Rentenanhörung im Bundestag Nicht genug – oder viel zu teuer?
Stand: 10.11.2025 03:46 Uhr
Bundestagsabgeordnete hören heute Experten und Verbände an, danach könnten in den nächsten Wochen die Haltelinie beim Rentenniveau und die Mütterrente verabschiedet werden. Wenn nicht doch noch etwas dazwischenkommt.
Die Bühne steht, die Rollen sind verteilt, das Skript lässt sich vorausahnen – aber Überraschungen sind in der Politik nie ausgeschlossen: Im Paul-Löbe-Haus, einem der Bürogebäude neben dem Bundestag, geht heute die Rentenreform auf die Zielgerade. In Raum E.200 diskutiert der Ausschuss für Arbeit und Soziales mit Experten und Verbänden über die geplanten Reformen bei der Rente.
Was zur Sprache kommen soll, lässt sich schon jetzt auf der Internetseite des Bundestags nachlesen. Dort sind die Stellungnahmen hinterlegt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund beispielsweise unterstützt die Reform, fordert sogar mehr: „Das Rentenniveau muss dauerhaft auf mindestens 50 Prozent angehoben werden.“ Deutschland habe im internationalen Vergleich ein unterdurchschnittliches Rentenniveau, aber eben auch einen sehr niedrigen Beitragssatz bei der Rentenversicherung, so der DGB.
In Deutschland sind es 18,6 Prozent – der DGB argumentiert, dass in Italien mehr als 30 Prozent und in vielen anderen großen europäischen Ländern mehr als 25 Prozent werden müssten. Schließlich schickt der DGB noch einen Gruß in die Unionsfraktion: „Eine neue Variante des Enkeltricks“ wirft er der jungen Gruppe in der CDU/CSU-Fraktion vor: „Sie schürt Angst und erzeugt dringenden Handlungsdruck.“
Junge Generation in Sorge
Der Chef der Jungen Gruppe dürfte es gelesen haben: „Wir stehen fest zum Koalitionsvertrag“, sagt Pascal Reddig. Er sei einverstanden, das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent zu stabilisieren. Nicht einverstanden ist die Junge Gruppe damit, dass der jetzige Gesetzentwurf über 2031 hinauswirkt. Durch den Entwurf liege das Rentenniveau dauerhaft um etwa einen Prozentpunkt höher als ohne die Reform. Reddig rechnet mit Folgekosten von bis zu 15 Milliarden jährlich nach 2031. „Hier braucht es Verbesserungen am Gesetzentwurf“, sagt er. Daran habe sich nichts geändert.
Genau diesen Punkt will auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände machen, die ebenfalls zu der Anhörung geladen ist. Sie spricht vom „teuersten Sozialgesetz dieses Jahrhunderts“ – mit Kosten von mehr als 200 Milliarden Euro in den kommenden 15 Jahren. Das Gegenteil der geplanten Maßnahmen sei nötig: ausgabensenkende Reformen. Zumindest solle man die Berechnungsformel des Rentenniveaus aktualisieren, schlägt die BDA vor. Sie will beim Eckrentner mit 47 Arbeitsjahren rechnen statt wie bisher mit 45 Jahren. Schließlich sei doch das Renteneintrittsalter auch um zwei Jahre erhöht, dieser Schritt aber in der Rechenformel noch nicht nachvollzogen worden.
„Wir müssen es uns leisten“
„Das mache ich nicht mit!“, sagt SPD-Rentenexperte Bernd Rützel. Durch diese Änderung fiele das Rentenniveau rechnerisch höher aus als bisher. Rützel spricht vom „Vorschlag mit dem Eckrentner durch die Hintertür“ – für die meisten Beschäftigten sei das de facto eine Rentenkürzung. Die Menschen bräuchten eine gesetzliche Rente, von der sie leben könnten. Das deutsche System sei gut aufgestellt, es gebe keine Kostenexplosion: „Wir müssen es uns leisten.“
Vermitteln zwischen den Positionen muss Marc Biadacz, sozialpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Er steht hinter dem Rentenpaket, aber natürlich hätten die Parlamentarier das letzte Wort. Nach der Anhörung gehe man mit neuen Ideen in die Gespräche und dann sei es ein wichtiger Punkt, Kompromisslinien zu finden. Und am Ende werde auch die Rentenkommission bald eingesetzt. „Da sollte man schon ein größeres Bild malen.“
Junge Union macht Druck
Ob das den Jungen in der Union reichen wird? Die Junge Union macht das Thema Rente gerade zum Fokus und fordert ein „Update für die sozialen Sicherungssysteme“. Im Leitantrag zum Deutschlandtag der Jungen Union Mitte November stehen dazu zehn Maßnahmen, unter anderem: das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln und die Rente an die Inflation, den Nachhaltigkeitsfaktor wieder scharf zu stellen oder höhere Abschläge von denen zu verlangen, die früher in Rente wollen.
Für die jungen Unionsabgeordneten geht es nicht nur um die Zukunft des Generationenvertrags, sondern auch um die Zukunft ihrer Glaubwürdigkeit. Mit der Anhörung heute rückt eine Verabschiedung zwar näher. Gut möglich, dass am Ende aber erst der Koalitionsausschuss die Details entscheiden muss, bevor die Debatte beim Rentenpaket im Bundestag zu Ende geht.









