Handel der EU mit Südamerika Frankreich stellt sich beim Mercosur-Abkommen quer
Stand: 17.12.2025 20:30 Uhr
Das Freihandelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten soll eigentlich am Samstag unterzeichnet werden. Doch jetzt stellt Frankreich Nachforderungen. Was steckt dahinter?
99.000 Tonnen Rindfleisch aus den Mercosur-Staaten, die zu reduzierten Zollsätzen auf dem europäischen Markt landen könnten: Für Frankreichs Viehzüchter ist das ein regelrechtes Horror-Szenario. Arnaud Rousseau, der Chef der mächtigen Bauern-Gewerkschaft FNSEA, verlangt ein klares französisches Nein zu dem Abkommen.
„Für uns ist das Abkommen inakzeptabel“, sagte Rousseau im Sender France Inter. „Wir können uns nicht in Frankreich für eine qualitativ hochwertige Ernährung einsetzen, die hohen Produktionsstandards entspricht – und gleichzeitig erklärt bekommen, dass diese Nahrungsmittel importiert werden. Natürlich werden wir was dagegen tun“, sagt er.
Brasilien droht mit Mercosur-Ausstieg bei Verzögerung
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva droht mit einem Rückzug seines Landes aus dem geplanten Mercosur-Abkommen mit der EU. Sollte das seit 1999 verhandelte Freihandelsabkommen nicht rechtzeitig vor der geplanten Unterzeichnung am Samstag von den EU-Ländern gebilligt werden, werde Brasilien es nicht mehr unterstützen, sagte der linke Staatschef der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas.
„Ich habe sie bereits gewarnt: Wenn wir es jetzt nicht tun, wird Brasilien keinen Deal mehr machen, solange ich Präsident bin“, sagte Lula, wie die Zeitung Folha de São Paulo berichtete. Brasilien habe 26 Jahre auf das Abkommen gewartet.
Das Abkommen soll den Handel zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay ankurbeln.
Auch eine Frage der nationalen Ehre
Die Landwirtschaft ist eine Art nationales Kulturgut in Frankreich – mit einem fast schon mythischen Stellenwert. Entsprechend heftig reagieren die Bauern und auch die französische Politik auf alles, was sie als Bedrohung für die Bauern empfinden. Und Mercosur werde in Frankreich von vielen als Bedrohung wahrgenommen, erklärt Marie Krpata vom Französischen Institut für Internationale Beziehungen (IFRI). Sie forscht zu Mercosur und den deutsch-französischen Beziehungen.
„Bei der Landwirtschaft ist es so, dass aus französischer Sicht die europäische Landwirtschaft geschützt werden muss gegen unlautere Marktpraktiken von Drittstaaten – und in dem Fall vor unfairem Wettbewerb aus den Mercosur-Staaten“, sagt Krpata. „Das heißt, hier sollen europäische Landwirte geschützt werden vor den Importen von Agrargütern, die zollreduziert oder zollbefreit auf dem europäischen Markt landen und aus den Mercosur-Staaten kommen.“
Nur geringe ökonomische Relevanz
Der Anteil der Landwirtschaft an der französischen Wirtschaftsleistung ist begrenzt: 2022 machte die Branche knapp zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Zählt man die Agrarindustrie dazu, sind es knapp vier Prozent, sagt die nationale Statistikbehörde INSEE.
Für den Außenhandel des Landes sei die Landwirtschaft aber sehr wichtig, sagt Marie Krpata vom IFRI: „“Frankreich hat ein Außenhandelsdefizit von 100 Milliarden Euro und Landwirtschaft spielt eine wichtige Rolle in den Exporten Frankreichs. Das heißt, man möchte nicht auch noch den Sektor schwächen, der gut funktioniert und sich positiv auswirkt auf die Exporte Frankreichs.“
Frankreich stellt sich bei Mercosur also quer. Präsident Emmanuel Macron ließ wissen, dass das Abkommen in seiner jetzigen Form keinen ausreichenden Schutz für die französischen Landwirte biete; die Europäische Kommission Frankreichs Forderungen nicht erfüllt habe. Dabei hatte die Kommission durchaus Zugeständnisse gemacht – etwa spezielle Schutzklauseln für Landwirte. Auch strengere Kontrollen importierter Produkte wurden angekündigt.
Kehrtwende in Brasilien
Bis vor wenigen Wochen war Frankreichs Präsident damit auch zufrieden – so zumindest lassen sich seine Äußerungen am Rande der UN-Klimaschutzkonferenz in Belém deuten. „Die Kommission hat auf uns gehört. Sie ist nicht nur auf unsere Forderungen nach den Schutzklauseln eingegangen, sondern wollte auch spezielle Lösungen für die Viehzucht-Branche anbieten“, sagte der Präsident. „Sie hat außerdem die Schutzmaßnahmen für unseren Binnenmarkt gestärkt. All das – zusammen mit weiteren, technischen Maßnahmen – bildet ein Paket, das in unseren Augen vollkommen akzeptabel ist“, sagte Macron.
Die Kehrtwende, die Frankreich nun hinlegt, hat aber auch innenpolitische Gründe: denn Frankreichs Bauern sind, wieder einmal wütend. Ihre Wut richtet sich allgemein gegen Mercosur – und speziell gegen den Umgang der Regierung mit der hochansteckenden Hautknotenkrankheit bei Rindern, die den französischen Viehzüchtern zu schaffen macht. Seit Juni wurden deshalb etwa 3.300 Rinder geschlachtet, meldet das Landwirtschaftsministerium.
Macron kündigt Widerstand an
Präsident Macron hofft offenbar, diese Wut zu besänftigen – und ließ über die Regierungssprecherin ausrichten: „Der Präsident hat betont – ich zitiere ihn: Sollten die Europäischen Instanzen das Abkommen mit Gewalt durchbringen wollen, dann wird Frankreich sich dem entschieden widersetzen.“
Die Gewerkschaften allerdings bleiben skeptisch. FNSEA-Chef Arnaud Rousseau macht jedenfalls schon klar: Sollte Mercosur doch unterzeichnet werden, dann werde es deutlich größere Proteste geben.








