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Stand: 19.11.2025 09:01 Uhr
Die RSF-Miliz führt einen brutalen Krieg im Sudan, laut Berichten auch mit europäischen Waffen. Bildbelege, die Report Mainz ausgewertet hat, deuten darauf hin, dass die Miliz über Rüstungsgüter aus Deutschland verfügt.
Von Heiner Hoffmann, Daniel Hoh, David Meiländer und Tina Steinmüller, SWR
Die Erleichterung ist Mahawib Yahya anzusehen. Die junge Frau sitzt vor einem der vielen weißen Zelte im Flüchtlingslager Allafad im Norden des Sudan. Wochenlang war ihre Heimatregion um die Stadt Al-Faschir belagert und bombardiert worden. Yahya sagt, sie habe nicht mehr daran geglaubt zu überleben. „Am Ende gab es nichts mehr zu essen. Uns blieb nur Tiernahrung. Dann haben wir Felle gegessen.“
Über Monate hatten die sogenannten Rapid Support Forces (RSF) Al-Faschir belagert. Die Rebellen-Miliz liefert sich seit mehr als zwei Jahren einen brutalen Bürgerkrieg mit der sudanesischen Armee. Einst waren die Kriegsgegner Verbündete, dann eskalierte ein Machtkampf.
Kriegsbeobachter werfen der RSF-Miliz seit der Eroberung von Al-Faschir schwere Gräueltaten vor. Im Internet geteilte Videos zeigen RSF-Kämpfer grinsend vor Leichenbergen, auch wahllose Erschießungen sind zu sehen. Die Bilder und Videos lassen auch erkennen: Die Miliz scheint gut bewaffnet zu sein.
„Es ist klar, dass die Kräfte im Sudan einen stetigen Nachschub bekommen, auf dem Luftweg und per Land“, sagt Mike Lewis. Der Waffenexperte hat sich eingehend mit dem Sudan-Krieg beschäftigt und früher im Auftrag der UN zum Land ermittelt. „Wir wissen, dass darunter große Mengen an Waffen und Munition sind, Militärfahrzeuge und andere Rüstungsgüter.“
Waffenembargo gegen den Sudan
Immer wieder tauchen laut Berichten auch europäische Rüstungsgüter im Sudan auf: zum Beispiel Mörsergranaten aus Bulgarien. Eigentlich gilt seit 1994 gilt ein EU-Embargo gegen das Land. Jegliche Einfuhr von europäischen Waffen ist streng verboten. Auch ein Umweg über ein anderes Land wäre ein Verstoß gegen das Embargo.
In den Recherchen stößt Report Mainz auf Videos und Bilder, sie sollen laut Bildeschreibung im Sudan entstanden sein und aus der Anfangszeit des Krieges stammen. Auf einem Foto zu sehen: Ein Mann in Uniform der RSF, der mit einem Gewehr posiert.
Report Mainz konnte ihn identifizieren: Adam A., der sich zum Zeitpunkt des Fotos in der sudanesischen Hauptstadt Khartum aufhielt. Das Foto ist brisant, denn bei der Waffe handelt es sich laut Bildbeschreibung um ein Gewehr des Typs G36C der deutschen Marke Heckler & Koch. Auch Waffenexperten können das Gewehr im Gespräch mit Report Mainz erkennen, ebenso wie auf zwei weiteren Videos, die eine weitere Variante des G36 im Sudan zeigen sollen.
Deutsche Waffen also in den Händen von Kämpfern im Sudan? Heckler&Koch schreibt auf Anfrage von Report Mainz dazu: „Die abgebildeten Waffen auf den von Ihnen übersandten Bildern sehen aus wie Varianten des G36. Darüber hinaus lassen die Aufnahmen jedoch keinerlei gesicherte Rückschlüsse zu […] Ob und ggf. wie einzelne abgebildete Waffen in einen solchen Konflikt gelangt sein können, können wir ohne Kenntnis der Seriennummer nicht beurteilen. Jegliche Spekulation verbietet sich.“ Die Firma halte sich an alle Gesetze und Bestimmungen. Man habe nie in die Konfliktregion geliefert. Tatsächlich gibt es dafür keine Anhaltspunkte.
