Appell der Generalsekretäre von CDU und SPD Verantwortung – statt „Streit um Nebensächlichkeiten“
Stand: 08.11.2025 16:14 Uhr
Die Koalition gibt kein gutes Bild ab: Die Beliebtheitswerte sind im Keller, immer wieder gibt es Streit. Die Generalsekretäre von CDU und SPD reagieren mit einem gemeinsamen Appell – gerichtet an die eigenen Parteien.
Die Generalsekretäre von CDU und SPD, Carsten Linnemann und Tim Klüssendorf, haben ihre Parteien gemeinsam zu Reformen und Kompromissbereitschaft aufgerufen. „Wir stehen an einem Punkt, an dem wir die Voraussetzungen für den Erfolg in unserem Land grunderneuern müssen“, schreiben die beiden in einem Gastbeitrag beim Nachrichtenportal „t-online“.
„Wir wissen, was auf dem Spiel steht. Deshalb sagen wir: keine kleinen Schritte bei den anstehenden Reformen. Kein Streit um Nebensächlichkeiten“, heißt es in dem Artikel weiter. „Was jetzt zählt, sind Mut, Vertrauen und gemeinsame Verantwortung“.
Es knirscht in der schwarz-roten Koalition
In der Koalition aus CDU, CSU und SPD hatte es zuletzt immer wieder geknirscht, unter anderem nach den Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zum „Stadtbild“ im Zusammenhang mit der Migration. Bei der Bürgergeld-Reform einigten sich die Parteispitzen zwar auf einen Kompromiss, der aber innerhalb der SPD auf Widerstand stößt. Das jüngste Rentenpaket aus dem SPD-geführten Arbeitsministerium wiederum wird von Teilen der Union abgelehnt. Noch immer schwelt ein Konflikt um die Ausgestaltung des künftigen Wehrdienstes.
Tiefgreifende Sozialstaatsreformen hat die Koalition bisher nicht angepackt. Kanzler Merz weckte mit dem angekündigten „Herbst der Reformen“ Erwartungen, die seine Regierung nicht einlösen konnte. Stattdessen sind Kommissionen eingesetzt worden, die erst noch Vorschläge ausarbeiten sollen.
Im jüngsten ARD-Deutschlandtrend zeigten sich nur 22 Prozent der Befragten mit der Regierungsarbeit zufrieden. Vier von fünf Deutschen haben große Sorge, dass die Parteien in Deutschland keine gemeinsamen Lösungen für zentrale Fragen finden.
Generalsekretäre betonen Kompromissbereitschaft
In ihrem Gastbeitrag betonen Linnemann und Klüssendorf nun ihren Willen zum Kompromiss:
Wir wissen sehr genau, dass es jetzt auf unsere Parteien ankommt – miteinander, nicht gegeneinander. Dabei sind wir uns als Volksparteien vollkommen darüber im Klaren, dass die Veränderung nur dann gelingen wird, wenn wir uns auch selbst bewegen. Unsere Parteien haben unterschiedliche Traditionen und Perspektiven. Wir vergessen nicht, woher wir kommen und wissen um unsere Unterschiede. Aber gleichzeitig müssen wir Brücken bauen. Das bedeutet, dass jede Seite bereit sein muss, eigene Gewissheiten zu hinterfragen. Nur so können wir ein Momentum für die notwendigen Reformen entwickeln.
Als aktuelle Herausforderungen nennen Linnemann und Klüssendorf unter anderem Sorgen um den Arbeitsplatz, steigende Preise und Bürokratie. Dabei unterstreichen sie gemeinsame Prinzipien, gehen aber bei den Lösungen nicht ins Detail. Leistung müsse anerkannt werden, höhere Tarifbindung sei wichtig, soziale Sicherungssystem müssten leistungsfähig bleiben. Bürokratie müsse abgebaut werden, gerade für Unternehmen.
Der Generalsekretär der dritten Regierungspartei CSU, Martin Huber, ist nicht an dem Gastbeitrag beteiligt.
Junge Union fordert Reformen wie bei Schröder
Mit Blick auf Sozialstaatsreformen fordert der Nachwuchs von CDU und CSU mehr Mut und Tempo. Der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, kritisierte im Spiegel, es gebe noch keine Antworten: „Da muss etwas passieren.“ Das Land brauche heute nicht nur den Mut zu einer Reform, sondern „eine richtige Reformwut“.
Als Vorbild nannte der Nachwuchspolitiker die Agenda 2010 des früheren SPD-Bundeskanzlers Gerhard Schröder: „Er hat gemacht, was Deutschland damals brauchte“, sagte Winkel. „Diesen Mut brauchen wir jetzt noch dringender als damals, weil wir nicht nur eine Wirtschaftskrise, sondern vor allem eine demografische Krise erleben werden.“
Die unter Schröder angeschobene Agenda 2010 war ein Konzept zum Umbau der Sozialsysteme und des Arbeitsmarktes. Umgesetzt wurde es einschließlich der Hartz-IV-Regelung bis 2005. Es handelte sich um die umstrittensten Sozialreformen der Nachkriegszeit in Deutschland – mit Einschnitten bei der Rente, für Arbeitslose und im Gesundheitssystem. Sie stürzten die SPD in eine tiefe Krise.










