2000 Euro für Beleidigungen Koalition will Bußgeld für pöbelnde Abgeordnete verdoppeln
12.09.2025, 15:32 Uhr
Der Bundestag ist der Spiegel der politischen Debattenkultur. Doch da Hass, Hetze und Herabwürdigungen inzwischen zum Alltag gehören, fordern SPD und CDU strengere Regeln und höhere Strafen. Manchen geht diese geplante Reform noch nicht weit genug.
Höhere Strafen für pöbelnde Abgeordnete, gestrichene Zuschüsse für verpasste Sitzungen und neue Regeln für die Präsidentenwahl: Die Koalitionsfraktionen wollen die rund 45 Jahre alte Geschäftsordnung des Bundestags erneuern. So soll das Ordnungsgeld, das bei schwerer wiegenden Verstößen gegen die Ordnung oder die Würde des Bundestages verhängt wird, von 1000 auf 2000 Euro erhöht werden. Im Wiederholungsfall soll es künftig 4000 statt bisher 2000 Euro betragen.
Über eine entsprechende Änderung des Abgeordnetengesetzes und der Geschäftsordnung des Bundestages hat das Parlament erstmals beraten. Vorgesehen ist auch, dass künftig gegen Abgeordnete, die innerhalb von drei Sitzungswochen dreimal zur Ordnung gerufen wurden, automatisch ein Ordnungsgeld verhängt wird.
Schlechtes Benehmen soll am Geldbeutel spürbar werden
Der Bundestag sei das „Vorbild für die Debattenkultur in Deutschland“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Fechner. „Und deswegen lassen wir nicht länger zu, dass im zunehmenden Ausmaß Hass, Hetze und Beleidigungen im Parlament verbreitet werden.“ Fechner wies darauf hin, dass die Zahl der Ordnungsrufe seit dem Einzug der AfD in den Bundestag deutlich zugenommen habe. Die allermeisten gingen auch auf das Konto der AfD. Es müsse „am Geldbeutel spürbar sein“, wenn sich jemand nicht an die Regeln halte und sich nicht benehme.
„Wir glauben, dass unsere Sitzungen noch lebendiger gestaltet werden und trotzdem sachlich bleiben können“, sagte der CDU-Politiker Hoppenstedt dazu. „Jeder kann hören und sehen, wie die parlamentarischen Debatten in der letzten Zeit gelitten haben.“ Wenn sich Gesellschaft, Technik und das politische Umfeld ändern, muss sich auch das Recht anpassen“, sagte er bei der Plenardebatte. Parlamentspräsidentin Klöckner bemängelte zuletzt einen „Wettbewerb“ von AfD und Linken um die meisten Ordnungsrufe.
Dagegen sprach der AfD-Abgeordnete Brandner von einem „Frontalangriff auf die Rechte der Opposition, auf die Rechte der einzelnen Abgeordneten“. Das Präsidium könne nach den Plänen von Union und SPD „Abgeordnete jetzt bestrafen wie früher absolutistische Herrscher“. Brandner sammelt regelmäßig Ordnungsrufe. Erst am Vortag hatte der Bundestag seine Immunität aufgehoben, damit ein Strafverfahren wegen Beleidigung einer Journalistin gegen ihn geführt werden kann. Auch Latendorf von der Linkspartei warnte davor, „Oppositionsrechte zusammenzustreichen“. Sie schlug zudem vor, dass die Ausschüsse des Bundestags „grundsätzlich öffentlich tagen“ sollten. „Wir brauchen mehr Transparenz“, sagte sie.
Höhere Strafen für Fehlen bei Sitzungen
Die reformierte Geschäftsordnung sieht auch eine erhöhte Kürzung der Kostenpauschale für Abgeordnete vor, die Sitzungen versäumen. Bisher wird die Kostenpauschale von monatlich 5350 Euro bei unentschuldigtem Fehlen um 200 Euro und bei entschuldigtem Fehlen um 100 Euro gekürzt. Die Strafen sollen nun auf 300 beziehungsweise 200 Euro erhöht werden.
Eine weitere Änderung betrifft die Wahl der Vizepräsidenten: Diese soll in der Geschäftsordnung künftig getrennt von der Präsidentenwahl geregelt werden. Mit der Änderung soll deutlich gemacht werden, dass das Vizepräsidentenamt von der freien und geheimen Wahl durch den Bundestag abhängt.
