Stand: 18.11.2025 15:28 Uhr
Im März starben an Syriens Küste etwa 1.500 Menschen, die meisten von ihnen waren Alawiten. Laut UN hatten regierungsnahe Truppen systematisch Gewalt gegen die Minderheit ausgeübt. Ein Prozess in Aleppo soll nun die Hintergründe klären.
Nach der Gewalt an Syriens Küste im März mit etwa 1.500 Toten hat der erste Prozess gegen mutmaßliche Beteiligte begonnen. In Aleppo in Nordsyrien stehen 14 Angeklagte vor Gericht. Ihnen wird unter anderem Anstachelung zu konfessionellen Spannungen, Diebstahl sowie Angriffe auf Angehörige der syrischen Sicherheitskräfte zur Last gelegt.
Hinterhalt und mutmaßlicher Racheakt
Im März hatten bewaffnete, mit dem gestürzten Machthaber Baschar al-Assad verbündete Gruppen die Sicherheitskräfte der neuen Regierung in einen Hinterhalt gelockt. Eine Gegenoffensive eskalierte daraufhin zu Racheakten und einem Massaker an Hunderten Zivilisten der alawitischen Religionsminderheit, der auch Assad angehört, und die überwiegend an der Küste lebt.
Mehr als 1.600 Menschen wurden laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte getötet. Ein im Juli veröffentlichter Untersuchungsbericht spricht von etwa 1.400 Getöteten. Die Untersuchung zu diesem Bericht ergab, dass es keine Beweise dafür gebe, dass Syriens neue Militärführung Angriffe auf die alawitische Gemeinschaft angeordnet habe.
Widersprüchliche Angaben über Systematik der Gewalt
Eine Untersuchung der Vereinten Nationen stellte hingegen klar, dass die Gewalt gegen Zivilisten durch regierungsnahe Gruppierungen „weit verbreitet und systematisch“ gewesen sei. Die UN-Kommission erklärte, dass Häuser in Gebieten mit alawitischer Bevölkerungsmehrheit gestürmt und Zivilisten gefragt worden seien, „ob sie Sunniten oder Alawiten seien“. Weiter hieß es: „Alawitische Männer und Jungen wurden dann zur Hinrichtung abgeführt.“
Die Angriffe auf die alawitische Gemeinschaft erhöhten den Druck auf Interimspräsident Ahmad al-Sharaa. Seit seinem Amtsantritt im Dezember bemüht sich seine Regierung fieberhaft, die diplomatische Isolation zu beenden und die USA davon zu überzeugen, die lähmenden Sanktionen aufzuheben und den Handel anzukurbeln, um das vom Krieg zerstörte Land wiederaufzubauen.
Syriens Interimspräsident al-Sharaa unter Druck
Aus Justizkreisen hieß es, dass die Hälfte der Angeklagten Mitglieder der ehemaligen Regierung von Assad seien. Die andere Hälfte seien Mitglieder der Sicherheitskräfte der neuen Regierung. Der Prozess erfolgt auf Druck der Öffentlichkeit und der internationalen Gemeinschaft, die von den neuen Machthabern des Landes nach Jahrzehnten der autokratischen Herrschaft der Assad-Dynastie eine Justizreform forderten.
Zahlreiche Angehörige von Opfern kamen in den Justizpalast von Aleppo. Sicherheitskräfte bewachten das Gerichtsgebäude. Der Prozess wurde für nationale und internationale Medien geöffnet, das syrische Staatsfernsehen übertrug Teile des Prozesses. Ein Angeklagter hatte zuvor sein Geständnis widerrufen und erklärt, es sei unter Folter erzwungen worden.
Syrischen Justizkreisen zufolge sollen weitere Prozesse folgen. Insgesamt würden mehr als 560 Personen im Zusammenhang mit den Gewaltausbrüchen verdächtigt. Die syrische Justiz will auch denjenigen den Prozess machen, die für Verbrechen gegen das syrische Volk in den vergangenen 14 Jahren verantwortlich gemacht werden.









