Verhältnis zu den USA Warum bleibt die Bundesregierung auf X?
Stand: 11.12.2025 15:35 Uhr
Der Eigentümer von X äußert sich immer wieder radikal – zuletzt wetterte Musk gegen die EU. Dennoch bleiben viele Bundesministerien und der Kanzler mit einem Account auf der Plattform. Warum?
Bundeskanzler Friedrich Merz und die Bundesregierung werden weiterhin die Plattform X nutzen und dort Informationen über ihre Arbeit verbreiten. Das hat ein Sprecher der Bundesregierung betont und damit Forderungen nach einem Rückzug von X zurückgewiesen.
Die Debatte darüber, ob die Bundesregierung auf X vertreten sein sollte, ist nicht neu, sie nimmt derzeit aber wieder Fahrt auf. Anlass dafür sind Äußerungen von Elon Musk, dem Eigentümer der Plattform. Auf seinem sehr reichweitenstarken Account bei X wettert er derzeit in zahlreichen Posts gegen die Europäische Union und fordert deren Abschaffung.
Musk verbreitet Inhalte von Rechtsextremisten
Dabei verbreitet Musk erneut auch Inhalte bekannter Rechtsextremisten. So erklärt Martin Sellner, einer der Köpfe der völkisch-nationalistischen Identitären Bewegung und Vordenker der Neuen Rechten, in einem Post, warum er die EU verachtet. Musk verbreitet das und kommentiert: „Die EU-Kommissare sind verantwortlich für die Ermordung Europas.“ In einer anderen Mitteilung schreibt Musk: „Remigration ist die normale Position.“
Ein zustimmendes „So ziemlich“ gibt es von Musk auch für ein Bild, das ein Nutzer postet, auf dem eine europäische Flagge zu sehen ist, unter der eine Hakenkreuzflagge sichtbar wird, versehen mit der Überschrift: „Das Vierte Reich“.
Es sind nur einige von vielen Mitteilungen, die Musk in den vergangenen Tagen verbreitet hat. Anlass für seinen Ärger ist eine Entscheidung der EU-Kommission. Die hatte vergangene Woche eine Geldbuße in Höhe von 120 Millionen Euro gegen X verhängt, weil das Unternehmen gegen Regeln verstoßen hat.
Unterschriftenaktion für den Rückzug von X gestartet
Den Rückzug der Bundesregierung von X fordern mehrere Prominente, Vereine und Nichtregierungsorganisationen, die sogar eine Unterschriftenaktion gestartet haben. Auch Markus Beckedahl, Gründer des Zentrums für Digitalrechte und Demokratie unterstützt die Forderung. Dem ARD-Hauptstadtstudio sagt er, die Bundesregierung nutze mit X eine Plattform, „die dazu da ist, unsere Demokratie zu zerstören, und unterstützt damit auch deren Relevanz“.
Beckedahl sagt, die Bundesregierung sollte eigentlich eine Vorbildfunktion haben. Da könne es auch „ganz klar ein demokratisches Signal sein zu sagen: Stopp, jetzt reicht es, wir gehen von dieser Plattform runter und nutzen andere Plattformen, die einen konstruktiven Dialog in unserer Gesellschaft fördern“. Er geht zudem davon aus, dass die Bundesregierung die Bedeutung von X überbewertet und einer „Relevanzillusion“ aufsitze.
Steffen Meyer, stellvertretender Sprecher der Bundesregierung, weist das zurück. „Wir informieren die Öffentlichkeit über die Arbeit der Bundesregierung. Dafür müssen wir dort sein, wo Bürgerinnen und Bürger, wo Menschen entsprechend sind.“ Und er betont, X zu nutzen, „bedeutet nicht, dass wir uns mit allen Geschäftspraktiken des jeweiligen Plattformbetreibers einverstanden erklären oder gemein machen“.
