Stand: 11.11.2025 16:25 Uhr
Der Magdeburger Weihnachtsmarkt 2025 steht auf der Kippe – wegen eines Schreibens des Landesverwaltungsamts. Die Behörde fordert Nachbesserungen beim Sicherheitskonzept. Darüber hat Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris am Montag informiert. Nun hat sich Ministerpräsident Haseloff in den Streit eingeschaltet. Für Mittwoch ist ein Krisengespräch zwischen Stadt und Amt geplant.
- Vertreter der Stadt Magdeburg und des Landesverwaltungsamtes wollen am Mittwoch offene Sicherheitsfragen zum Weihnachtsmarkt klären.
- Oberbürgermeisterin Borris hatte am Montag mitgeteilt, sie könne den diesjährigen Markt vorerst nicht genehmigen.
- Das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt sieht im Weihnachtsmarkt Magdeburg an sich bereits ein „potenzielles Anschlagsziel.“
In der Diskussion um die Genehmigung des Magdeburger Weihnachtsmarktes 2025 ist für Mittwoch ein Krisentreffen angesetzt. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat ein Gespräch zwischen Stadt und Landesverwaltungsamt vermittelt. Ziel sei es, einen sicheren Weihnachtsmarkt durchzuführen, so Haseloff. Er erwarte, dass die offenen Fragen in einem guten Miteinander geklärt würden.
Anlass sind Äußerungen von Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos), wonach der diesjährige Weihnachtsmarkt auf der Kippe steht. Borris hatte am Montag – zehn Tage vor der geplanten Eröffnung der Veranstaltung – bei einer kurzfristig anberaumten Stadtratssitzung mitgeteilt, der Markt könne vorerst nicht genehmigt werden. Sie bat in der Frage das Land um Hilfe.
Staatsrechtler Kluth: Dialog zwischen Behörden zwingend nötig
Auch der hallesche Staatsrechtler Winfried Kluth spricht sich für ein abgestimmtes Vorgehen zwischen Stadt, Land und Polizei aus. Sicherheit auf Großveranstaltungen könne nur im Zusammenwirken aller Beteiligten gewährleistet werden, sagte Kluth dem MDR. Der Veranstalter – in Magdeburg eine städtische GmbH – sei verpflichtet, ein Sicherheitskonzept vorzulegen, das die Erfahrungen aus dem Anschlag vom Dezember 2024 berücksichtige.
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung gering sei, müsse das Konzept alle Risiken erfassen, „mit denen realistischerweise zu rechnen ist“, so Kluth. Wichtig sei, dass das Konzept in enger Abstimmung mit der Polizei und den Sicherheitsbehörden erarbeitet werde.
Die Risikoanalyse der Behörden bilde die Grundlage für eine realistische Gefahreneinschätzung. Nur wenn klar sei, welche Risiken tatsächlich bestehen, könne ein Konzept angemessen reagieren. Dabei müsse eindeutig festgelegt werden, wer für welche Aufgaben zuständig sei.
Landesverwaltungsamt prüft Sicherheitskonzept
Hintergrund der möglichen Absage ist eine Einschätzung des Landesverwaltungsamts zur Sicherheit. Es handelt sich um eine Stellungnahme, die das Amt laut eigener Aussage am 7. November 2025 auf Bitten der Landeshauptstadt abgegeben hat. Diese bezog sich demnach auf das 152 Seiten umfassende Sicherheitskonzept und das 45 Seiten starke Überfahrtschutzkonzept. Laut Behörde sind dabei „zahlreiche fachaufsichtliche Hinweise“ übermittelt worden, unter anderem zur erwarteten Besucherzahl und zur daraus abgeleiteten Zahl an Sicherheitskräften.
Wer ist zuständig?
Die Gesellschaft zur Durchführung der Magdeburger Weihnachtsmärkte mbH veranstaltet den Weihnachtsmarkt. Die Landeshauptstadt Magdeburg als kommunale Sicherheitsbehörde muss ihr dafür eine Genehmigung erteilen. Das Landesverwaltungsamt hat in Sachsen-Anhalt auf Landesebene die Fachaufsicht über die Gefahrenabwehrbehörden.
In dem Schreiben sei zudem darauf hingewiesen worden, dass die vorgenommene „Schutzzieldefinition als nicht ausreichend angesehen“ werde, so eine Sprecherin des Landesverwaltungsamtes. Gemeint ist ein zertifizierter Zufahrtschutz bis 7,5 Tonnen. Die Stadt hat aber nur Sperren für Autos mit einem Gewicht von bis zu 3,5 Tonnen. Eine höhere Zertifizierung ist für den Markt 2025 zeitlich nicht mehr zu realisieren, erklärte die Stadt dem MDR im Oktober.
Landesverwaltungsamt: Stadt schafft mit Markt „potenzielles Anschlagsziel“
Nach Angaben der Stadt heißt es in dem Schreiben außerdem, dass der Weihnachtsmarkt allein durch seinen Betrieb zu einem „potenziellen Anschlagsziel“ werde. Das habe ihr bislang niemand so mitgeteilt, so Borris. Sie werde diese Aussage sehr ernst nehmen, da die Sicherheit oberste Priorität habe. Es sei jedoch nicht begründet, worauf diese Einschätzung beruht.
