Koalitionsausschuss-Beschlüsse Lob von Verbänden, Schelte von Umweltschützern
Stand: 14.11.2025 10:37 Uhr
Helfen die Beschlüsse des Koalitionsausschusses, die Wirtschaft auf Trab zu bringen? Während die Koalitionäre und Verbände davon ausgehen, sieht ein führender Ökonom das grundsätzlich anders. Und auch Umweltschützer üben Kritik.
Die sinkende Ticketsteuer im Luftverkehr und ein neuer Industriestrompreis: Mit den Einigungen des Koalitionsausschusses will die Bundesregierung der schwächelnden Wirtschaft unter die Arme greifen. Doch was von Branchenvertretern mit großem Lob aufgenommen wurde, stößt etwa bei Umweltschützern auf harsche Kritik.
So löste die angekündigte Ticketsteuer-Senkung erwartungsgemäß Freude in der Luftfahrtbranche aus. Ihre Verbände lobten die Entscheidung als wichtigen Schritt zur Stärkung der Sparte und des Luftfahrt-Standorts Deutschland.
Der Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV, Ralph Beisel, sprach vom „Beginn einer echten Trendwende“. Sein Kollege vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Joachim Lang, erklärte jedoch auch: „Damit Deutschland am anhaltenden Boom des Luftverkehrs in Europa teilhaben kann, sind in den kommenden Jahren aber noch weitere Schritte erforderlich.“ Von der Lufthansa hieß es, die Bundesregierung zeige, dass sie den Ernst der Lage im Luftverkehr erkannt habe.
„Fatales Signal“ für den Klimaschutz
Für die Umweltschutzorganisation Greenpeace ist die Rücknahme der Luftverkehrsteuer-Erhöhung hingegen ein „fatales Signal“. Der deutsche Greenpeace-Chef Martin Kaiser nahm Bezug auf die laufende Weltklimakonferenz in Brasilien: „Während die Staatengemeinschaft auf der COP30 in Belém um die Reduktion von CO2-Emissionen ringt, verteilt die Bundesregierung Steuer- und Preisgeschenke an die fossilen Industrien.“ Das heize die Erderhitzung weiter an und schwäche Deutschlands Glaubwürdigkeit.
Auch von den Grünen kam Kritik. Parteichef Felix Banaszak warf Bundeskanzler Friedrich Merz und den Koalitionsspitzen von CDU, CSU und SPD Mutlosigkeit vor. „Zu glauben, die Wirtschaftskrise mit dem Rasieren der Luftverkehrsabgabe und einem Deutschlandfonds zu beenden, ist schon stark vermessen“, sagte er.
BDI begrüßt Industriestrompreis, fordert aber mehr
Auch den angekündigten Industriestrompreis, den Banaszak grundlegend begrüßte, bemängelte der Grünen-Chef hinsichtlich seiner erwarteten Finanzierung. Nach Angaben von Finanzminister Lars Klingbeil wird das Geld dafür aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen. Für Banaszak unverständlich: „Ein Industriestrompreis ist richtig. Aber mit Klimaschutz hat der nichts zu tun“, sagte er.
Für die Industrie ist der subventionierte Strompreis, der zum 1. Januar 2026 eingeführt werden soll, eine gute Nachricht. Nach Angaben des stellvertretenden Hauptgeschäftsführers des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Holger Lösch, helfe der Industriestrompreis besonders energieintensiven Industrieunternehmen, international wettbewerbsfähig zu bleiben. Lösch forderte aber zusätzliche Entlastungen: Weitere Unternehmen sollten aus seiner Sicht Zugang zur Strompreiskompensation bekommen. „Um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern, braucht es darüber hinaus Verlässlichkeit in der Stromversorgung“, betonte Lösch.
Koalitionäre verteidigen Beschlüsse
Die Fraktionschefs von Union und SPD verteidigten unterdessen die Beschlüsse des Koalitionsausschusses erneut als notwendigen Motor für die Wirtschaft. Angesichts der schwierigen Konjunkturlage Deutschlands sagte Unionsfraktionschef Jens Spahn im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF: „Die wichtigste Aufgabe für diese Koalition in dieser Zeit ist es, diesem Land endlich wieder Wachstum zu bringen.“ Dabei dürften Klimaschutz und das Ziel, Industrieland zu bleiben, seiner Aussage nach keine Gegensätze sein.
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch nannte den Industriestrompreis ein „wichtiges Signal an die deutsche Wirtschaft“. Man habe schon in der Ampelkoalition gesehen, dass die Energiepreise ein Thema seien – gerade in der Industrie. „In der Ampel konnten wir uns nicht einigen. Ich bin sehr froh, dass uns das gestern gelungen ist“, sagte Miersch im Morgenmagazin.
Ähnlich äußerte sich auch der Geschäftsführer der SPD, Dirk Wiese. „Die Koalition hat einen klaren Fokus auf Wirtschaft und Arbeit gelegt. Wir haben wichtige Beschlüsse gefasst, die für die Wettbewerbsfähigkeit wichtig sind, die aber auch Arbeitsplätze bei uns im Land sichern“, sagte er im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk.
Fratzscher: Beschlüsse schlecht für Wirtschaft
Anders sieht es hingegen der Ökonom Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Er stellte den Beschlüssen der Koalitionsspitzen schlechte Noten aus: „Die Entscheidungen des Koalitionsausschusses scheinen von Lobbyinteressen getrieben und sind schlecht für die deutsche Wirtschaft“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Der Industriestrompreis gehe aus seiner Sicht zulasten der großen Mehrheit der deutschen Unternehmen, „die letztlich höhere Energiekosten werden zahlen müssen“.
Die Ticketsteuer-Senkung ist auch für Fratzscher ein „fatales Signal“. Sie unterstreiche, „dass die Bundesregierung noch immer nicht die Dringlichkeit zielgerichteter Wirtschaftspolitik verstanden hat und sie sich von Lobbyinteressen vereinnahmen lässt“, kritisierte der Wirtschaftsexperte. „Diese Maßnahme ist letztlich ein Geschenk für Besserverdiener und bedeutet eine Umverteilung von Arm zu Reich.“










