Forschungsbericht Mehrheit der Deutschen will Klimaschutz
Stand: 13.11.2025 10:09 Uhr
Spalten der Klimawandel und die Schutzmaßnahmen die Gesellschaft? Nein – so das Ergebnis eines Berichts des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt. Das Problem sei die polarisierte Debatte
Von Till Ganswindt und Anja Neubert, MDR
Auch wenn die Debatten der vergangenen Jahre etwas anderes vermuten lassen: Das Klimabewusstsein der Deutschen ist offenbar ziemlich ausgeprägt. In ihrer groß angelegten Studie kommen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) zu dem Ergebnis, dass sich über 70 Prozent der Bevölkerung Sorgen machen über negative Folgen des Klimawandels. Eine deutliche Mehrheit wünscht sich sogar, dass die Politik beim Klimaschutz aktiver wird.
Jedenfalls theoretisch. Denn so klar wie die Zahlen auf den ersten Blick erscheinen, sind sie nicht. Auf der einen Seite gebe es einen großen Zusammenhalt, etwa wenn es darum gehe, den Klimawandel als Problem wahrzunehmen, sagt Nils Teichler, einer der Studienautoren. „Wir sehen in dieser Forderung nach mehr Klimaschutz aber auch, dass es Gruppen gibt, die zugleich große Sorgen haben, dass die Klimapolitik negative Folgen für sie und auch für die Wirtschaft haben kann.“
Die Entschlossenen gegen die Ablehnenden
Die Forschenden haben insgesamt fünf Gruppen ausgemacht, die sich in ihrem Klimabewusstsein unterscheiden. Am einen Ende stehen die besonders klimabewussten Entschlossenen, am anderen die besonders transformationskritischen Ablehnenden. Beide kämpfen um Einfluss auf die Gruppen, die zwischen ihnen stehen: die Besorgten, die Zustimmenden und die Indifferenten. Dieser Konkurrenzkampf, so der Befund, blockiert den Klimaschutz. In wessen Richtung das Pendel ausschlägt, hängt aber nicht nur am Klimabewusstsein.
So unterscheidet die Studie die Gruppen auch nach politischen Vorlieben und sozioökonomischen Merkmalen. Während die Entschlossenen den Grünen zuneigen, stehen die Ablehnenden eher der AfD nahe. Vereinfacht gesagt verläuft das Spektrum von jünger, gebildeter und urbaner zu älter, ländlicher und formal weniger gebildet. Auch gibt es Unterschiede zwischen West und Ost. So sind Ostdeutsche etwa in der Gruppe der Ablehnenden besonders häufig vertreten.
Mit nur acht Prozent Anteil an der Gesamtbevölkerung sind die Ablehnenden die mit Abstand kleinste der fünf Gruppen. Und doch nimmt sie eine Sonderrolle ein, weil sie politisch sehr aktiv ist, wie Autor Nils Teichler erklärt. „Wir sehen, dass ihre Positionen zu Klimaschutz und Klimawandel gerade in den sozialen Medien repräsentiert werden, mitunter auch mit Falschinformationen.“ Es bestehe also die Gefahr, dass die Gruppe medial überrepräsentiert wird und den öffentlichen Diskurs auf die negativen Folgen der Klimapolitik lenkt.
Es geht nur zusammen
Der Bericht stellt fest: Soll die ökologische Transformation gelingen, müssten bestehende Mehrheiten mobilisiert und neue Koalitionen geschmiedet werden. Der dafür nötige gesellschaftliche Zusammenhalt scheitert laut FGZ-Forscher Teichler derzeit aber vor allem daran, dass viele Menschen Sorge hätten, mit den Folgen und Zumutungen der Klimapolitik alleingelassen zu werden. Diese Sorgen gelte es, zu adressieren, „damit der Wandel in der Gesellschaft als etwas erlebt wird, das gestaltet wird“.
Für die Politökonomin und Transformationsforscherin Maja Göpel ist das eine der zentralen Botschaften des neuen FGZ-Berichts. Es sei wichtig, den Menschen zu erklären, wo die Reise eigentlich hingehe, so Göpel im Gespräch mit dem MDR. „Vor allem ist es aber wichtig zu erklären, warum sich diese Reise lohnt und was sie mittelfristig auch an Besserungen mit sich bringt.“
Göpel betont den Wert der Studie für die öffentliche Debatte. Umfragen lieferten häufig das Ergebnis, dass nur noch etwa 30 Prozent der Deutschen eine ambitionierte Klimapolitik unterstützten. „Wenn ich Klimapolitik wichtig finde, wäre ich dann in der Minderheit. Befragt man aber individuell, wie jetzt in dieser Studie, sind es eigentlich 70 Prozent, die sagen, ‚Wir brauchen da noch mehr‘. Dieses ehrliche und genaue Hingucken auf das, was die Menschen wirklich wollen, ist eine ganz wichtigen Grundlage für den Diskurs.“ Das Gefühl zur Mehrheit zu gehören, motiviere die Menschen, so Göpel.
Keine Dafür-Dagegen-Debatte
Auch Jérémie Gagné, Forschungsleiter der Organisation „More in Common“ stellt die Bedeutung des Zusammenhaltsberichts für den Diskurs heraus. Klimaschutz werde in Deutschland häufig diskutiert wie eine Dafür-Dagegen-Debatte. Für viele Menschen greife das aber offensichtlich zu kurz, so Gagné. „Wenn Akteure dann eine Dafür-Dagegen-Logik vorschlagen, dann wird manchmal an dem, was Menschen wirklich umtreibt, vorbeidiskutiert.“ Der Forscher sagt: Um zu guten Lösungen zu kommen, müssten Debatten, wie die um den Klimaschutz, nuancierter geführt werden.










