Stand: 14.11.2025 16:45 Uhr
Die Junge Union war lange eine Machtbasis von Friedrich Merz. Im Konflikt um das Rentenpaket deutet sich aber eine zunehmende Distanz an. Was steckt dahinter?
Schon der Ort steht für Nervenkitzel: Der Europapark Rust lockt Besucher mit 14 Achterbahnen, verspricht den „Adrenalin-Kick“ und „enorme Fliehkräfte“. Wer das sucht, könnte an diesem Wochenende auch am Boden fündig werden, denn die Junge Union (JU) kommt im baden-württembergischen Rust zu ihrem Deutschland-Tag zusammen – und ist so stark wie selten zuvor auf Konfrontation mit Kanzler und CDU-Parteichef Friedrich Merz aus.
Der Leitantrag für das JU-Treffen liest sich wie eine Abrechnung mit der Bundesregierung, die zögerlich und mutlos sei. Gefordert wird ein „Neuer Generationenvertrag für Deutschland“, denn das, was die schwarz-rote Koalition in den Sozialsystemen plane, sei „eine schwere Hypothek“ für die Jüngeren.
Kritik am Rentenpaket
Vor allem das Rentenpaket der Koalition sorgt seit Wochen für Unmut bei jungen Unionern. Die Pläne führten zu „Mehrkosten in Höhe von über 200 Milliarden Euro bis 2040“, kritisiert der Leitantrag. Die Höhe der Rente müsse stattdessen stärker daran angepasst werden, wie viele Beitragszahler es überhaupt gibt. Dass das schwarz-rote Gesetzespaket über 2031 hinaus ein bestimmtes Rentenniveau festschreiben will, ist das größte Ärgernis für die JU.
Das sei etwa im Koalitionsvertrag anders verabredet gewesen, sagt Laura Strohschneider, JU-Vorsitzende in Brandenburg. Nun sei geplant, dass das „Rentenniveau dauerhaft etwa ein Prozentpunkt höher liegt als nach dem bisherigen Berechnungsverfahren“ – mit Folgekosten allein dafür in Milliardenhöhe.
„Wenn es jetzt keine Reform gibt, ist es zu spät und jede Chance vertan“, warnt Strohschneider. Was laut JU-Leitantrag nötig ist: ein höheres Renteneintrittsalter, weniger Anreize für Frühverrentung. Wer vor der Altersgrenze in Rente gehe, müsse beispielsweise deutlich höhere Abschläge in Kauf nehmen, fordert die JU.
JU fordert „echte Strukturreformen“
Auch in der Kranken- und Pflegeversicherung mahnt die JU zu härteren Einschnitten. Sie will, dass die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall spürbar beschnitten wird, „um Fehlzeiten zu senken und Missbrauch vorzubeugen“, so ist es im Leitantrag formuliert.
Auch bei der Pflege müsse man klarer machen, dass jeder privat vorsorgen sollte, statt vom Staat „Vollkasko“ zu erwarten. Insgesamt brauche es „echte Strukturreformen“.
Wie gefährlich wird es für den Kanzler?
Bei all dem können sich die Jungen in der Union auf einen berufen: den Oppositions-Merz. Mit markigen Worten hat er immer wieder Einschnitte im Sozialsystem gefordert. Auch dafür wurde er auf Deutschland-Tagen der Jungen Union gefeiert. Nun klingt es eher wie eine Drohung, wenn JU-Chef Johannes Winkel in einem Interview sagt: „Merz konnte sich immer auf die Junge Union verlassen. Jetzt verlassen wir uns auf ihn.“
Ist das der Beginn einer Entfremdung? Und wie gefährlich kann diese für Merz und seine Kanzlerschaft werden? Die JU war lange eine Machtbasis von Merz, Social-Media-Fanclub und fleißige Wahlkampftruppe. Seine Auftritte bei der JU endeten gern mit stehenden Ovationen, minutenlang, geschwenkt wurden Deutschlandfahnen und Merz-Pappen.
Im vergangenen Jahr wurde Merz beim Deutschlandtag der Jungen Union auf der Bühne gefeiert.
„Ich erwarte von Merz deutliche Signale“
Am Samstag hat Merz seinen mit Spannung erwarteten Auftritt auf dem Deutschland-Tag. Und dieses Mal kommt der Regierungs-Merz und muss der Parteijugend erklären, warum es bislang in der Koalition nicht gelungen ist, die harten Sozialreformen anzugehen.
„Ich erwarte von Merz mindestens deutliche Signale in Richtung einer Kompromissfindung beim Thema Rente“, sagt die Brandenburger JU-Frau Laura Strohschneider. Mit ein paar Beschwichtigungsformeln wird Merz höchstens in seiner Rede durchkommen. Da es danach traditionell auch eine Befragung des Parteichefs gibt, wird die JU sehr wahrscheinlich nachhaken: Kommt das Rentenpaket wirklich so?
Machtfrage im Bundestag
Doch weniger Jubelrufe beim JU-Treffen sind nicht das eigentliche Problem für Merz. Die Machtfrage stellt sich im Bundestag: Dort besteht die sogenannte „Junge Gruppe“ innerhalb der Unionsfraktion aus 18 Abgeordneten. Das sind etwas mehr Stimmen als die Koalitionsmehrheit. Also könnten junge Gegenstimmen bei wichtigen Gesetzesvorhaben entscheidend sein.
In der Rentendiskussion drohte die Junge Gruppe zuletzt immer wieder mit einer Blockade. Ohne wesentliche Veränderungen werde man dem Rentenpaket nicht zustimmen. Die JU müsse „ihre Stellung selbstbewusst nutzen“, fordert auch Laura Strohschneider. „Falls es zu keinem Einlenken kommt, muss sie das Nein auch durchziehen.“ Strohschneider sieht in diesem Punkt eine große Einigkeit bei Junger Union und Junger Gruppe.
Ob also dieses Mal auf dem Deutschland-Tag die Merz-Fanplakate rausgeholt werden, ist sehr fraglich. Und auch mit manch anderer Forderung ärgert die JU den Regierungschef: Ein Antrag fordert, auf jede Art von Umbau oder Erweiterung des Kanzleramtes zu verzichten.
Die Merz-Mitarbeiter sollten sich Schreibtische teilen, wie andere Büromenschen auch, heißt es in dem Papier der niedersächsischen JU. Und wenn das nicht funktioniere, solle der Kanzler eben „die Anzahl der Mitarbeiter reduzieren“.










