liveblog
Stand: 23.09.2025 13:15 Uhr
UN-Experten beschuldigen Russland, in besetzten Gebieten ukrainische Zivilisten systematisch zu foltern. Mehrere russische Flughäfen haben wegen ukrainischer Drohnenangriffe in der Nacht den Betrieb eingeschränkt.
Die wichtigsten Ereignisse im Überblick:
- UN werfen Russland Folter an Zivilisten vor
- Russische Flughäfen müssen Betrieb einschränken
- Kellogg und Selenskyj erörtern Waffenlieferungen
- Russland meldet ukrainischen Drohnenangriff
Der Kreml hat Verdacht auf eine Verwicklung Russlands in den Drohnenvorfall am Flughafen Kopenhagen zurückgewiesen. „Wenn man jedes Mal grundlose Anschuldigungen vorbringt, führt dies ehrlich gesagt dazu, dass solche Aussagen nicht mehr beachtet werden“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau. Wer ernsthaft und verantwortungsvoll sein wolle, dürfe nicht immer mit solchen Vorwürfen um sich werfen, sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge.
Nach den jüngsten Verletzungen des Luftraums von NATO-Ländern durch Russland hat das Verteidigungsbündnis seine Entschlossenheit zum Handeln betont. Die NATO werde „alle notwendigen militärischen und nichtmilitärischen Mittel einsetzen, um uns zu verteidigen und alle Bedrohungen aus allen Richtungen abzuwehren“, bekräftigte die Allianz in einer Erklärung nach einem Treffen des NATO-Rats. Russland müsse mit seinen „eskalierenden“ Handlungen aufhören, hieß es weiter.
Die Stellungnahme macht noch einmal ganz deutlich, dass künftig nicht nur Drohnen, sondern auch russische Flugzeuge abgeschossen werden könnten, um eine Bedrohung des Bündnisgebiets auszuschließen. In Folge könnte es zu einer direkten militärischen Konfrontation zwischen der NATO und Russland kommen.
Eine Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsbüros in Genf wirft Russland die „weiterbreitete und systematische“ Folter ukrainischer Zivilisten vor. Die Kommission befragte demnach 216 Zivilisten, die seit Juni 2023 aus der Haft in den russisch besetzten Gebieten entlassen wurden, heißt es in dem Bericht. Auch mit Angehörigen von Menschen, die noch festgehalten werden, hätten die Experten gesprochen.
Mehr als 92 Prozent der ehemaligen Häftlinge hätten von Folter berichtet, sagte die Leiterin der Kommission, Danielle Bell, in Kiew. Dazu zählten demnach schwere Schläge, Elektroschocks und Scheinhinrichtungen. Viele Ex-Häftlinge hätten zudem berichtet, dass sie mit dem Tod oder mit Gewalt gegen sich selbst oder Angehörige bedroht worden seien. Mindestens 38 seien in Folge von Folter, fehlender ärztlicher Hilfe und unhygienischen Zuständen gestorben.
Wenige Tage vor der Parlamentswahl in der Republik Moldau hat die proeuropäische Präsidentin Maia Sandu vor einer Einmischung Russlands gewarnt. „Der Kreml wendet Hunderte Millionen US-Dollar auf, um Hunderttausende Stimmen auf beiden Seiten des Dnjestrs und im Ausland zu kaufen“, sagte Sandu in einer Videoansprache.
Hunderte Personen bekämen Geld, „um Chaos zu provozieren, Gewalt zu säen und die Gesellschaft einzuschüchtern“, sagte die Präsidentin. Sie bezog dies auf landesweite Razzien vom Montag, bei denen 74 Personen festgenommen worden seien. Ihnen wird vorgeworfen, Massenunruhen in Moldau vorbereitet zu haben. Nach Angaben der Ermittler haben einige Verdächtige in Serbien den Gebrauch von Waffen trainiert.
