Stand: 08.11.2025 16:26 Uhr
Nach einem Wahlkampf á la Musk und Milei hat Tomio Okamura sein Ziel erreicht: Der rassistische Anti-System-Politiker ist Tschechiens neuer Parlamentspräsident. Das verleiht ihm beträchtlichen Einfluss.
Für eine Kettensäge hat es offensichtlich nicht gereicht. Tomio Okamura lief im Wahlkampf mit einer Motorsense über die Bühne und mähte Pappaufsteller nieder. Auf ihnen stand: Staatsschulden, Diktate von der EU, Finanzierung von NGOs, Bürokratie und Unterstützung für die Ukraine.
Die Aktion des Chefs der tschechischen SPD erinnerte an Auftritte von Javier Milei in Argentinien oder Elon Musk in den USA. Auch der Tscheche will radikal kürzen. Im Wahlkampf versprach er: „Wenn wir an der Regierung sind, hören wir auf, die Ukrainer und die Ukraine zu finanzieren. Wir wollen Geld für unsere Bürger!“
Vorwurf der Volksverhetzung
Okamura ist bekannt für rassistische Äußerungen. Er leugnet den Holocaust an den Roma, will den Islam verbieten und lehnt den Migrationspakt der EU ab. Auf einem früheren Wahlplakat seiner Partei war ein dunkelhäutiger Mann mit einem blutverschmierten Messer zu sehen. Deswegen läuft ein Strafverfahren wegen Volksverhetzung gegen ihn.
Der nationalistische Politiker lehnt auch den Green Deal der EU ab. Aus EU und NATO will er eigentlich austreten und von Russland wieder günstige Rohstoffe kaufen. Demonstranten beschimpften ihn in den vergangenen Wochen als Kollaborateur.
In seiner Partei dreht sich alles um ihn
Okamura hat die tschechische SPD vor zehn Jahren gegründet, sie ist komplett auf ihn zugeschnitten. Der 53-Jährige ist einer der bekanntesten Politiker des Landes, als Sprecher eines Touristik-Verbandes war er schon früher öffentlich aufgetreten.
Seine Mutter ist Tschechin, der Vater Japaner. Okamura erlebte laut eigenen Aussagen Ausgrenzung in beiden Ländern. In Japan konnte er wirtschaftlich nicht Fuß fassen, in Tschechien stieg er in die Reisebranche ein, oft ohne Erfolg.
In Umfragen lag seine Partei zwischenzeitlich in diesem Jahr bei bis zu 13 Prozent, bei der Parlamentswahl erhielt sie dann aber nur knapp acht Prozent – weniger als bei den vorherigen beiden Parlamentswahlen.
Natürlich hätte das Ergebnis besser sein können, räumte er danach ein. Nun aber wolle seine Partei Teil der nächsten Regierung werden, denn ihr Ziel sei es gewesen, Premier Petr Fiala abzulösen.
Der erste Schritt ist getan
Fiala abzulösen, das ist der SPD inzwischen gelungen – am Donnerstag reichte er seinen Rücktritt ein, nachdem es Wahlsieger Andrej Babis gelungen war, eine Koalition seiner ANO mit der rechtslibertären Motoristen und SPD zu bilden – seit Montag ist der Koalitionsvertrag unterschrieben.
Ob sie tatsächlich die neue Regierung bilden kann, hängt auch von Präsident Petr Pavel ab. Der liberale Ex-NATO-General ernennt den Premier und alle Minister und will keine Regierungspolitiker akzeptieren, die Tschechiens westliche Ausrichtung infrage stellen.
Kommt es am Ende zu einer Regierung, wären die Rechten zum ersten Mal beteiligt. Volksabstimmungen über einen Austritt Tschechiens aus EU und NATO fordern sie nicht mehr, auch keine eigenen Minister; das sollen parteilose Experten übernehmen.
Großer Einfluss als Parlamentspräsident
Dafür gibt es aber lukrative Posten. Den dritthöchsten im Land füllt nun Tomio Okamura aus – als Parlamentspräsident mit Verfassungsrechten.
Ausgerechnet sein eigener Bruder warnte eindringlich vor diesem Schritt. Hayato Okamura sitzt für die Christdemokraten im Abgeordnetenhaus. In einer emotionalen Rede sprach er von einer ernsten Gefahr für die Sicherheit Tschechiens.
„Er ist ein zutiefst instabiler Mensch, der Politik seit Langem eher wie ein Geschäftsmann betreibt, nicht wie jemand mit einem soliden moralischen Fundament, auf das wir uns verlassen könnten.“
Okamuras Kritiker sehen sich durch dessen erste Amtshandlung bereits bestätigt: Der frisch gewählte Parlamentspräsident ließ die Ukraine-Flagge vom Abgeordnetenhaus in Prag entfernen. Dort hing sie seit Beginn des russischen Angriffskrieges als Zeichen der Solidarität. Okamura erklärte beim Abhängen, die Tschechische Republik stehe an erster Stelle.
Für den SPD-Chef ist es der Höhepunkt seiner politischen Karriere. Für die proeuropäische Opposition ist seine Wahl in das Amt eine internationale Schande.









