analyse
Stand: 04.11.2025 10:58 Uhr
Nach der vorerst gestrichenen Wadephul-Reise telefonieren die Außenminister – und es gibt auch in der Wirtschaft Anzeichen für deutsch-chinesische Entspannung. Aber viele Probleme bleiben.
Vorletzte Woche sorgte die Verschiebung der China-Reise von Außenminister Johann Wadephul (CDU) noch für Wirbel. Jetzt hat er immerhin mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi telefoniert. Das Gespräch sei „sehr gut“ und „konstruktiv“ gewesen, sagt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Man sei sich einig gewesen, dass eine stabile deutsch-chinesische Beziehung für beide Länder von großem Interesse sei.
Der Sprecher betont auch: Den vor zehn Tagen kurzfristig verschobenen Besuch wolle Wadephul bald nachholen. China habe zudem die Einladung an Kanzler Friedrich Merz (CDU) wiederholt und eine Einladung an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ausgesprochen.
Termine gibt es noch nicht – aber das Bemühen um positive Signale ist Peking und Berlin deutlich anzumerken.
Aufatmen in der deutschen Wirtschaft – ein bisschen
Auch wirtschaftlich scheint sich die Lage leicht zu entspannen. So hat das chinesische Handelsministerium die Ausfuhr dringend benötigter Halbleiter des wichtigen Herstellers Nexperia zugesagt. Das Bundeswirtschaftsministerium spricht von einem „positiven ersten Signal der Entspannung“. Die Exportbeschränkungen für Nexperia hatten vor allem der deutschen Automobilindustrie große Sorgen bereitet.
Ganz verschwunden sind die Sorgenfalten in den Gesichtern der Manager noch nicht, denn viele Details sind noch unklar und Lieferengpässe auch jetzt nicht vollends ausgeschlossen.
Und noch eine Nachricht aus China sorgt für ein Aufatmen in der deutschen Wirtschaft: die Lockerungen der Exportbeschränkungen für seltene Erden. Sie sind für die deutsche Industrie unverzichtbar. Seltene Erden stecken in Hightechprodukten wie Smartphones und Elektromotoren. China hat ein Quasi-Monopol bei der Förderung und Veredelung dieser Rohstoffe und kontrolliert den Export zunehmend streng.
Vergangene Woche beim Treffen von US-Präsident Donald Trump mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Südkorea hatte die chinesische Seite zugesagt, zumindest die jüngsten Exportkontrollen vom Oktober für ein Jahr auszusetzen. Andere bleiben bestehen. Unklar ist, ob die Lockerung für alle Länder gilt, also auch für die EU. Eine entsprechende Zusicherung gab es am Wochenende in Brüssel im Rahmen von Handelsgesprächen beider Seiten.
„Endlich in die Hufe kommen“
Doch trotz der positiven Signale aus China – die Probleme in den deutsch-chinesischen Beziehungen bleiben. Wolfgang Niedermark, einer der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, sprach daher schon nach dem Trump-Xi-Treffen lediglich von einer „Atempause“. „Wir gewinnen Zeit. Die akute Situation hat sich jetzt erst einmal entschärft“, sagte er dem ARD-Hauptstadtstudio.
Jetzt dürfe man nicht die Hände in den Schoß legen und müsse verstärkt daran arbeiten, die Abhängigkeiten von China zu verringern, betont Niedermark. Viele Unternehmen hätten sich zu lange auf die Volksrepublik verlassen. „Wir müssen endlich in die Hufe kommen“, sagt er mit Blick auf Wirtschaft und Politik.
Streben nach mehr Unabhängigkeit bei seltenen Erden
Doch Lieferketten im Bereich seltene Erden zu diversifizieren ist teuer, aufwendig – und dauert viele Jahre. Denn der Abbau erfordert gewaltige Investitionen und belastet die Umwelt.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte erst kürzlich einen neuen Vorstoß an: „Ziel ist es, den Zugang zu alternativen Quellen für kritische Rohstoffe kurz-, mittel- und langfristig für unsere europäische Industrie zu sichern“, sagte die CDU-Politikerin auf einer Konferenz in Berlin. Demnach will die EU Partnerschaften mit Ländern wie Australien, Kanada, Chile, Grönland, Kasachstan, Usbekistan und der Ukraine beschleunigen. „Wir werden uns auf alles konzentrieren, vom gemeinsamen Einkauf bis zur Bevorratung“, sagte von der Leyen.
Doch bis es so weit ist, dürfte es noch dauern. Bislang, kritisiert Niedermark, seien viele Initiativen „zu klein, zu langsam, zu bürokratisch und zu schwerfällig“.
Wie viel Kritik soll es sein?
Auch der diplomatische Umgang mit China bleibt eine Herausforderung. Denn die chinesische Führung setzt ihre wirtschaftliche Macht zunehmend politisch ein. Wie schnell es im diplomatischen Verhältnis haken kann, zeigt nicht zuletzt der vor zehn Tagen verschobene Peking-Besuch Wadephuls. Er bekam von chinesischer Seite kaum Termine zugesagt – wohl auch, weil er deutliche Kritik geübt hat an Chinas aggressivem Verhalten gegenüber Taiwan oder der Unterstützung für Russland.
Von den Grundpositionen der Bundesregierung wich Wadephul in seinen Äußerungen nicht ab. Trotzdem gab es Gegenwind – nicht nur in China, sondern auch vom Koalitionspartner SPD. Adis Ahmetovic, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, wünscht sich etwas mehr Zurückhaltung. Er warnt, „dass wir öffentlich nicht den Konflikt suchen sollten – zumindest in der Rhetorik China gegenüber“. Die Zusammenarbeit mit China solle man nicht unnötig gefährden, mahnt Ahmetovic. Partnerschaft sei wichtig – auch wegen der Abhängigkeiten bei seltenen Erden und anderen Vorprodukten aus China, die die Industrie so dringend braucht.
Ausgerechnet aus der Wirtschaft gibt es Widerspruch. BDI-Hauptgeschäftsführer Niedermark betont, kritische Themen müssen deutlich angesprochen werden: „Es kann nicht verlangt werden, dass der deutsche Außenminister zum Pfötchen geben nach Peking fährt.“
Jetzt reist Klingbeil als erster Minister nach Peking
Auch wenn Wadephul seine Reise jetzt bald nachholen will – als erstes Kabinettsmitglied der schwarz-roten Bundesregierung reist wohl nicht der Außenminister, sondern Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil nach China. Der SPD-Politiker wird dort noch im November zu einem finanzpolitischen Dialog erwartet – und zu einem seit Jahren bestehenden Parteiendialog zwischen Sozialdemokraten und der chinesischen Kommunistischen Partei.
Welchen Ton Klingbeil dabei anschlagen wird, dürfte nicht nur von chinesischer Seite genau beobachtet werden. Zwischen Dialog, klarer Kante und wirtschaftlichen Abhängigkeiten – das Verhältnis zu China bleibt kompliziert.









