Stand: 06.11.2025 04:00 Uhr
Bundeskanzler Merz hat Minister, Vertreter der Länder, der Industrie und Gewerkschaften zum Stahlgipfel geladen. Es geht um Arbeitsplätze und wirtschaftliche Resilienz.
Zumindest bei einem Punkt herrscht vor dem Stahlgipfel große Einigkeit. „Das Ziel lautet“, verkündete Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zuletzt, dass „wir auf Dauer Stahlproduktion in Deutschland erhalten.“ Das ist in der Koalition unstrittig und auch die Opposition im Bundestag, Gewerkschaften und die Industrie fordern das.
Dabei geht es um den Erhalt von Arbeitsplätzen. Noch arbeiten laut Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahl rund 80.000 Menschen in Deutschland für die Stahlindustrie. Es geht aber auch darum, dass Deutschland selbst weiter Stahl produzieren kann, sei es für den Bausektor, die Auto- oder Rüstungsindustrie. Gerade im Krisenfall wären zu hohe Abhängigkeiten von Stahlimporten ansonsten ein Risiko für die deutsche Volkswirtschaft.
„Der Druck ist immens“
Trotz der großen Einigkeit beim Ziel die Stahlindustrie in Deutschland zu halten, steckt die Branche in der Krise. Der Druck sei zwar auch schon „in den vergangenen 20 Jahren“ groß gewesen, sagt Jürgen Kerner, zweiter Vorsitzender der Gewerkschaft IG Metall, aber „aktuell ist der Druck ganz immens“.
Hohe Energiepreise, geringere Nachfrage, etwa in der Autoindustrie, günstige Stahlimporte, vor allem aus China, Schutzzölle der USA, der schwierige Umbau hin zu einer klimaschonenderen Stahlproduktion. All das macht der Stahlbranche zu schaffen. Mit Blick auf den Stahlgipfel im Kanzleramt sagt Kerner dem ARD-Hauptstadtstudio, es brauche jetzt „schnell Ergebnisse“. Sei es beim Handelsschutz oder den Industriestromkosten. Ansonsten werde, so seine Warnung „die Stahlindustrie in Deutschland, davon bin ich fest überzeugt, kollabieren.“
Zumindest beim Thema Energiepreise gibt es mittlerweile Bewegung. So kündigte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) diese Woche an, dass die „Verhandlungen mit der Europäischen Kommission“ in den letzten Zügen seien. Sie „gehe davon aus, dass wir den Industriestrompreis zum 01.01.2026 einführen werden“. Subventionierter Strom für besonders energieintensive Unternehmen, die Stahlbranche würde davon profitieren. Details hat die Bundesregierung allerdings noch nicht genannt.
Unterstützung für Schutzzölle?
Auch bei einem weiteren Punkt könnte es beim Stahlgipfel Bewegung geben. So möchte die EU-Kommission Stahlimporte nach Europa begrenzen, auch durch hohe Schutzzölle. Damit sollen unter anderem billige Stahlimporte aus China eingedämmt werden.
Die Bundesregierung hat sich bislang noch nicht festgelegt, ob sie die Pläne unterstützt. Doch der Druck diesbezüglich wächst. Sechs Bundesländer legten ein gemeinsames Positionspapier mit Forderungen an die Bundesregierung vor, unter anderem plädieren sie für einen „wirksamen“ EU-Strafzoll von mindestens 50 Prozent – „analog zum „US-Niveau“.
Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger hatte schon im Bericht aus Berlin zum Thema EU-Schutzzölle gesagt, es sei zwar nicht ihre „Lieblingswahl“, aber man müsse aufpassen, „dass in dieser sensiblen Phase nicht Dinge kaputtgeschlagen werden, die wir nie mehr wieder zum Laufen bringen können. Und dann muss man das übergangsweise auch machen“. Ebenfalls im Bericht aus Berlin pflichtete ihr CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bei: „Na klar, sie hat völlig recht.“
Der Blick nach China
Allerdings gibt es auch Kritik an den Plänen der EU-Kommission. So betont ein Sprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA) auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios zwar, die europäische Stahlbranche sei ein wichtiger Partner der Automobilindustrie und ein „gewisses Schutzniveau“ könne in der aktuellen geopolitischen Lage „sinnvoll sein“.
Die Vorschläge der EU-Kommission weist der VDA allerdings als zu weitgehend zurück. Damit drohten höhere Kosten in der Produktion und für die Verbraucher. Zudem verweist der VDA auf die Bedeutung offener Märkte für die Exportwirtschaft. „Abschottung birgt immer die Gefahr von Gegenreaktionen anderer Länder“.
Dabei dürfte der Blick auch der Bundesregierung vor allem Richtung China gehen. Zum einen ist unstrittig, dass gerade Chinas Stahlexporte die europäischen Produzenten massiv unter Druck setzten. Zum anderen weiß die Bundesregierung um die Bedeutung des chinesischen Markts für die deutsche Wirtschaft. Nachdem Außenminister Johann Wadephul (CDU) zuletzt eine China-Reise ganz kurzfristig abgesagt hatte, plant Bundesfinanzminister und SPD-Chef Lars Klingbeil eine Reise noch im November in das Land.
Klingbeil forderte zuletzt allerdings auch, dass europäischer Stahl bei öffentlichen Aufträgen, etwa dem Ausbau der Infrastruktur, bevorzugt wird.
Was bringt der Gipfel heute?
Vor dem Stahlgipfel betonen viele Beteiligte, es brauche konkrete Beschlüsse und keinen Bildtermin. Zumindest die Bundesregierung versucht im Vorfeld allerdings die Erwartungen etwas zu dämpfen. So sprach der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer diese Woche von einem „Wegbereitungsgipfel.“ Denn bei dem Treffen werde wirklich der Weg für weitere Schritte bereitet, „die wir vorhaben, um diese strategisch wichtige Branche hier in Deutschland zu stärken, in Europa zu stärken und die Arbeitsplätze zu schützen“.
Am Ende wird sich der Blick vor allem darauf richten, ob und welchen gemeinsamen Plan Bund, Länder, Stahlindustrie und Gewerkschaften beschließen. Denn so groß die Ankündigung „Stahlgipfel im Kanzleramt“ auch klingt, die Beteiligten wissen nur zu gut, dass es vor nicht einmal einem Jahr, im Dezember 2024, bereits einen Stahlgipfel an gleicher Stelle gegeben hat, weitgehend ohne konkrete Ergebnisse.
Auffällig im Vorfeld: Anders als noch in den vergangenen Jahren wird zumindest öffentlich weniger über die Transformation der Stahlindustrie hin zu einer klimaneutraleren Stahlproduktion gesprochen. Gerade das Schlagwort „grüner Stahl“ ist deutlich seltener zu hören.
Zu besprechen gibt es beim Stahlgipfel viel. Viel Zeit hat der Kanzler seinen Gästen aber nicht eingeräumt. Um 12 Uhr geht es los, um 13:45 Uhr wollen die Beteiligten bereits vor die Presse treten.









