Umstrittene Aktion 3.000 Freikilometer bei der ukrainischen Bahn
Stand: 20.11.2025 14:33 Uhr
Anders als in Deutschland hat die Bahn in der Ukraine einen guten Ruf und gilt als zuverlässig. Nun wirbt der Staatskonzern mit 3.000 Freikilometern für jeden. Eine sinnvolle Aktion oder Verschwendung von öffentlichen Geldern?
Von Stephan Laack, ARD Kiew
Der Kiewer Hauptbahnhof vermittelt auch in Kriegszeiten einen Hauch von Normalität. Auf der großen Anzeigetafel werden Verbindungen in fast alle Teile des Landes angezeigt. Reisende hasten durch die Bahnhofshalle mit dem großen Kristallleuchter zu den jeweiligen Gleisen – ein Großteil der Züge ist pünktlich.
Die ukrainische Bahn steht für Zuverlässigkeit und wird von vielen Menschen in der Ukraine geschätzt, wie etwa von Halina aus Kiew. „Ich bin sehr zufrieden, wenn man bedenkt, dass wir trotz des Beschusses und der Angriffe mit Shahed-Drohnen trotzdem überall hinfahren können. Entschuldigen Sie bitte meine Meinung über die Deutsche Bahn – aber unsere Züge fahren pünktlicher als in Deutschland.“
Die ukrainische Regierung plant, jetzt noch einen drauf zu setzen: 3.000 Freikilometer für jeden. Die Reisenden sollen ihre Strecken innerhalb der Landesgrenzen frei wählen können. Das Programm ist aber auf Monate beschränkt mit unterdurchschnittlicher Auslastung wie im November oder Februar – an Feiertagen oder Wochenenden, wenn viele unterwegs sind, gilt es ebenfalls nicht. Maximal gibt es zwei Hin- und Rückfahrten.
Der Vorplatz des Hauptbahnhofes in Kiew: Auch in Kriegszeiten herrscht ein Hauch von Normalität.
„Keine zusätzlichen Kosten“
Oleksandr Pertsovskyj, Vorstandsvorsitzender der ukrainischen Bahngesellschaft Ukrzaliznytsia, spricht von einer Win-Win-Situation, die man ausnutzen müsse. „Es ist Nebensaison, die Züge fahren trotzdem – also geben wir den Menschen die Möglichkeit zu reisen. Das ist gut für sie und verursacht uns keine zusätzlichen Kosten.“
Doch was zunächst nach einem guten Plan klingt, ruft auch Kritik hervor: Es handele sich um eine populistische Maßnahme. Bezahlen müssten dies am Ende doch die Steuerzahler, denn die Bahn werde vom Staat subventioniert.
Unternehmen fährt Verluste ein
Oleksandr Bondarenko, Mitbegründer des Instituts für staatliche Effizienz, stellte im ersten ukrainischen Fernsehkanal die Frage, ob nicht auch der Passagierbereich rentabler gemacht werden müsse.
„Eigentlich stellt sich die Frage, warum man bei einem verlustbringenden Unternehmen, das in diesem Jahr einen Verlust von umgerechnet bis zu 350 Millionen Euro aufweisen wird, im Jahr 2025 ein solches Programm für kostenlose Fahrten über 3.000 Kilometer einführen sollte.“
3000 Freikilometer für jeden? Die Aktion hat in der Ukraine gemischte Reaktionen hervorgerufen.
Kritiker: Gelder anders verteilen
Pertsovskyj von der ukrainischen Bahn betont hingegen, man müsse den Bürgern etwas zurückgeben, wenn der Staat schon mitfinanziere.
„Wenn der Staat de facto beginnt, diese Personenzüge mitzufinanzieren, entsteht der vernünftige Wunsch, dass diese Ressource im Wesentlichen so effizient wie möglich genutzt wird. Mit anderen Worten: dass mit diesen Mitteln so viele Passagiere wie physisch möglich befördert werden können.“
Doch die Kritiker überzeugt das nicht – wenn man die Bürger schon unterstützen wolle, dann müssten diejenigen Vorrang haben, die es wirklich nötig haben. Schließlich gebe es ein großes soziales Ungleichgewicht im Land, sagte der ukrainische Investmentbanker und Publizist Serhij Fursa im fünften Kanal:
„Manche in der Regierung sagen: Wir haben sehr viele Gelder von unseren westlichen Partnern. Direkt für die Armee dürfen wir sie nicht ausgeben, also heißt es: Lassen wir Aktionen der Großzügigkeit veranstalten.“









