Stand: 10.09.2025 20:12 Uhr
In Berlin sind nach einem Brandanschlag weiter Tausende Haushalte ohne Strom – teilweise auch ohne warmes Wasser. Mehrere Schulen bleiben geschlossen. Auch der Notruf funktioniert mancherorts nicht.
- rund 14.000 Haushalte im Berliner Südosten seit Dienstag ohne Strom
- tausende Haushalte haben auch kein warmes Wasser
- längster Störfall der vergangenen 25 Jahre
- Notrufnummern teilweise auch noch gestört
- Unterricht an Schulen am Donnerstag wieder regulär
Der großflächige Stromausfall im Berliner Südosten ist der längste Störfall in der Hauptstadt seit 25 Jahren. Das sagte der Sprecher des Netzbetreibers Stromnetz Berlin, Henrik Beuster, am Mittwochnachmittag der Deutschen Presse-Agentur (DPA). Demnach übertrifft die Dauer den bisher letzten großen Blackout 2019 in Köpenick.
In der Nacht auf Mittwoch war zwar die Stromversorgung für viele Bewohner wiederhergestellt worden, am Morgen waren aber weiterhin rund 20.000 Haushalte ohne Elektrizität, wie der Netzbetreiber auf seiner Webseite mitteilte. Am Mittwochabend waren gegen 18 Uhr nach Angaben von Stromnetz Berlin noch rund 13.700 Haushalte und Gewerbeeinheiten ohne Strom.
Verursacht wurde der Ausfall mutmaßlich durch einen Brandanschlag. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) bezeichnete die mögliche Tat am Mittwochabend in der rbb24 Abendschau als „menschenverachtend“. Sie gehe von derselben Tätergruppe aus, die im März einen Brandanschlag in Brandenburg verübt hatte. Damals war der Autobauer Tesla in Grünheide (Oder-Spree) betroffen. Spranger kündigte zudem mehr Gelder im Haushalt für die Sicherung kritischer Infrastruktur an.
Das rbb-Fernsehen sendet am Mittwochabend um 20:15 Uhr ein rbb24 Spezial „Blackout – Wie sicher ist unser Netz?“

Was tun, wenn der Strom länger ausfällt?
Ist der Strom weg, funktioniert sehr viel mehr nicht mehr, als man womöglich denkt. Was dann zu bedenken ist, wie man sich behelfen kann, was man besser lässt – und wie man Vorsorge für ein etwaiges nächstes Mal trifft.mehr
Kein warmes Wasser in tausenden Haushalten
Tausenden Menschen fehlt neben Elektrizität auch warmes Wasser. Der Ausfall kann auch Haushalte betreffen, die vom Stromausfall nicht oder nicht mehr betroffen sind. Wie viele Haushalte derzeit kein warmes Wasser haben, ist schwer zu beziffern. Die Berlin Energie und Wärme sprach am Mittwochmorgen auf rbb-Anfrage von bis zu 4.500 Kunden ohne warmes Wasser. Hintergrund ist demnach ein im Südosten betriebenes Kraftwerk, das vom Stromausfall betroffen sei, so eine Sprecherin.
Auch die Blockheizkraftwerks, Träger- und Betreibergesellschaft mbH Berlin (BTB) teilte auf ihrer Webseite mit, aufgrund des Stromausfalls Teile der Kundschaft in Treptow-Köpenick nicht mit warmem Wasser beliefern zu können.
Kabelarbeiten am Mittwoch
Der Netzbetreiber appelliert derweil an alle Kunden, die wieder mit Strom versorgt sind, den Verbrauch zu reduzieren. So könne die Stromversorgung stabil gehalten und weitere Kunden ans Netz angeschlossen werden, hieß es.
Der Stromausfall in dem Gebiet dauert seit mehr als 24 Stunden an. Die durch den Brand beschädigten Kabel sind derzeit nicht nutzbar, teilte Stromnetz Berlin am Mittwoch mit. Daher arbeite man derzeit daran, das Stromnetz auf alternativem Wege miteinander zu verbinden. Dafür wurden in der Nacht auf Mittwoch mehrere Kabel aus der Erde geholt, hieß es. Im nächsten Schritt würden die miteinander verbunden.
Die Arbeit sei sehr komplex, daher rechne Stromnetz Berlin eigenen Aussagen zufolge damit, dass erst Donnerstagabend alle Haushalte wieder mit Strom versorgt werden könnten. Sprecher Beuster erklärte, bei der Notreparatur werde ein „Kniff“ angewendet. Die Leitungen, die zu den Masten führen, würden mittels Muffen zusammengeführt. Dadurch könne ein neuer alternativer Stromkreis entstehen.
Wem in der Zwischenzeit ein Schaden wegen des unterbrochenen Stromnetzes entstanden ist, kann bei Stromnetz Berlin eine Forderung auf Schadensersatz [stromnetz.berlin] stellen.

