So schnell geht es. Schon vor dem Heimspiel gegen Union Berlin war das Thema Bayern-Jagd vom Tisch. Doch nach dem 3:4 gegen die „Eisernen“ sehen manche die himmelhoch gelobte Frankfurter Eintracht bereits vor einer Saison in den Untiefen des Bundesliga-Mittelfeldes. Das Punktspiel an diesem Samstag im Borussen-Park (18.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und bei Sky) gegen Mönchengladbach mag manchem als Kompassnadel dienen, wohin die Reise geht.
Cheftrainer Dino Toppmöller weigert sich, die Auseinandersetzung als richtungsweisend anzusehen. Um eine Standortbestimmung gebeten, sagte er am Donnerstag bei einem Medientermin: „Ich habe keine Lust, nach dem vierten Spieltag ein Fazit zu ziehen und dann nach dem sechsten vielleicht noch einmal. Wir stehen da, wo wir sind.“
In der Meisterschaft nach zwei Siegen und zwei Niederlagen im Mittelfeld, in der Champions League nach einem 5:1 über Galatasaray an der Tabellenspitze. Es ist das Kennzeichen talentierter junger Mannschaften, dass sie kein einheitliches Leistungsbild abgeben, ihr Spiel birgt große Chancen und große Risiken, und manchmal geht es in die eine Richtung, manchmal in die andere. Das drückte auch Toppmöller bei seiner Analyse der Ereignisse der vergangenen Woche aus. „Es ist nicht immer alles erklärbar, manches hängt einfach auch mit dem Spielglück zusammen.“ Gegen Union sei jeder Schuss des Gegners ein (Gegen-)Treffer gewesen, gegen Galatasaray sei sein Team leicht zu seinen Toren gekommen. „Wir schießen einen Freistoß von der Mittellinie, und der Ball fällt hinten rein.“
Viele individuelle Fehler
So einfach, wie es in diesen Sätzen klingt, macht es sich der Eintracht-Trainer in seiner Analyse natürlich nicht. „Wir machen zurzeit zu viele individuelle Fehler, aber wir werden nicht das letzte Mal von Naivität gesprochen haben. Gegen Union stand nun mal die jüngste Startelf (unter 24 Jahren) seit Jahrzehnten auf dem Platz. Das entspricht der Philosophie des Vereins. Aber mit der Jugendlichkeit geht fehlende Erfahrung einher.“ Seine Forderung: „Wir müssen abgezockter und schlauer werden.“ Trainieren lasse sich das nicht, der Fortschritt gehe nur über Anschauungsunterricht: „Zum Beispiel, wie clever das Leverkusen bei unserer 1:2-Niederlage in Unterzahl gegen uns heruntergespielt hat.“

Beim 3:4 gegen Union entdeckte Toppmöller keine grundsätzliche taktische Schwäche seiner Mannschaft. Den Vorwurf, im Mittelfeld habe Durchzug geherrscht, die Berliner hätten zu leicht kontern können, ließ er nicht pauschal gelten. „Die Restverteidigung war nur vor dem vierten Gegentor schlecht.“ Bei den Gegentreffern zum 0:2 und 1:3 seien genug Abwehrspieler da gewesen, „aber sie haben ihre Zweikämpfe nicht gewonnen“. Und beim ersten Gegentor bemängelte Toppmöller „vier Fehlpässe in fünf Sekunden“. Die Message aus dem 3:4 sei: „Wir müssen mit dem Ball sauberer sein und gegen den Ball schärfer im Zweikampf verteidigen.“
„Weit weg von einer Traum-Rückkehr“
Genauso unglücklich wie seine Feldspieler war Torwart Kaua Santos beim 3:4 gegen Union – ohne einen individuellen Fehler begangen zu haben. „Die Leistung bei seinem Comeback ist nicht zu bewerten“, sagte Toppmöller. „Er hatte keinen Ball zu halten, und was auf sein Tor kam, war drin.“ 151 Tage nach seinem Kreuzbandriss gegen Tottenham hatte der 22 Jahre alte Brasilianer wieder in einem Pflichtspiel auf dem Platz gestanden. „Es war weit weg von einer Traum-Rückkehr, aber endlich kann ich wieder das tun, was ich am meisten liebe. Jetzt fühle ich mich stärker, vorbereitet und hungriger denn je, um zu gewinnen. Ich freue mich auf alles, was vor uns liegt“, sagte Kaua Santos nach dem Abpfiff.
Vor ihm liegt, dem Vorschusslorbeer gerecht zu werden, der um seine Stirn gelegt worden ist. Die Sportliche Leitung der Eintracht hat sich während seiner Verletzungspause auf den Brasilianer als Nummer 1 der Eintracht festgelegt. Kevin Trapp wurde das offen mitgeteilt, was zur (einvernehmlichen) Trennung führte. Auch Trapps Nachfolger Michael Zetterer wurde das bei dessen Verpflichtung kommuniziert. „Es wurden intern Sachen besprochen, dabei bleibt es auch. Es gibt nichts, was ich verraten kann oder will“, weigerte sich Zetterer, Einzelheiten zu nennen. Doch Eintracht-Trainer Toppmöller legte öffentlich dar: „Wir wissen um Kauas enormes Potential. Es war schon bei Zettis Wechsel die klare Kommunikation, dass wir mit Kaua als Nummer 1 planen. Es ging nur um den genauen Zeitpunkt.“ Der war gegen Union gekommen, nachdem Zetterer gegen Galatasaray noch sein Champions-League-Debüt geben durfte.
Das Leistungsprinzip ist nicht abgeschafft
Einen Freifahrtschein hat Kaua Santos nicht. Das Leistungsprinzip ist nicht abgeschafft, wenngleich die wirtschaftliche Perspektive zählt. Der Brasilianer gilt als großes Talent, auch während der Verletzungspause wurden ihm lukrative Offerten unterbreitet, die er im Einklang mit der Eintracht jedoch ablehnte, da die erhofften 50 bis 60 Millionen Euro Ablöse noch lange nicht auf dem Markt erzielbar sind. Dazu müsste Kaua Santos eine ganze Saison auf hohem Niveau durchspielen.
Dafür ebnet ihm die Eintracht den Weg, aber wenn er dennoch stolpert, steht Zetterer bereit. Der frühere Bremer formulierte es gegenüber dem „Kicker“ so: „Ich bin nicht hergekommen, weil mir gesagt wurde, dass ich in dieser Saison kein Spiel machen werde.“ Die Auseinandersetzung gegen Borussia Mönchengladbach wird für Kaua Santos und die Eintracht keine für die Saison entscheidende Bedeutung haben. Aber ein erfolgreicher Auftritt würde einiges erleichtern.