Stand: 17.11.2025 17:10 Uhr
Sechs Länder in 65 Stunden: Außenminister Wadephul ist unterwegs in den Westbalkan-Staaten, wirbt für die EU. Seine Botschaft: Bewegt euch. Denn die Nähe mancher Länder zu Russland macht ihm Sorgen.
Es regnet in Strömen, als Außenminister Johann Wadephul drinnen im Luftwaffen-Airbus steht und aufzählt, in welche Länder er die nächsten 65 Stunden reist. Von Bosnien und Herzegowina über Montenegro, Albanien, Serbien, Kosovo bis Nordmazedonien will er im Stundentakt in allen Westbalkan-Ländern Gespräche führen. Er muss seine Route vom Papier ablesen.
Denn auch für Außenminister Wadephul, der gerne mal seine Reiserouten in den vergangenen Wochen spontan ändert, ist es eine Mammut-Aufgabe. Erstmal seit geraumer Zeit bestehe eine realistische Chance, dass der Beitrittsprozess der Länder entscheidend vorankomme, sagt er. Der Subtext: Jetzt oder nie, bewegt euch in die EU und treibt schnell in euren Ländern Reformen voran.
Komplizierte Beitrittskandidaten, mangelnde Reformen
Wadephul startete seine Gespräche in Bosnien und Herzegowina. Vor genau 30 Jahren haben sie in Dayton den Frieden ausgehandelt. Vor Ort, ob in der Altstadt oder an den großen Straßen in Sarajevo, sind die Einschusslöcher in den Häusern von der Belagerung Sarajevos immer noch zu sehen. Heute ist das von Krieg und Kriegsgreueln gepeinigte Land ein EU-Beitrittskandidat.
Es ist ein komplizierter Kandidat, wird in Sarajewo klar, als Wadephul Christian Schmidt trifft, den Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft. Der ehemalige CSU-Landwirtschaftsminister Schmidt soll den Friedensprozess überwachen. Kein leichter Job. So wie der EU-Beitritt kein Spaziergang ist, sagt Wadephul mahnend. „Dabei ist klar, der Beitrittsprozess ist und bleibt leistungsbasiert.“
Das bedeute für die Länder des westlichen Balkans tiefgreifende, oft auch schwierige Reformen. „An ihnen führt kein Weg vorbei, auch keine Abkürzung.“
Wadephuls Westbalkan-Strategie
Alle sechs EU-Beitrittskandidaten sollen sich trotz aller Desinformations- und Manipulationsversuche autoritärer Staaten wie Russland nicht vom Kurs abbringen lassen. Mit dieser Botschaft tourt Wadephul durch die Länder, knüpft an Gespräche an, die schon die damalige Kanzlerin Angela Merkel führte.
Wadephuls Amtsvorgängerin Annalena Baerbock hatte den Westbalkan als einer ihrer drei Prioritäten genannt. Wadephul will da nicht nachstehen, schließlich leitete er jahrelang die Westbalkan-Gruppe in der Unionsfraktion. Jetzt kann er als Außenminister Akzente setzen. Die Position des Westbalkan-Beauftragten wurde im Auswärtigen Amt erstmal gestrichen. Wadephul kümmert sich selbst, es bleibt ein Kraftakt.
Wer es schneller in die EU schafft
Derzeit gelten Montenegro und Albanien als aussichtsreiche Beitrittsländer. Montenegro, das mit seiner Einwohnerzahl von gut 600.000 Menschen ungefähr so groß ist wie Stuttgart, hat viele Reformen hinter sich und ist ungeduldig.
Deutsche Investoren und Touristen seien jederzeit willkommen, wirbt der montenegrinische Außenminister Ervin Ibrahimovic für sein Land.
Besuch beim Amtskollegen in Podgorica: Wadephul lobte den Reformprozess in Montenegro.
Wadephul lobt bei seinem Besuch in der Hauptstadt Podgorica den Reformprozess des Landes. Montenegro werde oft als „Front-Runner“ im EU-Beitrittsprozess bezeichnet, sagt er. Zu Recht, findet Wadephul, weil das Land viele Fortschritte gemacht habe, aber es sei eben noch ein Weg zu gehen, die letzte Etappe sei immer die schwierigste.
Das Thema Korruption ist eines, das eng mit der Region verbunden ist und dem Außenminister Sorgen macht. Nicht zufällig trifft er sich bei seiner nächsten Station in Albanien mit dem Leiter der Sonderstaatsanwaltschaft und lässt sich in Tirana erklären, wie sie nun Korruption und organisierte Kriminalität bekämpfen wollen.
Sorgenkind Serbien
Das größte Sorgenkind bleibt aber Serbien. Denn die Nähe zu Russland und China wächst in dem Land. Nur noch 38 Prozent der Serben finden einen EU-Beitritt sinnvoll. Serbiens autokratisch regierender Präsident Alexander Vucic macht es der EU und damit auch Deutschland nicht leichter. Er unterläuft Sanktionen, beeinflusst Wahlen.
Mit einem hohen Lithium-Aufkommen ist Serbien allerdings wirtschaftlich wichtig für die EU, auch für Deutschland. Will man mehr Batterien für E-Autos bauen und unabhängiger von China werden, braucht man Serbien. Das war schon Ex-Kanzler Olaf Scholz klar, als er Gespräche mit Serbien führte. Wadephul wird in Serbien freundlich um einen EU-Beitritt werben, wissend, dass die Annäherung des Landes Richtung Russland voranschreitet.
Truppenbesuch im Kosovo
Letzte Stationen des Außenministers: Truppenbesuch der deutschen Soldaten in Kosovo und Nordmazedonien. Wir haben euch alle im Blick, so Wadephuls Botschaft. Doch eine Frage bleibt auf der Reise: Ob es wirklich alle von ihm bereisten Westbalkan-Staaten in die EU schaffen werden?