Wo es bei ausgefallenem Notruf Hilfe gibt
Wo bekommt man Hilfe, wenn wie gerade in Teilen Berlins der Strom ausgefallen ist? „Wählen Sie den direkten Weg zur nächsten Wache, falls ein Notruf nicht möglich ist“, rät die Polizei. Auch die Feuerwehr hat mobile Anlaufstellen eingerichtet.mehr
Notruf teilweise nicht erreichbar
Der Notruf 110 als auch 112 ist in gewissen Teilen im Bezirk Treptow-Köpenick weiterhin nicht erreichbar. Auch der Norden von Dahme-Spreewald war zeitweise betroffen, dort ist der Notruf nach rbb-Informationen mittlerweile aber wieder erreichbar.
In Berlin regeln Beamte der Polizei den Verkehr an ausgefallenen Ampelanlagen und sind ansprechbar im Notfall. Außerdem wurden mobile Anlaufstellen der Polizei und Feuerwehr eingerichtet. 240 Beamte seien am Mittwoch dafür im Einsatz.
Die nahegelegenen Polizeiabschnitte können jederzeit aufgesucht und kontaktiert werden. Notrufe oder Hilfeersuche können auch über Verkehrsmittel der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) abgesetzt werden.
Tiefkühlkost in Kühllaster
Die meisten Supermärkte und Einzelhändler haben ihre Tiefkühlware dem Handelsverband Berlin-Brandenburg (HDE) zufolge retten können. „Sie haben dafür gesorgt, die Ware sofort in Kühllaster umzulagern“, sagte Hauptgeschäftsführer Nils Busch-Petersen der DPA. Die blieben demnach entweder neben den Märkten stehen oder brachten die Produkte in die Großlager im Berliner Umland.
„Es ist trotzdem für viele extrem ärgerlich“, sagte Busch-Petersen. Geschäfte hätten zwar geöffnet, manche Händler könnten derzeit aber online keine Bestellungen tätigen. Es käme also aktuell keine neue Ware.

Am Donnerstag piepen und heulen die Alarme in Berlin und Brandenburg
Alarm in Berlin und Brandenburg – glücklicherweise nur testweise. Am 11. September um 11 Uhr will der Katastrophenschutz erneut ausprobieren, ob seine Warnsysteme einwandfrei funktionieren. In Berlin werden seit langem wieder Sirenen zu hören sein.mehr
Nahverkehr weiterhin beeinträchtigt
Mehrere Bus- und Tramlinien verkehren wegen des Stromausfalls verändert.
- Tram M17: fährt nicht zwischen S Schöneweide und S Adlershof
- Tram 63: fährt nicht zwischen Köllnischer Platz (Haltestellen der Linie 68) und Landschaftspark Johannisthal bzw. S Schöneweide
- Bus 265: Umleitung zwischen Sterndamm/Königsheideweg und Sonnenallee/Baumschulenstraße, bzw. Frauenlobstraße und Segelfliegerdamm/Waldstraße via Südostallee/Königsheide
Die Berliner S-Bahn meldet wegen des Stromausfalls keine Störungen mehr.
Mehrere Schulen blieben am Mittwoch geschlossen
Aufgrund des großflächigen Stromausfalls blieben am Mittwoch ein Dutzend Schulen im Bezirk Treptow-Köpenick geschlossen. Ab Donnerstag soll an den Schulen wieder Unterricht stattfinden.
Ob auch in der Grundschule am Mohnweg in Altglienicke am Donnerstag wieder regulär unterrichtet werden kann, entscheidet sich erst in der Nacht, hieß es in der rbb24 Abendschau. Das Schulgebäude wird seit dem Stromausfall als Katastrophen-Leuchtturm genutzt. Das Deutsche Rote Kreuz bietet Betroffenen dort eine Unterkunft sowie Versorgung.

Senatorinnen wollen Berlins Infrastruktur besser schützen
Tausende Haushalte im Berliner Südosten sind weiterhin ohne Strom. Grund ist ein mutmaßlicher Brandanschlag auf Strommasten. Die Berliner Politik vermutet Insider-Wissen hinter der Tat und fordert mehr Schutz für kritische Infrastruktur.mehr
Abgeordneter vermutet Insider-Wissen bei Anschlag
Für den mutmaßlichen Brandanschlag hat es aus Sicht des innenpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Martin Matz, Spezialwissen gebraucht. „Wenn man sieht, wo diese Strommasten in Johannisthal stehen oder gestanden haben, dass die etwas mit der Stromversorgung in Adlershof zu tun haben, ist nicht so völlig einsichtig“, so Matz am Mittwoch im rbb24 Inforadio.
Wissenschafts- und Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) erklärte am Mittwoch, dass man sich auf Anschläge und Sabotagen „gezielter vorbereiten“ müsse, um die Sicherheit aller zu gewährleisten. Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) forderte mehr Aufmerksamkeit für das Thema. Sie riet der Bevölkerung, sich für Notfälle zu wappnen und etwa Lebensmittelvorräte, Batterien und Akkus vorzuhalten, um gegebenenfalls kommunizieren zu können.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) erklärte: Es sei auffällig, „dass gezielt offensichtlich diese Verteilerstationen ausgesucht worden sind und nicht willkürlich. Das heißt, man hat sich darauf vorbereiten müssen, man hat Analysen erstellen müssen, an welcher Stelle man das Netz hier attackieren will, um einen möglichst großen Schaden auszuüben.“
Die Polizei könne aktuell noch nicht sicher sagen, ob das im Internet veröffentlichte Bekennerschreiben tatsächlich von den Tätern stamme, so Dobrindt weiter. Klar sei aber, man habe es hier ganz offensichtlich mit einer Gruppe zu tun, „die die Bereitschaft hat, gegen unsere Gesellschaft auch gewaltsam vorzugehen“.
Sendung: rbb24 spezial, 10.09.2025, 20:15 Uhr