Vorwürfe gegen Vereinigte Arabische Emirate
Max Mutschler ist Konfliktforscher am International Centre for Conflict Studies in Bonn (BICC). Nach seiner Einschätzung lässt sich bei vielen Bürgerkriegen auf dem afrikanischen Kontinent generell feststellen, „dass Waffen sozusagen wandern von einem Konfliktgebiet ins nächste.“ Auch im Sudan sei das der Fall, bei den regierungstreuen Truppen wie auch bei der Rebellenmiliz RSF. Zudem sei das G36 an mehrere Länder außerhalb Europas exportiert worden.
Im Sudan sind während des Bürgerkriegs immer wieder Rüstungsgüter aus Europa aufgetaucht. Der französische Fernsehsender France24 konnte den Ursprung von in der sudanesischen Wüste gefundenen Mörsergranaten belegen, über einen Lieferschein, der Report Mainz ebenfalls vorliegt. Demnach wurden die Granaten aus Bulgarien an eine Firma in den Vereinigten Arabischen Emiraten geliefert. Wie sie genau in den Sudan gelangten, ist unklar. Den Emiraten wird vorgeworfen, die RSF seit Jahren zu unterstützen. Die Vereinigten Arabischen Emirate weisen das in einer Stellungnahme an Report Mainz zurück.
Dennoch gibt es Hinweise auf ein Waffensystem, das aus den Emiraten stammt und im Sudan gelandet ist: Der gepanzerte Truppentransporter des Herstellers „Nimr Automotive“. Aufnahmen aus den vergangenen sechs Jahren, die Report Mainz ausgewertet hat, zeigen das Fahrzeug auf sudanesischen Straßen. Laut Kriegsbeobachtern spielen sie im Bürgerkrieg eine wichtige Rolle, vor allem bei den RSF.
Spur nach Deutschland
Auf und in den im Sudan entdeckten Fahrzeugen wurde laut Berichten europäische Technik gefunden: Ein Verteidigungssystem aus Frankreich und ein speziell gefertigter Motor aus England. Recherchen von Report Mainz zeigen nun eine Spur zu einer deutschen Firma: Webasto, ein Hersteller von Heiz- und Klimatechnik, der in der Vergangenheit auch Klimalösungen für „Verteidigungskunden“ angeboten hat.
Auf Bildern von Präsentationen des Nimr-Fahrzeugs ist der Schriftzug von Webasto klar zu erkennen, unter dem Bedienelement für die Klimaanlage. Auf einer Report Mainz vorliegenden Video-Aufnahme, die laut Verfasser aus dem Sudan stammt, sieht man das gleiche Bedienelement.
Mike Lewis sagt, schon in der Vergangenheit sei der NIMR immer wieder in anderen Kriegsgebieten aufgetaucht. „Die Frage ist doch: Hätten die europäischen Zulieferer wissen können oder sollen, dass Fahrzeuge wahrscheinlich weitergeschmuggelt werden?“, so der Rüstungsexperte. „Die Antwort ist Ja. Sie hätten wissen sollen, dass das Risiko sehr hoch ist.“
Webasto geht auf konkrete Fragen dazu nicht ein, verweist aber auf die grundsätzliche Exportpolitik des eigenen Unternehmens: „Insbesondere schließen wir Lieferverträge unter der Bedingung ab, dass geltende Waffenembargos der Vereinten Nationen, der Europäischen Union sowie des jeweiligen Exportlandes strikt eingehalten werden.“ NIMR Automotive ließ Fragen von Report Mainz unbeantwortet.
Bundesregierung hat keine eigenen Erkenntnisse
Adis Ahmetović ist der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Er fordert von der Bundesregierung einen anderen Umgang mit Waffenexporten: „Wenn klar wird, dass deutsche Waffen fremdverwendet werden, dann muss man das überdenken“, so der SPD-Politiker. Das gelte im Zweifel auch für die Emirate.
Das Bundeswirtschaftsministerium erklärt auf Anfrage von Report Mainz, ihm lägen „keine eigenen Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor“. Den Verbleib von an die Vereinigten Arabischen Emirate gelieferten Waffen habe man seit 2017 genau einmal kontrolliert – ohne Beanstandungen.









