
Tanken und Heizen ab 2027 EU-Kommission will Preissteigerungen entgegenwirken
Stand: 22.10.2025 00:06 Uhr
Übernächstes Jahr soll der europäische Emissionshandel auf Verkehr und Gebäude ausgeweitet werden – mit dem Ziel, CO2 zu sparen. Deutliche höhere Preise stehen im Raum. Die EU-Kommission hat Ideen, um gegenzusteuern.
Die EU-Kommission will etwaigen hohen Preisanstiegen beim Tanken und Heizen ab dem Jahr 2027 entgegenwirken: mit Änderungen beim sogenannten Emissionshandelssystem für Verkehr und Gebäude. Dabei müssen Unternehmen Rechte zum Ausstoß von Treibhausgasen nachweisen. Ab 2027 sollen auch Brennstoffe einbezogen werden – was besonders den Verkehrs- und Gebäudebereich betrifft.
Bei einem Treffen der Umweltminister der Staatengemeinschaft in Luxemburg schlug EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra den Mitgliedsstaaten unter anderem vor, ab 2027 schneller mehr Zertifikate freizugeben, um mit mehr Angebot den Preis zu senken.
Die Kommission wolle dafür sorgen, dass die Preise bezahlbar und vorhersehbar bleiben, sagte Hoekstra laut einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP nach dem Treffen. Die Bedenken aus zahlreichen EU-Staaten seien berechtigt.
Verbesserungen „vor Marktstart“ gefordert
Von Mitgliedsstaaten hatte es Druck gegeben, gegen die zu erwartenden Preissprünge vorzugehen. Deutschland und rund ein Dutzend andere Länder forderten etwa, „Verbesserungen bereits vor dem Marktstart“ in Betracht zu ziehen. Dies könnte allerdings auch bedeuten, dass die Emissionen weniger stark sinken würden als ursprünglich vorgesehen. Ein solches Eingreifen könnte damit auch die Klimaziele der EU gefährden.
Der Europäische Emissionshandel für den Gebäude- und Verkehrssektor (ETS2), der 2027 beginnen soll, sieht vor, dass fossile Energiekonzerne CO2-Zertifikate entsprechend der Emissionen kaufen, die von ihnen verkaufte Kraftstoffe verursachen. Die Mehrkosten dürften die Unternehmen an die Verbraucher weitergeben, sodass Tanken und Heizen teurer wird.
Die Einnahmen aus dem Zertifikatehandel sollen zu großen Teilen in einen Klimasozialfonds fließen, um Haushalten und Unternehmen zu helfen. Hoekstra schlug laut der Nachrichtenagentur AFP nun auch vor, diese Finanzierung vorzuziehen: Die EU-Länder sollen schon im kommenden Jahr entsprechende Projekte finanzieren können. Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll dafür die späteren Einnahmen vorstrecken.
Anreiz für mehr Sparsamkeit
Um Treibhausgase zu verringern, war 2005 das sogenannte Emissionshandelssystem (ETS) eingerichtet worden. Dies gilt bisher für die Industrie und den Energiesektor: Bestimmte Unternehmen müssen Zertifikate für den Ausstoß klimaschädlicher Gase wie Kohlendioxid (CO2) vorweisen und können – nach Bedarf – auch damit handeln. Das soll als Anreiz dienen, um Treibhausgase einzusparen.
Ab 2027 soll das System EU-weit auf das Heizen von Gebäuden und den Verkehr ausgeweitet werden (ETS2). Mit einer steigenden CO2-Bepreisung soll ein Anreiz für mehr Sparsamkeit sowie zum Umstieg auf klimafreundliche Technologien gesetzt werden – also zum Beispiel auf Elektroautos oder klimafreundlichere Heizungen. Derzeit gilt in Deutschland dafür der nationale Emissionshandel für alle Gebäude und Verkehr. Ab 2027 soll das nationale System durch das europaweite abgelöst werden.
Bislang gibt es in Deutschland einen festen CO2-Preis, derzeit liegt er bei 55 Euro pro Tonne. Nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz wird für das Jahr 2026 ein Preiskorridor mit einem Mindestpreis von 55 Euro pro Emissionszertifikat und einem Höchstpreis von 65 Euro pro Emissionszertifikat festgelegt. Nach dem EU-weiten Emissionshandel bildet sich der CO2-Preis dann ab 2027 am Markt.
„Wenn die Marktpreise 45 Euro überschreiten, wird ein ‚Top-up‘-Mechanismus ausgelöst, der das Volumen der freizugebenden Zertifikate verdoppelt“, so EU-Klimakommissar Hoekstra. Darüber hinaus sollen alle Zertifikate, die bis Ende 2030 nicht freigegeben wurden, in einer Reserve behalten werden. Geplant war, dass das System 2030 ausläuft.
Lob von SPD- und CDU-Abgeordneten
„Endlich sieht auch die Kommission ein, dass wir mit der aktuellen Gesetzeslage beim ETS2 drohen, ins sozialpolitische Messer zu laufen“, begrüßte der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken die Ankündigungen. Auch sein CDU-Kollege Peter Liese sprach sich dafür aus, die Mittel „so schnell wie möglich“ zu verwenden.
Eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung war zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund der strikten europäischen Emissionsobergrenzen und teilweise geringen Fortschritte beim Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in Europa der CO2-Preis für Kraft- und Brennstoffe deutlich steigen wird. Studien zufolge seien Preise von 200 Euro je Tonne möglich. Der ADAC rechnet – beginnend mit 2027 und in den Folgejahren – mit Steigerungen von bis zu 19 Cent pro Liter Benzin und Diesel – abhängig davon, wie schnell es beim Klimaschutz vorangeht.
Auch einer Studie des Münchner Forschungsinstituts für Wärmeschutz zufolge könnten von 2027 an starke Kostensteigerungen auf Haushalte zukommen, vor allem für Menschen, die in energetisch schlecht ausgerüsteten Gebäuden leben. Der Caritasverband hatte bereits gefordert, die Einführung ab 2027 sozial abzupuffern. „Wenn CO2-Preissteigerungen nicht sozial flankiert werden, dann müssten die Ärmsten die Suppe auslöffeln, die andere eingebrockt haben“, sagte die Präsidentin des Deutschen Caritasverbands, Eva Maria Welskop-Deffaa, jüngst.
Die EU-Kommission will in den nächsten Wochen einen formellen Legislativvorschlag mit den Änderungen vorlegen. Dann müssen die EU-Staaten darüber beraten. Bei bestimmten Vorschlägen hat auch das Europaparlament Mitspracherecht.