Stand: 04.10.2025 16:22 Uhr
Die Regierungskoalition hat sich offenbar darauf verständigt, die erste Beratung über das neue Wehrdienstgesetz um eine Woche zu verschieben. Verteidigungsminister Pistorius kritisiert deshalb die Union – die wiegelt ab.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat der Union Fahrlässigkeit vorgeworfen, weil sie die Beratung über das neue Wehrdienstgesetz im Bundestag verschieben will. „Das Verhalten der Unionsfraktion ist fahrlässig, weil es möglicherweise die Einführung des neuen Wehrdienstes und damit auch die Wiedereinführung der Wehrerfassung verzögert“, sagte der SPD-Politiker dem Handelsblatt.
In der kommenden Woche sollte erstmals im Parlament über Pistorius‘ Entwurf für ein neues Wehrdienstgesetz beraten werden. Aber die Unionsfraktion hält den Entwurf noch für „unausgegoren“, wie ein Sprecher der Nachrichtenagentur AFP sagte. Der Gesetzentwurf steht noch auf der Tagesordnung des Bundestags, am Montag soll der Punkt nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa aber gestrichen werden.
Union und SPD verständigten sich demnach darauf, erst in der übernächsten Woche mit den Bundestagsberatungen zu beginnen. „Wir streben einen zügigen Abschluss des Wehrdienstgesetzes an, der der fortgesetzt angespannten Sicherheitslage gerecht wird. Die erste Beratung im Bundestag soll in der übernächsten Woche erfolgen, darüber besteht Einvernehmen in den Fraktionsführungen der Koalition“, sagte ein SPD-Fraktionssprecher der dpa. Dies sei vor einigen Tagen vereinbart worden, ergänzte ein Sprecher der Unionsfraktion.
Pistorius: Andere Wege statt Blockade wählen
Die Pläne von Pistorius sollen pro Jahr Zehntausende neue Rekruten zur Bundeswehr bringen, bis auf Weiteres allerdings auf freiwilliger Basis. Kritisiert wird von der Union unter anderem, dass das Gesetz nicht genau definiert, unter welchen Bedingungen die Freiwilligkeit in eine neue Pflicht umgewandelt werden könnte. CDU-Außenminister Johann Wadephul und Unionsfraktionschef Jens Spahn sprachen sich schon vor der Debatte im Bundestag für eine sofortige Wehrpflicht aus.
Pistorius bemängelte nun, dass eine Blockade der Lesung gewählt wurde, um die Kritik zu verdeutlichen. Im parlamentarischen Verfahren gebe es verschiedene Möglichkeiten, vom Gesetzentwurf abweichende Haltungen einzubringen – etwa durch Änderungsanträge, sagte er dem Handelsblatt. Auch die Anhörung von Sachverständigen diene genau dazu, Expertise von außen einzuholen, so dass kein Argument unberücksichtigt bleibe. Änderungen seien auch nach der ersten Lesung noch möglich, argumentierten die Sozialdemokraten laut einem Bericht des Spiegel.
„Union schadet Ansehen der Regierung“
Spahn hatte bei seiner Forderung nach einer Wehrpflicht auch auf die zunehmende Gefahr durch Drohnen und die Aufrüstung Russlands verwiesen. Die erste Lesung des Gesetzentwurfs mit Verweis auf die Luftraumvorfälle zeitlich zu verschieben, zeige die Widersprüchlichkeit des Vorgehens der Union, das viele in der Regierung sehr überrascht habe, gab Verteidigungsminister Pistorius nun zurück.
„Was Drohnenüberflüge mit dem Wehrdienst zu tun haben sollen, bleibt das Geheimnis der Unionsvertreter“, betonte der SPD-Politiker. Damit schade die Union bedauerlicherweise auch dem Ansehen der Regierung, anstatt Vertrauen aufzubauen. „Daher fordere ich die Unionsfraktion auf, am Zeitplan festzuhalten und sich so einzubringen, wie es das parlamentarische Verfahren vorsieht“, sagte der Verteidigungsminister.
Schon bevor das Kabinett das Gesetz auf den Weg brachte, hatte es Reibungen innerhalb der Koalition gegeben. Außenminister Wadephul hatte sich zwischenzeitlich gegen die Pläne von Pistorius gestellt – schließlich war sich die Koalition aber doch noch einig geworden und Pistorius‘ konnte den Entwurf unverändert ins Kabinett einbringen.