Umstrittenes Gesetz in Kambodscha Regierungskritikern droht die Ausbürgerung
Stand: 02.09.2025 04:02 Uhr
Die Regierung in Kambodscha verschärft den Druck auf Kritiker: Ein neues Gesetz ermöglicht den Entzug der Staatsbürgerschaft. Menschenrechtler sprechen von katastrophalen Auswirkungen auf das südostasiatische Land.
Es wirkte wie ein lapidarer Tagesordnungspunkt, als im holzvertäfelten Parlament in Phnom Penh die Hände der 120 Abgeordneten in die Höhe schnellten. Auch Premierminister Hun Manet stimmte mit einer unaufgeregten Geste ab.
Doch das Gesetz, das hier einstimmig verabschiedet wurde, ist einschneidend und äußerst umstritten: Denn es erlaubt den Behörden, kambodschanischen Bürgern die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Im Gesetzentwurf heißt es, damit sollten Bürger bestraft werden können, denen Hochverrat vorgeworfen wird.
Der Politikwissenschaftler und Kambodscha-Experte Neil Loughlin von der University of London erläutert im ARD-Interview, auf wen das Gesetz konkret zielt: Es gehe darum, Regierungskritiker mundtot zu machen. Das neue Gesetz zeige, wie in Kambodscha Meinungsfreiheit und Demokratie unterdrückt werden, um die Macht der langjährigen Herrscherfamilie abzusichern.
Freie Wahlen undenkbar
Kambodschas Regierung steht schon lange wegen massiver Einschränkungen der Grundrechte in der Kritik. Unter Langzeit-Premier Hun Sen, der 2023 nach fast vier Jahrzehnten die Macht an seinen Sohn Hun Manet übergab, wurden die politische Opposition, unabhängige Medien und kritische Umweltschützer verhaftet und systematisch zum Schweigen gebracht. Vertreter der Zivilgesellschaft sowie die wenigen noch verbliebenen, unabhängigen Gewerkschaften müssen ständig damit rechnen, eingeschüchtert und attackiert zu werden.
Der 73-jährige Hun Sen ist mittlerweile offiziell nur noch Senatspräsident, gilt aber weiterhin als der starke Mann im Land. Das soll sich angesichts des eingeleiteten Generationenwechsels nach und nach ändern, so Kambodscha-Experte Loughlin. Und dazu diene auch das neue Gesetz: „Das alles ist Teil eines umfassenderen Versuchs, das Überleben des Regimes und die Machtübergabe an Hun Manet zu sichern.“
Freie Wahlen mit demokratischer Vielfalt und fairem Wettkampf sind in Kambodscha undenkbar. Obwohl die Verfassung ein Mehrparteiensystem vorsieht, dominiert in dem südostasiatischen Land seit Jahrzehnten die Kambodschanische Volkspartei CPP. Generalsekretär der CPP ist seit 2015 Hun Sen.
Kambodscha gilt als ein besonders korruptes Land und belegt auf dem Korruptionsindex von Tranparency International regelmäßig die hinteren Plätze. Bestechung und Amtsmissbrauch sind bis in höchste Regierungskreise gängig.
„Sargnagel für die Menschenrechte“
Das neue Gesetz passt in dieses Bild. Bereits im Vorfeld hatten 50 Nichtregierungsorganisationen vor der Verabschiedung gewarnt. Es habe „katastrophale“ Auswirkungen. Einen weiteren Sargnagel für die Menschenrechte – so nennt Elaine Pearson von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch die neue Gesetzgebung. Es sei ein weiteres Mittel der Kontrolle, mit dem willkürlich bestimmt werde, wer das Recht auf Staatsbürgerschaft hat.
Eine Ausbürgerung sei schwerwiegend: „Wenn jemandem die Staatsbürgerschaft entzogen wird und er keine neue Staatsangehörigkeit hat, ist er faktisch staatenlos. Das beeinträchtigt sein Recht auf Arbeit, den Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Bewegungsfreiheit und die Möglichkeit, in ein Land ein- und auszureisen“, erläutert Pearson.
Bereits im Juni hatte Ex-Premier Hun Sen gefordert, dass Kambodscha gegen Staatsbürger vorgehen müsse, die sich „auf die Seite anderer“ stellten. Mehrere Exil-Kambodschaner hatten sich jüngst kritisch zum Verhalten Hun Sens im Grenzstreit mit Thailand geäußert.
Das neue Gesetz ist auch heikel für zahlreiche Kambodschaner, die im Ausland leben und dort oppositionelle Arbeit leisten. Für viele von ihnen könnte der Verlust der Staatsangehörigkeit bedeuten, dass eine Rückkehr in die Heimat unmöglich wird.