Wenn Russland die Kontrolle über die Republik Moldau erlange, sei die europäische Integration des Landes gefährdet, warnte Sandu. Sie befürchtete auch Folgen für die benachbarte Ukraine: „Unser Land wird zum Brückenkopf, um in das Gebiet Odessa einzudringen.“
Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen will nicht ausschließen, dass Russland hinter einem Drohnenvorfall am Flughafen Kopenhagen steckt. Der Zwischenfall müsse im Lichte aller anderen Vorkommnisse der jüngsten Vergangenheit in Europa betrachtet werden, sagte sie.
„Wir haben Drohnen über Polen gesehen, die dort nicht hätten sein sollen. Wir haben Aktivitäten in Rumänien gesehen. Wir haben Verletzungen des estnischen Luftraums gesehen. Wir haben am Wochenende einen Hackerangriff auf europäische Flughäfen gesehen und nun Drohnen in Dänemark und auch in Oslo“, listete Frederiksen auf. „Daher kann ich nichts anderes sagen, als dass dies in meinen Augen ein schwerwiegender Angriff auf die kritische Infrastruktur Dänemarks ist.“ Auf die Frage, ob sie Russland in Verdacht habe, sagte sie: „Ich kann jedenfalls überhaupt nicht zurückweisen, dass es Russland ist.“
Bei erneuten russischen Luftangriffen auf mehrere Regionen der Ukraine sind nach ukrainischen Angaben mindestens zwei Menschen getötet worden. Der ukrainischen Luftwaffe zufolge feuerte Russland in der Nacht insgesamt drei Raketen und 115 Drohnen ab. Nach Behördenangaben wurde in der südlichen Region Saporischschja und der Küstenregion Odessa jeweils ein Mensch getötet. Die meisten Drohnen seien von der Luftabwehr abgefangen worden.
„Russland setzt seinen Terror gegen die ukrainische Bevölkerung fort und hat Zivilisten in mehreren Regionen des Landes angegriffen“, erklärte Ministerpräsidentin Julia Swyrydenko in Onlinediensten. Sie forderte die Verbündeten Kiews dazu auf, in größerem Umfang Luftabwehrsysteme zu liefern: „Jede Verzögerung bei der Stärkung der Luftabwehr der Ukraine bedeutet mehr Verluste an Menschenleben“, betonte Swyrydenko.
Der schwedische Verteidigungsminister Pål Jonson fordert angesichts der Bedrohung durch Russland eine verstärkte Vorbereitung auf eine bewaffnete Auseinandersetzung. „Wir müssen eine neue europäische Geisteshaltung annehmen – vom Mindset des Friedens hin zur Bereitschaft in Kriegszeiten“, sagte Jonson in Berlin vor einem später geplanten Treffen mit Verteidigungsminister Boris Pistorius.
Russland rüste massiv auf, werde militärisch stärker („more lethal“) und mache große Fortschritte bei weitreichenden Waffen und elektronischer Kriegsführung. Jonson warnte davor, dass Entwicklungen in der NATO nicht überall in die gleiche Richtung gehen. „Wir sprechen bei den Investitionen in Verteidigung innerhalb der Allianz über Diversität. Das ist nicht gut. Ich möchte keine Fragmentierung bei den Verteidigungsinvestitionen sehen“, warnte Jonson. „Wir sehen auch, dass weniger und weniger Verbündete die Last der finanziellen Hilfe für die Ulraine-Hilfe schultern.“
Mehrere russische Flughäfen haben wegen ukrainischer Drohnenangriffe in der Nacht den Betrieb einschränken müssen. Aeroflot als größte Fluglinie Russlands teilte am Morgen mit, es werde noch den ganzen Tag dauern, bis sie auf ihrem Heimatflughafen Scheremetjewo in Moskau den Flugplan wieder einhalten könne, wie die Nachrichtenagentur Tass meldete.
Der größte Flughafen Russlands war am Montagabend knapp vier Stunden lang für Starts und Landungen gesperrt, wie die Luftfahrtbehörde Rosawiazija mitteilte. Dutzende Flüge waren verspätet. Außerdem betroffen waren die Hauptstadtflughäfen Domodedowo, Wnukowo und Schukowski sowie Kasan, Samara und Saratow an der Wolga und Gelendschik am Schwarzen Meer.