Dieser Grundsatz soll höherrangig sein als das sogenannte Grundmandat, wonach jede Fraktion mindestens einen Vizepräsidenten stellen sollte. Auf diese Regelung hatte sich regelmäßig die AfD berufen, als ihre Kandidaten bei der Wahl der Vizepräsidenten scheiterten. Neu ist auch ein Passus zur Abwahl von Vizepräsidenten. Die Abstimmung über die Abwahl soll einen Antrag von mindestens einem Drittel der Abgeordneten voraussetzen. Wenn mindestens zwei Drittel für die Abwahl stimmen, soll der jeweilige Vizepräsident abgewählt sein.
AfD will Paragrafen zur Beleidigung von Politikern streichen
Der Bundestag beriet erstmals auch über einen AfD-Vorstoß, den Paragrafen 188 des Strafgesetzbuches zu streichen. Er stellt das Beleidigen von Politikern unter Strafe. Es zeigte sich, dass es dafür keine Mehrheit im Parlament geben wird.
„Kein Maulkorb für kritische Bürger“, verlangte Meyer-Soltau von der AfD. Der CDU-Abgeordnete Müller hielt der Partei eine „scheinheilige Doppelmoral“ vor. Ihre Bundesvorsitzende Weidel habe Anzeigen in dreistelliger Zahl wegen angeblicher Verstöße gegen Paragraf 188 gestellt und ausdrücklich auf einer Strafverfolgung bestanden.
Grünen wollen noch stärkere Verschärfungen
Den Grünen geht die geplante Verschärfung der Bundesregierung nicht weit genug. Ihre erste parlamentarische Geschäftsführerin Mihalic forderte, Artikel 3 des Grundgesetzes in der Geschäftsordnung zu verankern, der für die AfD „praktisch nicht existent ist“. Artikel 3 legt fest, dass niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf.
Die Änderung der Geschäftsordnung zielt aber auch darauf ab, Debatten lebendiger zu machen. So sollen zum Beispiel künftig auch in aktuellen Stunden Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen erlaubt sein.
Die Vorlagen wurden im Anschluss an die Aussprache zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung überwiesen. Die gültige Geschäftsordnung des Bundestags stammt noch aus dem Jahr 1980.
2000 Euro für Beleidigungen Koalition will Bußgeld für pöbelnde Abgeordnete verdoppeln
12.09.2025, 15:32 Uhr
Der Bundestag ist der Spiegel der politischen Debattenkultur. Doch da Hass, Hetze und Herabwürdigungen inzwischen zum Alltag gehören, fordern SPD und CDU strengere Regeln und höhere Strafen. Manchen geht diese geplante Reform noch nicht weit genug.
Höhere Strafen für pöbelnde Abgeordnete, gestrichene Zuschüsse für verpasste Sitzungen und neue Regeln für die Präsidentenwahl: Die Koalitionsfraktionen wollen die rund 45 Jahre alte Geschäftsordnung des Bundestags erneuern. So soll das Ordnungsgeld, das bei schwerer wiegenden Verstößen gegen die Ordnung oder die Würde des Bundestages verhängt wird, von 1000 auf 2000 Euro erhöht werden. Im Wiederholungsfall soll es künftig 4000 statt bisher 2000 Euro betragen.
Über eine entsprechende Änderung des Abgeordnetengesetzes und der Geschäftsordnung des Bundestages hat das Parlament erstmals beraten. Vorgesehen ist auch, dass künftig gegen Abgeordnete, die innerhalb von drei Sitzungswochen dreimal zur Ordnung gerufen wurden, automatisch ein Ordnungsgeld verhängt wird.
Schlechtes Benehmen soll am Geldbeutel spürbar werden
Der Bundestag sei das „Vorbild für die Debattenkultur in Deutschland“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Fechner. „Und deswegen lassen wir nicht länger zu, dass im zunehmenden Ausmaß Hass, Hetze und Beleidigungen im Parlament verbreitet werden.“ Fechner wies darauf hin, dass die Zahl der Ordnungsrufe seit dem Einzug der AfD in den Bundestag deutlich zugenommen habe. Die allermeisten gingen auch auf das Konto der AfD. Es müsse „am Geldbeutel spürbar sein“, wenn sich jemand nicht an die Regeln halte und sich nicht benehme.
