„Platz der Geiseln“ in Tel Aviv Wie können die Angehörigen ihren Kampf fortsetzen?
Stand: 30.11.2025 08:13 Uhr
„Bring them home!“ – dieser Ruf ging jahrelang vom „Platz der Geiseln“ in Tel Aviv aus. Eine eigene Gedenkkultur entwickelte sich. Nach der Rückkehr fast aller Verschleppten steht ein Wandel an – aber welcher?
„Hatikvah“ – die „Hoffnung“: Israels Nationalhymne hallt zum wahrscheinlich letzten Mal über den „Platz der Geiseln“. 784 Tage und 14 Stunden sind seit dem Terrorangriff auf Israel vergangen, wie die große Anzeigetafel verrät. Samstag für Samstag demonstrierten hier Tausende Menschen und forderten: „Bringt sie alle zurück, und zwar jetzt!“ Es ging auch darum, die Regierung an den Verhandlungstisch zu drängen.
Aber die wöchentlichen Kundgebungen dürften enden. Die Entscheidung darüber, wie es weitergeht, soll in dieser Woche fallen. Das Forum der Angehörigen der Geiseln und Vermissten will einen neuen Rahmen für die Erinnerung an die Verschleppten und für seine Forderungen finden.
Diskussion über das weitere Vorgehen
„Der Kampf geht weiter, aber vielleicht in anderer Form“, Omer Tuval, der Sprecher des Forums:
Was angemessen für die Familien von 255 Geiseln war, ist nicht unbedingt dasselbe, was für eine oder zwei Familien passt. Aber wir diskutieren das mit den Familien und wir werden sehen, wie wir am besten weitermachen.
Die Hamas und die mit ihr verbündeten Terrorgruppen haben die überlebenden Geiseln und die sterblichen Überreste fast aller toten Verschleppten übergeben. Es fehlen nur noch zwei Tote: der israelische Polizist Ran Gvili und der thailändische Erntehelfer Sudthisak Rinthalak.
Auf der Bühne und in der Menschenmenge werden ihre Fotos hochgehalten. „Jetzt ist es das Ziel, Sudthisak und unseren Rani nach Hause zu bringen“, sagt Rans Vater Itzik Gvili:
Mit Eurer Hilfe wende ich mich von hier an die Vermittler, mit der Bitte, die Nachricht zu überbringen, dass es keine nächste Phase und keinen ‚Tag danach‘ im Gazastreifen geben wird, solange Ran nicht wieder bei uns ist.
Auch Platz für politische Forderungen
Aber der Charakter der Kundgebungen auf dem „Platz der Geiseln“ ändert sich. Von den mehr als hunderttausend Menschen, die hier einmal demonstrierten, ist man weit entfernt. Dafür sind neben „Bringt alle zurück, und zwar jetzt!“ auch politische Forderungen zu hören.
Karen Saar hat ein entsprechendes Plakat dabei. „Das Parlament hat ein Gesetz abgelehnt, das den Überlebenden vier Millionen Schekel zur Rehabilitation zugesprochen hätte“, erklärt sie ihren Protest. „Diese Regierung, die am 7. Oktober im Amt war, als sie damals entführt wurden, enthält ihnen dieses Geld vor.“ Und sie wolle verhindern, dass eine unabhängige staatliche Untersuchungskommission einberufen wird, um zu ermitteln, was damals genau passierte und wie es dazu kommen konnte.
„Ein Stück israelischer Geschichte“
Auch Oppositionspolitiker setzen sich dafür ein, verstärkt eine Aufarbeitung der Fehler und Versäumnisse einzufordern, die den Terrorüberfall auf Israel erst möglich machten. Und sie wollen die Dynamik der Samstags-Demonstrationen nutzen, um sich Gehör zu verschaffen. So verlangte der frühere Minister Yizhar Shai vergangene Woche auf dem „Platz der Geiseln“: „Schluss mit der mangelnden Staatsführung, Schluss mit dem moralischen Versagen, beruft jetzt eine Untersuchungskommission ein!“ Aber das Forum der Geiselfamilien betont, dass es unpolitisch und überparteilich bleiben wolle.
Die Angehörigen der Verschleppten und ihre Unterstützer machen sich eher Gedanken, was von den letzten zwei Jahren bleibt. Denn auf dem Platz der Geiseln, der zwischen dem Kunstmuseum von Tel Aviv und dem Armeehauptquartier liegt, hat sich eine eigene Art der Gedenkkultur gebildet. In den Bäumen hängen Zettel mit den Wünschen von Kindern. Überall sind Fotos der Verschleppten zu sehen. Ein ausgebranntes Autowrack und der Nachbau eines engen Tunnels sollen die Leiden der Geiseln greifbar machen.
„Ich denke, es ist ein Stück israelischer Geschichte“, sagt Tuval. Er hoffe, dass viel dem bleibe, was hier in den vergangenen zwei Jahren passiert sei. „Das müssen wir erhalten und daran erinnern.“
