CHP im Visier der Behörden Türkei nimmt dutzende weitere Oppositionspolitiker fest
13.09.2025, 16:46 Uhr Artikel anhören
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Vor einem halben Jahr verhaften türkische Behörden den Istanbuler Bürgermeister Imamoglu. Es folgt eine der größten Protestwellen des Landes. Nun trifft es weitere Oppositionspolitiker. Am Montag steht die nächste Kraftprobe an.
Bei ihrem Vorgehen gegen die Oppositionspartei CHP haben die türkischen Behörden dutzende weitere Lokalpolitiker festnehmen lassen. Ein Vertreter der Istanbuler Staatsanwaltschaft ordnete die Festnahme von 48 Mitgliedern des Bezirksrats im Stadtteil Bayrampasa in der Millionenmetropole an, darunter Bezirksbürgermeister Hasan Mutlu von der CHP und dessen Stellvertreter. Ihnen werde „Erpressung, Korruption, schwerer Betrug und Fälschung von Ausschreibungen“ vorgeworfen, berichtete der türkische Nachrichtensender NTV.
Regierungstreue Vertreter der türkischen Justiz gehen seit Monaten verstärkt gegen die linksnationalistische CHP vor, die bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr deutlich vor der islamisch-konservativen AKP von Staatschef Recep Tayyip Erdogan gelandet war. Dutzende CHP-Mitglieder wurden festgenommen und zahlreiche Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Korruption eingeleitet.
Prominentester Fall ist der des im März verhafteten Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu. Der 55-Jährige ist der größte Rivale von Erdogan und wurde bis zu seiner Festnahme als voraussichtlicher Herausforderer bei der nächsten Präsidentenwahl gehandelt. Imamoglus Festnahme hatte die größte Protestwelle in der Türkei seit den sogenannten Gezi-Protesten im Jahr 2013 ausgelöst. Am Freitag begann in Istanbul ein weiterer Prozess gegen Imamoglu. Darin wird ihm vorgeworfen, seinen Universitätsabschluss gefälscht zu haben.
Nächste Kraftprobe in Ankara
Am Montag findet in Ankara eine Gerichtsverhandlung zu angeblichen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl der CHP-Parteispitze im Jahr 2023 statt. Dabei droht dem damals gewählten Parteichef Özgür Özel die Absetzung durch die Justiz. Die Opposition wirft der islamisch-konservativen Regierung vor, die Justiz zu instrumentalisieren, um bei der nächsten Wahl nicht gegen die CHP zu verlieren.
Die Staatsanwaltschaft wirft Özel und den anderen Vorstandsmitgliedern der CHP in dem Prozess in Ankara vor, bei dem Parteitag 2023 Stimmen gekauft zu haben, um eine Abwahl des damaligen Parteichefs Kemal Kilicdaroglu sicherzustellen. Kilicdaroglu hatte zuvor bei der Präsidentenwahl gegen Erdogan verloren. Sollte das Gericht in Ankara die Vorstandswahl annullieren, könnte Özel des Amtes enthoben und Kilicdaroglu wieder eingesetzt werden.
Vorsichtshalber hat die CHP für den Sonntag nächster Woche bereits einen außerordentlichen Parteitag angesetzt. Im Falle seiner Absetzung am Montag könnte Özel so nur sechs Tage später erneut zum Parteivorsitzenden gewählt werden, wie sein Stellvertreter Murat Bakan sagte. Die Regierung versuche, die CHP zu schwächen, „indem sie sie mit juristischen Problemen überhäuft“, sagte Bakan. „Aber das ist weder politisch noch rechtlich möglich.“
Steht CHP vor Spaltung?
Beoachter schließen im Falle einer Absetzung Özels duch das Gericht allerdings eine Spaltung der CHP nicht aus. „Die derzeitige Parteispitze könnte sich weigern, die Parteizentrale zu verlassen, und wir könnten ein interessantes Szenario erleben, in dem die CHP gleichzeitig zwei Spitzen hat“, sagte etwa der Politikexperte Berk Esen.
Vize-Parteichef Bakan ist überzeugt, dass die CHP gestärkt aus dem Machtkampf hervorgehen wird – und verweist auf die massive Unterstützung seit der Festnahme Imamoglus. Wenn die Regierung der CHP „keine andere Wahl“ lasse, werde sie eben ihre Wähler „auf die Straße bringen“.
Beobachter fürchten allerdings, dass die politischen Turbulenzen die Wirtschaftskrise in der Türkei weiter verschärfen könnten. Als ein Gericht Anfang September in einem ganz ähnlichen Verfahren die Istanbuler CHP-Spitze abgesetzt hatte, brachen die Börsenkurse in der Türkei um mehr als fünf Prozent ein.
