Alterseinkommen Früher arbeiten – und dann früher in Rente?
Stand: 08.12.2025 13:57 Uhr
Sollte der Renteneintritt statt ans Alter an die Beitragsjahre gekoppelt werden? CDU und SPD zeigen sich offen für eine mögliche Reform. Die Linkspartei spricht von einer „Rentenkürzung durch die Hintertür“.
Kaum hat die Bundesregierung ihr Rentenpaket durch den Bundestag gebracht, geht die Debatte los, wie das System reformiert werden kann. Dabei geht es um die heikle Frage, ob in Zukunft der Renteneintritt an die Zahl der Beitragsjahre statt dem Alter gekoppelt werden soll.
Widerspruch kommt in der Sache vom Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Er hält die Idee für ungerecht. „Der Vorschlag wird die Altersarmut nicht reduzieren, sondern Ungleichheiten verstärken“, sagte der Ökonom der Rheinischen Post.
Zudem werde der Vorschlag zu einem intensiven Streit über die Frage führen, „ob und wann Unterschiede im Renteneintrittsalter berechtigt sind oder nicht“, sagte Fratzscher. Aus seiner Sicht würden auf diese Weise „Menschen und vor allem Frauen, die viele Jahre ehrenamtlich tätig waren oder sich um die Familie gekümmert haben, schlechter gestellt“.
Südekum: „Lebensarbeitszeit ist eine Stellschraube“
Die Idee selber hatte der Ökonom Jens Südekum eingebracht. Der Wirtschaftsprofessor aus Düsseldorf, selbst Mitglied der SPD und Berater von Finanzminister Lars Klingbeil, hatte der Bild-Zeitung gesagt: „Die Lebensarbeitszeit ist eine Stellschraube, an die wir ran müssen, um die gesetzliche Rente zu sichern.“ Die Rente für alle mit 70 Jahren sei falsch. „Besser ist es, den Renteneintritt nicht an eine starre Alterszahl zu koppeln, sondern an eine Mindestanzahl von Beitragsjahren.“
Der Vorschlag Südekums würde bedeuten, dass jene Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen früher in den Ruhestand könnten, die bereits mit 16 Jahren eine Ausbildung begonnen haben. Wer Abitur macht und studiert, müsste entsprechend länger arbeiten. Allerdings zahlen auch die meisten Studierenden, die nebenbei arbeiten, Beiträge in die Rentenkasse ein.
Bas: Idee ist grundsätzlich ganz gut
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas war im Bericht aus Berlin am Sonntagabend auf die Empfehlung Südekums angesprochen worden. „Ich finde die Idee grundsätzlich ganz gut“, erklärte sie. Sie kündigte eine Diskussion des Vorschlags in der geplanten Rentenkommission der Bundesregierung an.
SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf schloss sich dem an. „Ich finde erst mal, dass es eine Idee ist, die deutlich besser geeignet ist, darüber zu diskutieren, als eine schnöde Anhebung des Renteneintrittsalters“, sagte Klüssendorf bei RTL/ntv.
Es gebe aber weitere Reformideen. Neben der Forderung, dass mehr Menschen in das System einzahlen sollen, sprach Klüssendorf auch „vom Wachsen von unterschiedlichen Rentenentscheiden“. „Das heißt, wachsen kleine Renten genauso stark wie große Renten, gibt es dort momentan auch eine Ungerechtigkeit, weil kleine Renten benachteiligt sind.“
Unterstützung kommt aus der CDU
Die Bundesregierung will noch vor Weihnachten eine Rentenkommission einsetzen. Sie soll bis Mitte 2026 Vorschläge vorlegen, wie Alterseinkommen langfristig abgesichert werden können. Laut Arbeitsministerin Bas liegt dabei auch das Modell auf dem Tisch, das Renteneintrittsalter gemäß der Lebenserwartung zu formulieren.
Mit der Umsetzung der Reform soll noch im zweiten Halbjahr 2026 begonnen werden. „Die Rentenkommission muss jetzt ohne Denkverbote und Vorfestlegungen arbeiten, ansonsten macht es keinen Sinn, sie einzurichten“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er fügte hinzu: „Die Überlegung, das Renteneintrittsalter an die Zahl der Beitragsjahre zu koppeln, gehört da sicherlich dazu.“
Arbeitgeber lehnen Vorschlag ab
Deutschlands Arbeitgeber halten davon wenig. Sie hatten schon im Vorfeld gefordert, die Rente an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. Südekums Vorschlag sei „eine Neuauflage der Rente mit 63 unter einer neuen Überschrift“, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter der Nachrichtenagentur dpa. „Dieses war falsch, bleibt falsch – und wird auch zukünftig unter einer neuen Überschrift falsch.“
Kampeter sagte weiter: „Wir sind gespannt auf die Vorschläge der bisher fiktiven Rentenkommission und wie sich die Politik dazu verhält.“ Langjährig Beschäftigte hätten jedenfalls Anspruch auf eine anständige Rente. „Deshalb ist es nur logisch, dass unser Rentenrecht längeres Arbeiten und damit zusätzliche Beitragszahlungen mit höheren Renten belohnt.“
Linke: „Rentenkürzung durch die Hintertür“
Linke-Fraktionsvize Nicole Gohlke lehnte Südekums Vorschlag als „vergiftetes Angebot“ ab. „Wer körperlich hart arbeitenden Menschen einen früheren Ruhestand ermöglichen will, rennt bei uns offene Türen ein. Aber das darf nicht gegen diejenigen ausgespielt werden, die sich für ein Studium entschieden haben.“
„Die Idee, Akademikerinnen und Akademiker pauschal länger arbeiten zu lassen, ist ein fatales Signal in Zeiten des Fachkräftemangels“, kritisierte Gohlke. „Wer studiert, darf dafür im Alter nicht bestraft werden.“ Der Vorschlag laufe für Millionen Menschen auf eine Rente erst ab 70 hinaus. Die Linke sieht darin „nichts anderes als eine massive Rentenkürzung durch die Hintertür“.
Grüne zeigen sich zurückhaltend
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann hat zurückhaltend auf Vorschläge für die Koppelung des Renteneintritts an die Zahl der Beitragsjahre reagiert. „Jetzt muss es doch darum gehen, dass Menschen in der Lage sind, das Renteneintrittsalter von 67 Jahren überhaupt zu erreichen“, sagte Haßelmann der Nachrichtenagentur AFP. „Damit die Menschen länger arbeiten können und wollen, sind Gesundheitsprävention, aber auch Umschulungs- und Weiterbildungsangebote notwendig.“
„Das heutige Renteneintrittsalter liegt bei 64,7 Jahren“, betonte Haßelmann. Nur mit entsprechender Unterstützung könne Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch eine längere Beschäftigungsperspektive ermöglicht werden. Es fehlten aber „die konkreten Maßnahmen der Bundesregierung, um hier voranzukommen“.
Mit Informationen von Gabor Halasz, ARD-Hauptstadtstudio