Diese Haltung der Bundesregierung ist nicht neu. Auch unter dem ehemaligen Kanzler Olaf Scholz (SPD) gab es bereits mehrfach öffentliche Diskussionen über X. Etwa, nachdem Musk Scholz als „inkompetenten Narr“ und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als „undemokratischen Tyrann“ beschimpft hatte. Auch Musks Unterstützung der AfD vor der Bundestagswahl sorgte für Debatten.
Jedes Ministerium entscheidet selbst
Konsequenzen zogen damals allerdings lediglich das Bundesverteidigungsministerium und das Umweltministerium, die ihre Accounts seit Januar ruhen lassen. Seit dem Regierungswechsel im Mai hat sich daran nichts geändert. Rechnet man den Account des Bundeskanzlers zum Kanzleramt hinzu, nutzen weiterhin 14 von 17 Bundesministerien X aktiv. Das neue Digitalministerium ist nicht vertreten und plant derzeit auch keinen Auftritt.
Neben X nutzen die Bundesregierung und die Ministerien unterschiedliche Social-Media-Plattformen, darunter Facebook, Instagram, YouTube, TikTok, LinkedIn, Mastodon und Bluesky. Dabei gilt das sogenannte Ressortprinzip. Das heißt, jedes Ministerium entscheidet selbst, wie es seine Öffentlichkeitsarbeit gestaltet.
Gespräche zwischen den Ministerien zu dem Thema, zumindest auf Arbeitsebene, gibt es aber trotzdem. Zu hören ist, dass kritisch beobachtet werde, wie sich X entwickelt habe, und die Stimmen lauter würden, die einen Rückzug befürworten.
Weniger Zusammenarbeit mit Strafverfolgung
Bei der Zusammenarbeit mit deutschen Strafverfolgungsbehörden zeigt sich X mittlerweile offenbar ebenfalls deutlich weniger kooperativ als früher. Im Januar teilte das Bundesinnenministerium auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios noch mit, Ersuchen bezüglich strafrechtlich relevanter Inhalte würden „grundsätzlich umgesetzt“. Seit dem Spätsommer lautet die Antwort des Ministeriums, das Auskunftsverhalten von X sei „unterschiedlich“. Der Spiegel berichtete diese Woche zudem, dass das Bundeskriminalamt in einer Auswertung zu dem Schluss kommt, dass X die Ermittlungsarbeit deutscher Behörden aktiv behindert.
Unter dem Dach des Bundesinnenministeriums gibt es auch eine Arbeitsgruppe zu hybriden Bedrohungen und eine Task Force gegen Desinformation. Auf Anfrage dazu, wie das Ministerium die Aussagen von Musk bewerte, teilt eine Sprecherin mit: „Das BMI bewertet die Äußerungen von Elon Musk als Meinungsäußerungen einer Privatperson.“
Angst vor Trump?
Für die Bundesregierung könnte mit Blick auf einen möglichen Rückzug von X eine weitere Überlegung eine Rolle spielen: Wie würde wohl US-Präsident Donald Trump darauf reagieren? Dass sein Draht zu Elon Musk weiterhin eng ist, wurde vor wenigen Tagen deutlich. Angesprochen auf das Bußgeld der EU sagte Trump, Elon habe ihn nicht angerufen und bei dieser Sache um Hilfe gebeten. Aber, so Trump, das sei eine harte Sache und Europa müsse sehr vorsichtig sein.
Auf die Frage, ob die Bundesregierung also möglicherweise Angst davor hat, dass ein Rückzug von X auch Trump verärgern könnte, verneint der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer am Mittwoch in Berlin. „Angst vor dem US-Präsidenten oder irgendwelchen Folgen“ spiele bei der Entscheidung, wo man über die eigene Arbeit informiere, keine Rolle.
Auch wenn einige Stimmen aus der Zivilgesellschaft lauter werden, muss sich die Bundesregierung zumindest im Bundestag keine vernehmbare Kritik zu ihrem Umgang mit X anhören. Grüne, Linke und AfD nutzen die Plattform ebenfalls intensiv.










