Fünfkampf-Funktionäre beenden vorerst Chaos Aufatmen im deutschen Modernen Fünfkampf
Stand: 08.09.2025 00:19 Uhr
Beim Verbandstag in Frankfurt schließen die Streithähne einen Kompromiss. Die Sportler dürfen nun wieder auf regelmäßige Förderung und geordnete Nominierungen nach dem Leistungsprinzip hoffen.
Auf einer langatmigen, zuweilen spannenden, immer kontroversen außerordentlichen Mitgliederversammlung hat der deutsche Verband für den Modernen Fünfkampf (DVMF) vorerst die Kurve gekriegt. Nach acht Stunden von zumeist Hinterzimmergesprächen und zähen Verhandlungen haben die Funktionäre in letzter Sekunde gerade noch einmal Historisches verhindert: die erste Abwicklung eines deutschen olympischen Sportverbandes in diesem Jahrtausend.
Sie einigten sich auf einen Kompromiss, den zu Beginn des Tages niemand für möglich gehalten hatte: Die beiden Berliner Funktionäre Lutz Keister und Jan Langrehr, Väter von spitzensportlich ambitionierten Fünfkämpferinnen, aber sportpolitisch verfeindeten Lagern zugeordnet, wurden zu Vizepräsidenten gewählt und sollen bis zu den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles den Verband gemeinsam führen und befrieden. „Die Aufgabe für heute war, viele aus der Komfortzone zu bekommen“, sagte Keister, „die Lösung, die wir nun haben, war heute morgen noch nicht zu sehen.“
Heckenschützen und Saboteure
Zunächst ebenfalls nicht so eindeutig auszumachen in dem Chaos der vergangenen Monate waren für Außenstehende die Saboteure. Aber je länger um den Kompromiss gerungen wurde in Frankfurt, desto deutlicher kristallisierten sich auch die Protagonisten heraus, die womöglich sogar den Untergang des Verbandes einem Machtverlust vorgezogen hätten. Allen voran die Landesverbände aus Nordrhein-Westfalen und Bayern, die bislang die krasseste Satzungsschwäche der Fünfkämpfer, die Käuflichkeit von Wahlstimmen, am konsequentesten ausgenutzt haben.
Bayerns Landeschef Olaf Kleidon, der es vorgezogen hatte, den Verbandstag nur fernmündlich zu beeinflussen, saß bis zu seiner Abberufung am Sonntag jenem Rechtsausschuss vor, der mit dem Ausschluss des früheren Präsidenten Michael Dörr, das Machtvakuum provoziert hatte. Sein Landesverband jedenfalls stimmte nach Rücksprachen wie NRW den Kompromissen nicht zu. Aber darauf kam es nicht mehr an.
Lieber im Verborgenen
Und sein bayrischer Vizepräsident Thomas Hierl versuchte, Kameramännern gleich zu Beginn des Versammlungstages zu untersagen, ihn auf der öffentlichen Veranstaltung zu filmen. Experten konnten erahnen warum: Hierl versucht, die Macht über den Landesverband Saarland zu erlangen. Eine angebliche Wahl hatte das zuständige Landgericht zwar schon für ungültig erklärt und seinen Vorgänger im Amt bestätigt, trotzdem stimmte Hierl, nicht ohne eine gewisse Frechheit, für das Saarland ab. Es machte nur keinen Unterschied, so dass niemand Anstoß nahm.
Den Mann, der offenbar lieber im Verborgenen operiert, finden viele im deutschen Verband auch suspekt, weil er mit Administratorenrechten für eine Schlüsselposition der Macht ausgestattet ist: das Computerprogramm, über das Landesverbände Lizenzen für Athleten erwerben können, die ihnen mehr Wahlstimmen verschaffen.
Und die Unruhestifter aus Nordrhein-Westfalen hätten gern einen Bundesstützpunkt für Modernen Fünfkampf in Bonn, obwohl dafür bisher alle Voraussetzungen fehlen. Und für das Ziel waren sie bereit, jenen in Potsdam mit bestens ausgebauter Infrastruktur zu opfern und zu zerschlagen. Solche und ähnliche Egoismen und Machtspielchen haben den Fünfkampf in den vergangenen Jahren in Existenznot gebracht.
Mit dem neuen Personal, inklusive einem wieder zumindest kommissarisch mit mehr Fachkunde besetzten Nominierungsausschuss, der wieder nach Leistungskriterien entscheidet, könnte der Fünfkampf nun vor einem Neuanfang stehen.
Unverblümter Klartext
Am Ende haben die Athleten es wahrscheinlich ihrem vielgescholtenen, vom Amtsgericht bestellten Notvorstand zu verdanken, dass nun wieder Aussicht auf eine geordnete Olympiavorbereitung besteht. Bei der Sitzung in der Zentrale des Hessischen Landessportbundes in Frankfurt hat dieser Leonard Langenkamp die Versammlungsmoderation übernommen und jede mögliche Chance genutzt, den zerstrittenen Funktionären mit unverblümten Klartext zu verdeutlichen, was auf dem Spiel steht.
Schon als seinem Vorstandskollegen Jan Veder, zwischenzeitlich Präsidentschaftskandidat und Chaosmitverursacher, die Leitung gleich zu Beginn zu entgleiten drohte, griff Langenkamp beherzt ein: „Nicht einfach in den Raum reinplärren. Das ist scheiße.“ Und gegen Ende als der Kompromiss wieder einmal – wie so häufig in den Stunden zuvor – sich von greifbar nah unvermittelt durch neue Wortmeldungen zu entfernen drohte, rief Langenkamp den Verbandsvertretern in Erinnerung: „Ich werde mein Amt garantiert nicht verlängern. Vom Gericht wird auch kein neuer Notvorstand bestellt. Der nächste Notvorstand kommt nur, um den Verband abzuwickeln.“
Aufarbeitung abgesagt
Er selbst war eingesetzt worden, weil der zuvor letzte ordnungsgemäß gewählte Präsident von seinem Rechtsausschuss spektakulär ausgeschlossen worden war, ein weiteres Vorstandsmitglied freiwillig ausgeschieden war und der Vizepräsident Veder plötzlich allein da saß, obwohl die Statuten ein Vier-Augen-Prinzip verlangen. Und nachdem gleich zwei Verbandstage zwei verschiedene Präsidien im Abstand von zwei Tagen gewählt hatten, deren Wahlen beide umstritten waren. Ohne Langenkamp hätte der mit 1,4 Millionen Euro jährliche Hauptfinanzier der Fünfkämpfer, der Bund, seine Förderung weiter zurückgehalten. Nun winkt die dauerhafte Freigabe der zugesagten Mittel.
Der Preis für den Kompromiss ist nicht gering: Beide Parteien wollen auf eine Aufarbeitung aller vergangenen Sünden und Fehltritte verzichten. „Ich hoffe“, trug Langenkamp den Funktionären noch auf, „dass Sie die Lehren aus den vergangenen Jahren mitnehmen.“