Das russische Militär schoss nach eigenen Angaben in der Nacht 69 feindliche Drohnen ab. Aber auch am Dienstagmorgen wurden noch neue Drohnen über dem Moskauer Umland gemeldet.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat die wiederholte Verletzung des NATO-Luftraums durch Russland kritisiert. Er mahnte im Gespräch mit dem „Handelsblatt“ aber gleichzeitig, besonnen auf die Vorfälle zu reagieren. Die Strategie des russischen Präsidenten Wladimir Putin sei leicht zu durchschauen, sagte Pistorius. Er wolle mit den Luftraumverletzungen zum einen von EU-Sanktionen und der Lage im ukrainischen Donbass ablenken und zum anderen den Westen provozieren.
„Das Kalkül dahinter lautet: Erst die NATO provozieren und sich – im Falle einer Eskalation – völlig überrascht zeigen und die NATO diskreditieren“, sagte der Minister weiter. Der Kreml habe aber unterschätzt, wie „abgestimmt, besonnen und entschlossen“ das Bündnis vorgehe. Deutschland stelle fast jährlich Kontingente für das sogenannte Air Policing zum Schutz des Luftraums im Baltikum oder Rumänien, sagte Pistorius. Die NATO zeige, dass sie wachsam sei, und sei auch am vergangenen Freitag sofort zur Stelle gewesen, als russische Kampfjets minutenlang den estnischen Luftraum verletzt hatten.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat auf X erklärt, er habe mit dem US-Gesandten Keith Kellogg über die von der Ukraine Washington vorgeschlagene Waffenbeschaffung aus den USA gesprochen. „Ich habe ihn (Kellogg) über die Lage an der Front und die Ergebnisse der Gegenoffensive bei Dobropilja und Pokrowsk informiert. Wir haben auch die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und den USA angesprochen“, schrieb er.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mit dem Präsidenten von Kasachstan, Kassym-Schomart Tokajew, über Wege zu einem Ende des Krieges mit Russland beraten. Man habe die Bemühungen der Ukraine, der USA und Europas zur Beendigung des Krieges im Detail erörtert, teilt Selenskyj mit. Zudem sei es um Handels- und Wirtschaftskooperationen sowie um das Interesse kasachischer Unternehmen an einer Beteiligung am Wiederaufbau der Ukraine.
Litauen macht sich dafür stark, die Ukraine in Pläne für eine „Drohnen-Mauer“ zum Schutz der NATO-Grenzen einzubeziehen. „Wir haben große Lücken in unserer EU-Verteidigung. Uns fehlt die richtige Ausrüstung, um Drohnen zu erkennen, zu verfolgen, zu orten und dann zu zerstören“, sagt der litauische Außenminister Kestutis Budrys am Rande der UN-Generalversammlung in New York.
Die Ukraine wehre jede Nacht Drohnen ab und verfüge über die integrierten Systeme zur Abwehr. „Wir müssen diese Technologie an die Frontlinie bringen und sie dort aufbauen, damit sie gemeinsam mit den Ukrainern wirksam ist“, sagte Budrys. Die EU prüft derzeit die Errichtung einer Drohnen-Abwehr entlang ihrer Ostgrenze.
Russland hat nach eigenen Angaben am späten Montagabend zahlreiche ukrainische Drohnen über der Hauptstadt Moskau und weiteren Landesteilen abgeschossen. Auf dem Weg in die Hauptstadt seien 15 Drohnen zerstört worden, teilt der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin über Telegram mit.
Auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim zerstörte die Flugabwehr laut dem Gouverneur von Sewastopol, Michail Raswoschajew, mindestens sechs Drohnen. In der zentralrussischen Region Tula wurden den Behörden zufolge drei weitere Drohnen ohne Schäden oder Opfer abgewehrt.
Angesichts der russischen Verletzungen des Luftraums europäischer NATO-Staaten hat Außenminister Wadephul die UN aufgerufen, den Druck auf Moskau zu erhöhen. Russlands Präsident Putin bietet eine Verlängerung des atomaren Abrüstungsvertrags mit den USA an.