einen „steilen Move“, den viele Merz nicht zugetraut hätten. Jetzt sagte Söder: „Ich glaube, Friedrich Merz sieht das heute auch ein bisschen differenzierter.“
Regelmäßiges Lob für die Bundesregierung
Die Arbeit der Berliner Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD lobt Söder regelmäßig. „Ich finde, dass diese Koalition viel besser ist als ihr Ruf. Wir liefern eigentlich am laufenden Band“, sagte der CSU-Chef am Donnerstagmorgen in Berlin.
Daheim in Bayern hebt er seinen eigenen Beitrag hervor: Die CSU habe in Berlin alles durchgesetzt, was sie versprochen habe – Migrationswende, Mütterrente, Pendlerpauschale, Gastrosteuersenkung, Agrardiesel-Rückvergütung, das Aus von Bürgergeld und Heizungsgesetz sowie die Abkehr vom Verbrenner-Aus. Überhaupt sei die CSU der „stabilste Teil der Union“.
Schwarzer Peter für die große Schwester
Bei dem einen oder anderen Thema aber schiebt Söder den Schwarzen Peter anderen zu – obwohl die Christsozialen mehrere Minister stellen und er selbst im Koalitionsausschuss mit am Tisch sitzt. Beispiel: die Stromsteuer. Dass diese vorerst nicht für alle gesenkt wird, sei zwischen CDU und SPD ausgehandelt worden, „sogar zwischen dem Kanzler und dem Vizekanzler“ Lars Klingbeil (SPD), sagte Söder. Die CSU sei lediglich informiert worden. „War eine Entscheidung anderer, war aber, glaube ich, keine gute Entscheidung.“
Auch im Streit über die Rente setzte Söder auf einen taktischen Spagat. Beim Deutschlandtag der Jungen Union (JU) verkündete der CSU-Chef einerseits, er falle Kanzler Merz definitiv „nicht in den Rücken“. Andererseits stimmte er auf offener Bühne der Kritik des Parteinachwuchses am Rentenpaket zu, das Merz zuvor bei der JU verteidigt hatte. Söder rief: „Ihr habt schon gute Argumente.“ Es müsse noch einmal verhandelt werden.
„Kein schlechter Taktierer“
Damit habe Söder vorübergehend den Druck auf Merz erhöht, sagt der Politikwissenschaftler Thomas Klotz von der Hochschule für Politik in München dazu. „Dass Markus Söder kein schlechter Taktierer ist, das sieht man in seiner ganzen politischen Karriere.“
Manchmal vermittle der CSU-Chef den Eindruck, dass er mit bayerischer Landespolitik „etwas unterfordert“ sei. Ungeachtet von Söders Beteuerungen sieht der Politologe beim CSU-Chef durchaus noch bundespolitische Ambitionen: „Er ist, glaube ich, noch nicht am Ende seiner politischen Karriere.“










