Ich brauche ein neues Auto. Hat sich schon länger abgezeichnet, ist nun unumgänglich. Ein Elektroauto wäre schön, weil: fühlt sich gut umweltfreundlich an und zieht trotzdem flott ab. Für jemanden, der jahrzehntelang Verbrenner gefahren ist, ist ein solcher Schritt nicht leicht. Weil es nicht getan ist mit dem Bestellen einer Ladekarte. Und weil es um viel Geld geht. 30 000 Euro, 40 000 Euro für einen Gebrauchten, das sind ja nicht Peanuts. Oder doch?
Für manche anscheinend schon – das Gefühl kann einen beschleichen, wenn man beim Händler steht. Man wünscht sich Hilfestellung in einer Quasi-Notsituation, sofern das Auto schon dabei ist, den Geist auszuhauchen. Ein bisschen wichtig möchte man sich auch fühlen dürfen. Und jemanden an seiner Seite wissen, der einem die Angst nimmt; und nein, da hilft es nicht, wenn der Händler beteuert, es gebe überhaupt keine Probleme mit seiner Marke.
Erster Versuch: ein VW ID3. Zum vereinbarten Termin warten noch drei andere Menschen. Der Verkäufer berät erst mal einen Mann, der zwar später gekommen ist, aber schon mal ein Auto hier gekauft hat. Dann kann man den Wagen sehen, einen der vielen Leasingrückläufer auf dem Platz, in Grautönen, die einst der Bundeswehr vorbehalten waren. Autohistorie? Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Probefahrt? Ungern. Autokauf ist anscheinend nur für die Kundin ein großes Ding.
Nächster Versuch, anderes Modell. Der Verkäufer drückt einem den Schlüssel in die Hand, gern erst mal selbst anschauen, irgendwo dort hinten. Der so ladestarke wie breite Ioniq 5 ist zumindest bei ihm so gefragt, dass er die Autos schon inseriert, bevor sie überhaupt auf dem Hof stehen. Sehr junge Gebrauchte, wenige Kilometer. Gehen alle übers Internet weg, erzählt er. Gekauft wie nicht gesehen. Besichtigen beim Händler ist offenbar von gestern.
Wobei, um jetzt nicht ungerecht zu werden: Händler Nummer drei bemüht sich fast schon überfreundlich, ein Auto an die Frau zu bringen. Er fährt im Regen den Wagen aus der Parklücke, er muss dazu nicht mal hineinsteigen, das kann das Auto eigenständig. Ist halt nur das falsche Modell. Kleine Batterie, obwohl man nach der großen gefragt hatte. Ist ja egal, Frau am Steuer. Das Team ruft später allerdings noch mal an, als ein passender Wagen eintrifft.
Die Antriebswende, sie ist wohl Fluch und Segen zugleich, für Käufer wie für Verkäufer. Der Gebrauchtmarkt für E-Autos ist noch überschaubar klein, es gibt wenige ältere Fahrzeuge und wenig Erfahrungswerte. Wer als Händler keinen direkten Draht zum Hersteller unterhält, hat schnell veraltete Modelle auf dem Hof – und entsprechenden Druck. Und vermutlich werden Verkäufer überschwemmt mit letztlich doch unverbindlichen Ich-interessiere-mich-für-Ihr-Auto-Anfragen. Bei potenziellen Kunden wiederum kann ein Event wie die IAA zur Wirrnis im Kopf führen: zu viel zu schnell. Ständig kommt Neues auf den Markt mit noch mehr Reichweite, noch mehr Details, über die Technikverliebte sich freuen können. Die aber Menschen, die mit dem Auto nur von A nach B wollen, schlaflose Nächte bereiten. Restwert? Unkalkulierbar!
Ich bin mittlerweile Mitglied in fünf EV-Facebook-Gruppen. Ich erfahre jetzt in Echtzeit, wenn in England oder in den USA wieder ein „ICCU-issue“ auftaucht, eine 12-Volt-Batterie versagt – und der Fahrer (Frauen melden sich hier selten zu Wort, kommen aber indirekt vor: „Ich lade, Fraule ist grad beim Shoppen.“) Herzrasen bekommt. Häufigster Tipp in diesem Fall: Eine externe Starterbatterie im Frunk liegen haben! Diesen Ausdruck für den kleinen Kofferraum unter der Fronthaube muss man auch erstmal kennen. Man liest Scherze über „Diesel-Dieters“ und ebenso dumme Kommentare von Nicht-E-Autofahrern. Man trifft auf viele Menschen, die sehr glücklich sind mit ihrer Entscheidung, die Fotos ihrer EVs aus dem Urlaub posten und erzählen, wie problemlos sie Langstrecken gemeistert haben. Dazu Menschen, die jetzt „ins kalte Wasser springen“ wollen und schreiben: „Hallo, ich bin neu hier, könnt ihr mir helfen?“ Und zumindest in den Selbsthilfe-Foren findet sich immer jemand, der ihnen zur Seite steht in der komplizierten neuen Autowelt.
Händler Nummer vier war zuletzt übrigens ausgesprochen auskunftsfreudig. Es ging um einen gebrauchten Verbrenner.

Die Autorin hat bis jetzt kein neues Auto. Aber – noch – Freunde, die ihr ein Auto leihen.