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Stand: 17.12.2025 06:20 Uhr
Keine Karenzzeit, härtere Sanktionen und ein neuer Name: Die Regierung hat sich bei der Bürgergeldreform auf letzte Details geeinigt. Heute soll der Entwurf zur Grundsicherung durch das Bundeskabinett. Was soll sich ändern?
Das Bürgergeld soll bald Geschichte sein, doch das Vorhaben ist für beide Regierungspartner sensibel. Die Union setzt damit ein zentrales Wahlversprechen um, die SPD stimmt der Rückabwicklung ihres eigenen Projekts aus der Vorgängerregierung zu – auch gegen Widerstände aus der eigenen Parteijugend, die sogar ein Mitgliederbegehren gegen die Reform angestrengt hatte. Nun hat sich die Koalition auf letzte Details geeinigt. Heute soll der Entwurf im Bundeskabinett beschlossen werden.
Was soll sich ändern?
Mit dem neuen Namen Grundsicherung kommen auch andere Bedingungen, vor allem für nicht kooperative Leistungsbezieherinnen und -bezieher. Kern der Reform sind schärfere und schnellere Leistungskürzungen. Die monatliche Zahlung kann bei Pflichtverletzungen wie der Ablehnung einer zumutbaren Arbeit direkt um 30 Prozent für drei Monate gekürzt werden. Das wären derzeit rund 150 Euro pro Monat weniger. Wiederholte Terminversäumnisse können bis zur vollständigen Einstellung aller Leistungen führen.
Mitwirkungspflichten sollen stärker eingefordert werden: Wer zwei Termine beim Arbeitsamt ohne wichtigen Grund schwänzt, bekommt künftig 30 Prozent weniger Geld. Beim dritten versäumten Termin werden die Zahlungen vorerst gestrichen, die Miete wird direkt an den Vermieter überwiesen. Wenn die betroffene Person dann innerhalb eines Monats im Jobcenter erscheint, werden die geminderten Leistungen im Nachhinein erbracht. Wenn nicht, entfällt der Anspruch auf Leistungen komplett.
Welche Punkte waren zuletzt strittig?
Die aktuelle Diskussion in der Koalition dreht sich darum, ob Betroffene vor der Komplettstreichung noch eine persönliche Anhörung beim Amt bekommen sollen: Der Gesetzentwurf von SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas sah ein solches Gespräch vor. Die Ministerin wollte damit sicherstellen, dass die Sanktionen „nicht die Falschen“ treffen – etwa Menschen mit psychischen Erkrankungen.
Doch in der Union wurde befürchtet, dass die Komplettsanktionen untergraben werden, wenn Betroffene vorher persönlich angehört werden müssen. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche und Innenminister Alexander Dobrindt legten deshalb ein Veto gegen den Bas-Entwurf ein.
Nun habe sich die Regierung aber geeinigt, hieß es in Regierungskreisen. Statt eines verpflichtenden Gesprächs sei nun eine weichere Formulierung gewählt worden. Menschen, die als nicht erreichbar gelten und dann keinen Anspruch auf Leistungen mehr haben, sollen die Gelegenheit zur Anhörung bekommen.
Wer bekommt überhaupt Bürgergeld?
Alle Erwerbsfähigen, die ihren Lebensunterhalt nicht komplett aus eigenem Einkommen decken können. Das sind derzeit etwa 5,5 Millionen Menschen, davon sind etwa 800.000 sogenannte Aufstockerinnen und Aufstocker, deren Gehalt unter dem Bürgergeld-Niveau liegt. Wer seine Arbeit verliert, erhält ein Jahr lang Arbeitslosengeld und danach Bürgergeld. Unter den 5,5 Millionen Menschen sind etwa 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche. Der Ausländeranteil im Bürgergeld liegt bei knapp 48 Prozent.
Wie viel Geld wird fürs Bürgergeld ausgegeben?
In den vergangenen Jahren immer mehr. Die Ausgaben lagen 2024 bei einem Rekordwert von 51,7 Milliarden Euro. Darunter entfielen auf die Zahlung der Regelsätze 29,2 Milliarden Euro, auf Miet- und Heizkosten 12,4 Milliarden Euro und auf Leistungen zur Arbeitsintegration 3,7 Milliarden Euro. 6,5 Milliarden Euro waren Verwaltungskosten. Für 2025 wird mit ähnlichen Ausgaben gerechnet.
Wie viel Geld soll die Reform einsparen?
Das ist umstritten. Unionspolitiker, darunter Bundeskanzler Friedrich Merz, verwiesen zunächst auf Einsparpotenziale im Milliarden-Bereich. Der Gesetzentwurf aus dem Haus von Arbeitsministerin Bas erwartet hingegen „keine nennenswerten Einsparungen“ allein durch die Reform.
Die Koalition hofft allerdings, durch Sanktionsverschärfungen mehr Menschen in Arbeit zu bringen. So würden 100.000 Menschen, die kein Bürgergeld mehr bekommen, rund 850 Millionen Euro einsparen, rechnet das Arbeitsministerium vor.
Bekommen Menschen auch Bürgergeld, wenn sie noch Erspartes haben?
Ja, aber eingeschränkt. Seit der Bürgergeldreform von 2003 dürfen im ersten Jahr im Bezug sogenannte Schonvermögen bis 40.000 Euro und weiteren 15.000 Euro für Lebenspartner behalten werden. Nach Ablauf dieser sogenannten Karenzzeit wird zum Beispiel die Verhältnismäßigkeit von Mietkosten geprüft, die das Jobcenter übernimmt. Gegebenenfalls müssen Bürgergeldempfänger umziehen oder Mieten teilweise selbst zahlen. Autos, selbstbewohnte Immobilien und die Altersvorsorge werden nicht angerechnet.
Die neue Bürgergeldreform sieht nun die komplette Abschaffung der Karenzzeit vor. Das betrifft nur das Bürgergeld und nicht das Arbeitslosengeld: Wer den Job verliert, muss also nicht sofort ans Ersparte.
Wie ist die Rechtssprechung zu den schärfsten Sanktionen?
Das Bundesverfassungsgericht hat 2019 entschieden, dass bezogen auf die damalige Regelung 60 Prozent und 100 Prozent Kürzungen unzulässig waren. Gleichzeitig hat es die Tür ein Stück weit geöffnet, dass unter bestimmten Bedingungen eine vollständige Kürzung verfassungsgemäß sein kann, erläutert die ARD-Rechtsredaktion: Nämlich dann, wenn Betroffene es selbst in der Hand haben, durch Aufnahme einer ihnen angebotenen zumutbaren Arbeit ihre menschenwürdige Existenz tatsächlich und unmittelbar selbst zu sichern.
Das heißt: Das Gericht hat die Möglichkeit offen gelassen, dass bei sich weigernden Personen um 100 Prozent gekürzt wird. Nötig ist aber etwa, dass es keine starre Kürzung gibt. Sobald also die Weigerungshaltung nicht mehr fortbesteht, müssten staatliche Leistungen wieder fließen. Ob eine neue Regelung diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, wird im Zweifel wieder das BVerfG entscheiden – dann basierend auf den konkreten, neuen Regelungen.
Mit Informationen von Philip Raillon, ARD-Rechtsredaktion