Das Landesverwaltungsamt habe zudem kritisiert, dass die Weihnachtsmarktgesellschaft die generelle Verantwortung für Anschläge und Amoklagen bei der Polizei und der Sicherheitsbehörde sieht. Borris teilt dazu mit: „Alle Expertinnen und Experten sind sich einig, dass konkrete Terrorabwehr keine städtische Aufgabe ist. Die Verfolgung von Straftaten und die Abwehr konkreter Gefahren sind Aufgaben der Polizei.“ Beim Kaiser-Otto-Fest sei das Sicherheitskonzept zudem nicht beanstandet worden.
Weihnachtsmarktgesellschaft sieht sich für Terrorabwehr nicht zuständig
Die Weihnachtsmarktgesellschaft selbst bekräftigte am Dienstag, dass die Abwehr von Anschlägen, Terror und Amoktaten aus ihrer Sicht nicht final beim Veranstalter liegen kann, da er sonst vollständig haftbar sei. Terrorabwehr sei staatliche Aufgabe. Die Weihnachtsmarktgesellschaft teilte zudem mit, viele Anregungen übernehmen zu wollen – etwa Nachbesserungen beim Jugendschutz.
Zudem solle die Zahl der Sicherheitskräfte nochmals aufgestockt worden. Mit Blick auf Taschen- und Personenkontrollen sei man noch im Austausch mit den zuständigen Behörden. Demnach muss geklärt werden, welche Kompetenzen private Sicherheitskräfte im öffentlichen Raum haben, wenn dieser nicht umzäunt ist. Das Gelände zur Durchführung von Einlasskontrollen zu umzäunen sei nicht möglich. Borris erklärte dazu, Zugangskontrollen würden das Risiko schaffen, dass sich Schlangen bildeten und hier ein neues Anschlagsziel entstehe.
Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) kündigte im Stadtrat am Montag an, dass der Weihnachtsmarkt vorerst nicht genehmigt werden kann. (Archivbild)
Absage des Weihnachtsmarktes hätte laut Borris „fatale Folgen“
Sollte der Weihnachtsmarkt wirklich nicht stattfinden, wären die Folgen erheblich, so Borris. „Man muss davon ausgehen, dass künftig alle Veranstalter anderer Weihnachtsmärkte und Großveranstaltungen in Sachsen-Anhalt die Verantwortung für die Abwehr von Terror- und Amoklagen übernehmen sollen“, teilte die Oberbürgermeisterin mit.
Ein dauerhafter Ausfall des Marktes und der Lichterwelten wäre, so die Oberbürgermeisterin, „eine Kapitulation der Stadtgesellschaft vor dem Anschlag vom 20. Dezember 2024“ und damit ein „fatales Signal weit über die Grenzen Magdeburgs hinaus.“
Borris forderte das Landesverwaltungsamt auf, die aufgestellten Auflagen zurückzunehmen. Es gebe keine gesetzliche Grundlage dafür, erklärte Borris. Viele Bürgermeister anderer Städte in Deutschland hätten sich bei ihr gemeldet – die Sichtweise des Landesverwaltungsamts drohe, einen Präzedenzfall zu schaffen.
Trotz der aktuellen Lage zeigte sich Borris am Dienstag überzeugt, dass der Weihnachtsmarkt stattfinden kann – womöglich allerdings mit einem um zwei, drei Tage etwas verspäteten Beginn. Die Stadt werde auch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen unternehmen – „egal, welche Kosten uns entstehen“.
Rückendeckung für Borris von Stadträten
Rückendeckung bekam Borris in dem Streit vom Stadtrat. Nach Aussage der Ratsmitglieder wurde der offene Brief an den Ministerpräsidenten und die Landesregierung einmütig unterstützt. Im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT argumentieren sie, dass hier das Land in der Verantwortung sei und diese auch wahrnehmen müsse. Würden die Kriterien des Landesverwaltungsamtes grundsätzlich ausgelegt wären, müsse nahezu jede große Veranstaltung in Sachsen-Anhalt direkt abgesagt werden.
Die Räte kritisierten zudem Innenministerin Tamara Zieschang (CDU). Von der Linksfraktion hieß es, Zieschang habe es nicht geschafft, Verantwortung zu übernehmen. Hier werde eine nicht nachvollziehbare Sonderstellung für Magdeburg geschaffen, teilte die Fraktion mit. Von Seiten der AfD heißt es, das Ministerium versuche offenbar, den Veranstaltern die Verantwortung zuzuschieben. Sie brachte ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht ins Spiel.
Prozess zum Anschlag von 2024 läuft seit Montag
Am Montagvormittag hatte der Prozess zum Anschlag begonnen. Zum Auftakt wurde die rund 200 Seiten starke Anklage verlesen. Zudem äußerte sich der Angeklagte. Dabei gab er die Tat zu. Seit Dienstagvormittag wird die Verhandlung fortgesetzt.
dpa, afp MDR (Lars Frohmüller, Sören Thümler, Hannes Leonard, André Plaul, Marcel Knop-Schieback, Kalina Bunk) | Erstmals veröffentlicht am 10. November 2025
Dieses Thema im Programm:
MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 11. November 2025 | 19:00 Uhr