CHP im Visier der Behörden Türkei nimmt dutzende weitere Oppositionspolitiker fest
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Vor einem halben Jahr verhaften türkische Behörden den Istanbuler Bürgermeister Imamoglu. Es folgt eine der größten Protestwellen des Landes. Nun trifft es weitere Oppositionspolitiker. Am Montag steht die nächste Kraftprobe an.
Bei ihrem Vorgehen gegen die Oppositionspartei CHP haben die türkischen Behörden dutzende weitere Lokalpolitiker festnehmen lassen. Ein Vertreter der Istanbuler Staatsanwaltschaft ordnete die Festnahme von 48 Mitgliedern des Bezirksrats im Stadtteil Bayrampasa in der Millionenmetropole an, darunter Bezirksbürgermeister Hasan Mutlu von der CHP und dessen Stellvertreter. Ihnen werde „Erpressung, Korruption, schwerer Betrug und Fälschung von Ausschreibungen“ vorgeworfen, berichtete der türkische Nachrichtensender NTV.
Regierungstreue Vertreter der türkischen Justiz gehen seit Monaten verstärkt gegen die linksnationalistische CHP vor, die bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr deutlich vor der islamisch-konservativen AKP von Staatschef Recep Tayyip Erdogan gelandet war. Dutzende CHP-Mitglieder wurden festgenommen und zahlreiche Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Korruption eingeleitet.
Prominentester Fall ist der des im März verhafteten Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu. Der 55-Jährige ist der größte Rivale von Erdogan und wurde bis zu seiner Festnahme als voraussichtlicher Herausforderer bei der nächsten Präsidentenwahl gehandelt. Imamoglus Festnahme hatte die größte Protestwelle in der Türkei seit den sogenannten Gezi-Protesten im Jahr 2013 ausgelöst. Am Freitag begann in Istanbul ein weiterer Prozess gegen Imamoglu. Darin wird ihm vorgeworfen, seinen Universitätsabschluss gefälscht zu haben.
Nächste Kraftprobe in Ankara
Am Montag findet in Ankara eine Gerichtsverhandlung zu angeblichen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl der CHP-Parteispitze im Jahr 2023 statt. Dabei droht dem damals gewählten Parteichef Özgür Özel die Absetzung durch die Justiz. Die Opposition wirft der islamisch-konservativen Regierung vor, die Justiz zu instrumentalisieren, um bei der nächsten Wahl nicht gegen die CHP zu verlieren.
Die Staatsanwaltschaft wirft Özel und den anderen Vorstandsmitgliedern der CHP in dem Prozess in Ankara vor, bei dem Parteitag 2023 Stimmen gekauft zu haben, um eine Abwahl des damaligen Parteichefs Kemal Kilicdaroglu sicherzustellen. Kilicdaroglu hatte zuvor bei der Präsidentenwahl gegen Erdogan verloren. Sollte das Gericht in Ankara die Vorstandswahl annullieren, könnte Özel des Amtes enthoben und Kilicdaroglu wieder eingesetzt werden.
Vorsichtshalber hat die CHP für den Sonntag nächster Woche bereits einen außerordentlichen Parteitag angesetzt. Im Falle seiner Absetzung am Montag könnte Özel so nur sechs Tage später erneut zum Parteivorsitzenden gewählt werden, wie sein Stellvertreter Murat Bakan sagte. Die Regierung versuche, die CHP zu schwächen, „indem sie sie mit juristischen Problemen überhäuft“, sagte Bakan. „Aber das ist weder politisch noch rechtlich möglich.“
Steht CHP vor Spaltung?
Beoachter schließen im Falle einer Absetzung Özels duch das Gericht allerdings eine Spaltung der CHP nicht aus. „Die derzeitige Parteispitze könnte sich weigern, die Parteizentrale zu verlassen, und wir könnten ein interessantes Szenario erleben, in dem die CHP gleichzeitig zwei Spitzen hat“, sagte etwa der Politikexperte Berk Esen.
Vize-Parteichef Bakan ist überzeugt, dass die CHP gestärkt aus dem Machtkampf hervorgehen wird – und verweist auf die massive Unterstützung seit der Festnahme Imamoglus. Wenn die Regierung der CHP „keine andere Wahl“ lasse, werde sie eben ihre Wähler „auf die Straße bringen“.
Beobachter fürchten allerdings, dass die politischen Turbulenzen die Wirtschaftskrise in der Türkei weiter verschärfen könnten. Als ein Gericht Anfang September in einem ganz ähnlichen Verfahren die Istanbuler CHP-Spitze abgesetzt hatte, brachen die Börsenkurse in der Türkei um mehr als fünf Prozent ein.