„Wir glauben, dass unsere Sitzungen noch lebendiger gestaltet werden und trotzdem sachlich bleiben können“, sagte der CDU-Politiker Hoppenstedt dazu. „Jeder kann hören und sehen, wie die parlamentarischen Debatten in der letzten Zeit gelitten haben.“ Wenn sich Gesellschaft, Technik und das politische Umfeld ändern, muss sich auch das Recht anpassen“, sagte er bei der Plenardebatte. Parlamentspräsidentin Klöckner bemängelte zuletzt einen „Wettbewerb“ von AfD und Linken um die meisten Ordnungsrufe.
Dagegen sprach der AfD-Abgeordnete Brandner von einem „Frontalangriff auf die Rechte der Opposition, auf die Rechte der einzelnen Abgeordneten“. Das Präsidium könne nach den Plänen von Union und SPD „Abgeordnete jetzt bestrafen wie früher absolutistische Herrscher“. Brandner sammelt regelmäßig Ordnungsrufe. Erst am Vortag hatte der Bundestag seine Immunität aufgehoben, damit ein Strafverfahren wegen Beleidigung einer Journalistin gegen ihn geführt werden kann. Auch Latendorf von der Linkspartei warnte davor, „Oppositionsrechte zusammenzustreichen“. Sie schlug zudem vor, dass die Ausschüsse des Bundestags „grundsätzlich öffentlich tagen“ sollten. „Wir brauchen mehr Transparenz“, sagte sie.
Höhere Strafen für Fehlen bei Sitzungen
Die reformierte Geschäftsordnung sieht auch eine erhöhte Kürzung der Kostenpauschale für Abgeordnete vor, die Sitzungen versäumen. Bisher wird die Kostenpauschale von monatlich 5350 Euro bei unentschuldigtem Fehlen um 200 Euro und bei entschuldigtem Fehlen um 100 Euro gekürzt. Die Strafen sollen nun auf 300 beziehungsweise 200 Euro erhöht werden.
Eine weitere Änderung betrifft die Wahl der Vizepräsidenten: Diese soll in der Geschäftsordnung künftig getrennt von der Präsidentenwahl geregelt werden. Mit der Änderung soll deutlich gemacht werden, dass das Vizepräsidentenamt von der freien und geheimen Wahl durch den Bundestag abhängt.
Dieser Grundsatz soll höherrangig sein als das sogenannte Grundmandat, wonach jede Fraktion mindestens einen Vizepräsidenten stellen sollte. Auf diese Regelung hatte sich regelmäßig die AfD berufen, als ihre Kandidaten bei der Wahl der Vizepräsidenten scheiterten. Neu ist auch ein Passus zur Abwahl von Vizepräsidenten. Die Abstimmung über die Abwahl soll einen Antrag von mindestens einem Drittel der Abgeordneten voraussetzen. Wenn mindestens zwei Drittel für die Abwahl stimmen, soll der jeweilige Vizepräsident abgewählt sein.
AfD will Paragrafen zur Beleidigung von Politikern streichen
Der Bundestag beriet erstmals auch über einen AfD-Vorstoß, den Paragrafen 188 des Strafgesetzbuches zu streichen. Er stellt das Beleidigen von Politikern unter Strafe. Es zeigte sich, dass es dafür keine Mehrheit im Parlament geben wird.
„Kein Maulkorb für kritische Bürger“, verlangte Meyer-Soltau von der AfD. Der CDU-Abgeordnete Müller hielt der Partei eine „scheinheilige Doppelmoral“ vor. Ihre Bundesvorsitzende Weidel habe Anzeigen in dreistelliger Zahl wegen angeblicher Verstöße gegen Paragraf 188 gestellt und ausdrücklich auf einer Strafverfolgung bestanden.
Grünen wollen noch stärkere Verschärfungen
Den Grünen geht die geplante Verschärfung der Bundesregierung nicht weit genug. Ihre erste parlamentarische Geschäftsführerin Mihalic forderte, Artikel 3 des Grundgesetzes in der Geschäftsordnung zu verankern, der für die AfD „praktisch nicht existent ist“. Artikel 3 legt fest, dass niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf.
Die Änderung der Geschäftsordnung zielt aber auch darauf ab, Debatten lebendiger zu machen. So sollen zum Beispiel künftig auch in aktuellen Stunden Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen erlaubt sein.
Die Vorlagen wurden im Anschluss an die Aussprache zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung überwiesen. Die gültige Geschäftsordnung des Bundestags stammt noch aus dem Jahr 1980.