
taz nur noch digital Auslaufmodell gedruckte Zeitung?
Stand: 17.10.2025 05:31 Uhr
Die taz hat schon immer vieles anders gemacht als die anderen. Jetzt wagt sie als erste überregionale Tageszeitung in Deutschland den Schritt ins Digitale. Folgen bald weitere Printmedien?
Der „Seitenwechsel“, wie die taz ihren Abschied von der gedruckten Zeitung selbst nennt, ist lange geplant. 2019 haben sie das erste Mal ihre „analogen“ Leser gefragt, ob sie in die ePaper- Welt mitkommen. Damals hat jeder dritte Abonnent Nein gesagt und die Kündigung angedroht.
Seitdem hat die taz viel getan, um zu überzeugen, quasi „Umzugshilfe“ zu leisten, damit möglichst viele mitkommen. Eine Städtetour, Service-Hotline, immer wieder Aktionen, um die Leser ins Netz zu bekommen. Auch Lesegeräte gab es zum Digital-Abo dazu und jemanden, der erklärte, wie die Technik funktioniert.
Es scheint funktioniert zu haben. „Aktuell liegen die Kündigungen bei 12 Prozent, die wir auf jeden Fall verlieren werden“, sagt Geschäftsführerin Aline Lüllmann. Das ist deutlich besser als die Prognosen. Dazu kommen noch die Spontan-Käufer, die die taz am Kiosk gekauft haben.
Noch 14.000 Abonnenten
„Es tut uns um jede und jeden leid“, sagt Barbara Junge aus der „Chefinnen-Redaktion“, wie sie bei der taz heißt, weil die Chefredaktion eben rein weiblich besetzt ist. „Aber wir können die taz, so wie sie ist, nicht mehr jeden Tag drucken und vor allem vertreiben.“
14.000 Abonnenten hat die taz noch. Deutlich mehr Nutzer gehen sowieso schon ins Netz. Jetzt sei ein guter Moment, um den Schritt zu gehen, weil es noch nicht zu spät sei und die wirtschaftliche Lage das erlaube, heißt es einhellig.
Doch nicht nur die Leser mussten überzeugt werden, auch die taz-Genossen und die Autoren. Auch da gab es Widerstand. Doch eine Alternative zum Umstieg gab es nicht – dafür aber das Versprechen, dass alle Mitarbeiter bleiben und viele Appelle an die Solidarität, inklusive vieler Diskussionen. Die allerdings haben schon immer Tradition bei der taz, der ersten linken Tageszeitung Deutschlands.
Folgen weitere Tageszeitungen?
Die anderen Verlage und auch der Bundesverband der Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) beobachten ganz genau, was die taz tut und ob es funktioniert. Denn das Tageszeitungsgeschäft steckt in der Krise.
Die Print-Auflage sinkt seit Jahren kontinuierlich, sagt BDZV-Leiter Christian Eggert. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sei die Printauflage um neun Prozent gesunken bei steigenden Kosten für Druck und Vertrieb. „Alle Verlage denken im Moment darüber nach, wie sie in der Zustellung etwas einsparen können und die Leser trotzdem bei der Stange halten können, indem sie ein Produkt anbieten, in dem der Leser sich wiederfindet“, sagt Eggert. Das ePaper sei das ideale Brückenprodukt.
Die Zeitungslandschaft wird immer ein bisschen kleiner. Gerade im Regionalen sinkt die Auswahl an gedruckter Information. Noch hat Deutschland eine Zeitungslandschaft, auch wenn die kleiner wird und in manchen Regionen Information inzwischen fast ausschließlich digital verfügbar ist.
Journalismus als „Demokratie-Garant“
Doch was passiert, wenn der Journalismus irgendwann doch auf der Strecke bleibt? Und die Verlage aufgeben müssen? Der Journalistik-Professor Klaus Meier von der Katholischen Universität Eichstedt sieht den Journalismus als „Demokratie-Garant“.
In den USA gebe es in ganzen Landstrichen keine Tageszeitungen, keine journalistische Information mehr. „Die Lücken werden dann von einseitigen Informationen gefüllt, die von bestimmten Parteien bespielt werden. So entsteht diese Polarisierung in der Öffentlichkeit, die wir ja in Ansätzen auch in Deutschland haben.“
In Skandinavien, zum Beispiel in Finnland, wird deswegen der Lokaljournalismus gefördert. Und auch die deutschen Verlage sieht Meier in der Verantwortung, die Kosten für die Leser im Blick zu behalten und Zugänge für alle möglich zu machen, damit nicht nur eine Elite informiert sein kann.
Kombimodell zwischen digital und Wochenzeitung
Bei der taz hat dieser freie Zugang für alle seit Jahren Tradition. Historisch bedingt verstehen sich die „Genossen“ als Solidargemeinschaft. Und so ganz weg vom Gedruckten ist die taz auch nicht. Am Wochenende kann man weiter wie gewohnt die wochentaz in der Hand halten.
„Dieses Kombimodell zwischen digital, permanent und einmal in der Woche wirklich eine dicke Ausgabe mit Hintergründen auszuliefern, das wird sicher ein Erfolgsmodell sein in den nächsten Jahren“, glaubt Journalistik-Professor Meier. Er sieht eine Renaissance der Wochenzeitung. Vom Zeitungssterben sieht er zumindest vorerst nichts.
Doch irgendwann wird das Papier ausgedient haben. Die nächste Veränderung kann man schon ahnen: KI wird den Informationsmarkt noch einmal verändern.