Pistorius fordert Reformen Bundeswehr soll mutiger, moderner und agiler werden
Stand: 07.11.2025 14:27 Uhr
Verteidigungsminister Pistorius will die Bundeswehr neu aufstellen. Bis Ostern 2026 sollen tiefgreifende Reformen folgen, bis Mitte der 2030er-Jahre ist die Vergrößerung der Truppe auf 460.000 geplant. Auch die Mentalität müsse sich ändern.
Die Bundesregierung will die Bundeswehr grundlegend neu aufstellen. Deutschland könne keine Zeit mehr verlieren, machte Verteidigungsminister Boris Pistorius beim Abschluss der diesjährigen Bundeswehrtagung in Berlin deutlich. „Russland rüstet sich für einen weiteren Krieg“, sagte der SPD-Politiker. Er glaube nicht, dass der Angriffskrieg gegen die Ukraine das Ende der russischen Expansionsabsichten bedeute. Die Aggression gehe weit über die Ukraine hinaus, sagte er und verwies auf Cyberangriffe oder Desinformationskampagnen. „Das sind Vorboten. Es geht nicht mehr um abstrakte Szenarien. Russland rüstet sich für einen weiteren Krieg“, so Pistorius. Er fügte hinzu: „Es ist kein Alarmismus, um es deutlich zu sagen, wenn ich sage, unsere Art zu leben ist in Gefahr.“ Die Bundeswehr müsse deshalb im Inneren beweglicher werden.
Pistorius kündigte eine Reihe tiefgreifender Reformen an, die teils in Gesetzesform gegossen werden sollen – die Grundzüge der Reformen sollen bis Ostern 2026 abgeschlossen sein. Kern ist eine sogenannte Modernisierungsagenda. Sie sieht eine Neuaufstellung beim Personal vor, um die Truppe angesichts der russischen Bedrohung schnell zu vergrößern und beweglicher zu machen.
Truppe soll zunächst auf 460.000 Soldaten anwachsen
Weitere Aufträge seien in seinem Ministerium und der Bundeswehr vergeben worden, in den kommenden Monaten sollten erste Ergebnisse vorgelegt werden. Dazu zählen eine Evaluierung der Ausbildung von Wehrdienstleistenden, eine Strategie für die Reserve, ein „Aufwuchsplan“ mit konkreten Maßnahmen und Zahlen für die aktive Truppe sowie Reformvorschläge für eine Neustrukturierung des Beschaffungsamts der Bundeswehr in Koblenz. Bei der Beschaffung will Pistorius auf eine Mischung setzen. „Wir brauchen weiterhin Großgerät wie Panzer, Schiffe und Flugzeuge, aber genauso natürlich viel mehr innovative Technologien, die uns auf dem Gefechtsfeld der Zukunft bestehen lassen.“
Neben einem neuen Wehrdienstgesetz, um das derzeit zwischen Regierung und Parlament gerungen wird und das auf eine verpflichtende Erfassung und Musterung setzt, soll die Reserve deutlich gestärkt werden. So sollen ehemalige Soldaten gezielt für die Reserve angesprochen werden. Auch will der Minister mit einem Brief an alle Zeit- und Berufssoldaten dafür werben, ihre Dienstzeit zu verlängern.
Ziel ist es, die Truppenstärke der Bundeswehr bis Mitte der 2030er-Jahre auf etwa 460.000 zu erhöhen. Derzeit dienen etwa 182.000 Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr. Um die Verpflichtungen gegenüber der NATO zu erfüllen, wird eine Aufstockung auf rund 260.000 aktive Kräfte angestrebt. Hinzukommen sollen 200.000 Reservistinnen und Reservisten.
„Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten Tagen eine Einigung erzielen“, sagte Pistorius mit Blick auf die Debatte über das Wehrdienstgesetz.
Pistorius sieht Verteidigung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Der Minister appellierte zudem für einen Mentalitätswechsel. Es müsse mehr Mut geben, um Entscheidungen zu treffen. „Wenn jeder nur ein bisschen zuständig ist, ist am Ende niemand verantwortlich“, sagte der SPD-Politiker. Er wolle den Grundsatz „Führen mit Auftrag“ mit neuem Leben erfüllen. Führung bedeute, Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie unbequem sind. Vorgesetzte in der Bundeswehr dürften nicht verwalten, sie müssten führen. Führung bedeute, auch Fehler zuzulassen. „Wenn niemand mehr wagt, falsch zu liegen, dann wagt auch niemand mehr, richtig zu handeln.“
Pistorius warb zudem für ein gesamtstaatliches Verständnis von Verteidigung. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft trügen gemeinsam die Verantwortung. Dies gelinge jedoch nur, wenn Zuständigkeiten geklärt und Prozesse geübt seien. „Was wir nicht üben, können wir nicht, wenn es drauf ankommt“, sagte er. Dabei seien Bundesländer und Kommunen „tragende Säulen“. Um die Verteidigungsfähigkeit zu stärken, will der Minister zudem den Ausbau der Infrastruktur beschleunigen. Ein bis zum Jahresende auszuarbeitendes „Infrastrukturbeschleunigungsgesetz“ solle langwierige Genehmigungsverfahren und andere bürokratische Hürden beseitigen.
Merz: Bundeswehr soll zur stärksten konventionellen Armee in der EU werden
Auch Bundeskanzler Friedrich Merz forderte in einer Videobotschaft Reformen und mehr Tempo. „Den Bedrohungen von heute können wir nicht mit den Verwaltungsvorschriften von gestern begegnen.“ Er ermunterte die Offiziere zu mehr Tempo. Das Gebot der Stunde laute „Möglich machen“. Die Bundeswehr müsse schnell wachsen. „Aber nicht Schiffe, nicht Panzer, nicht Flugzeuge machen unser Land verteidigungsfähig. Es braucht vor allem Soldatinnen und Soldaten.“
„Wir wollen die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee in der Europäischen Union machen, wie es einem Land unserer Größe und unserer Verantwortung angemessen ist“, sagte der CDU-Chef. Der Kanzler betonte: „Dabei haben wir keine Zeit zu verlieren.“ Deutschland habe „große Anstrengungen“ vor sich.
Generalinspekteur Carsten Breuer warnte, Russland dürfe niemals annehmen, einen Krieg mit der NATO gewinnen zu können. Dies müsse bis 2029 sichergestellt sein. Man werde die in der Ukraine gewonnenen Erfahrung nutzen und daraus eigene Konzepte entwickeln. „Denn der Krieg in der Ukraine ist unser Lehrmeister.“ Allerdings habe Russland sich in der Hoffnung auf einen schnellen Sieg verschätzt. Er gehe davon aus, dass die Bundeswehr bis 2039 neu aufgestellt sei.










