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Angebot von Selenskyj Wahlen in der Ukraine – wie realistisch ist das?
Stand: 10.12.2025 17:23 Uhr
Wahlen während des Krieges? Dagegen sprechen nicht nur geltende ukrainische Gesetze. Auch die Sicherheitslage spielt eine Rolle. Welches Verfahren Präsident Selenskyj vorschlägt – und was rechtlich wie politisch denkbar ist.
US-Präsident Donald Trump macht Druck – und sein ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selenskyj reagiert: Überraschend hat sich dieser zu möglichen Wahlen in Kriegszeiten geäußert. „Zu Wahlen bin ich bereit“, sagte Selenskyj am Dienstag. Trump hatte ihm zuvor mehrfach vorgeworfen, er sei ein „Diktator“ und nicht demokratisch legitimiert. In einem Interview sprach sich Trump zuletzt noch einmal für Wahlen in der Ukraine aus.
Seit dem russischen Überfall im Februar 2022 haben in dem kriegsgeplagten Land keine Wahlen mehr stattgefunden. Die reguläre Amtszeit des Präsidenten lief im Mai 2024 aus, die des Parlaments im August 2024. Kommunalwahlen wären normalerweise Ende Oktober 2025 fällig gewesen. Bislang hieß es aus Kiew, dass unter Kriegsrecht nicht gewählt werden dürfe. Umso überraschender nun die Aussage von Selenskyj.
Wie ist die gesetzliche Lage in der Ukraine?
Seit dem russischen Einmarsch gilt in der Ukraine das Kriegsrecht. Das Gesetz über das Kriegsrecht verbietet in Artikel 19 die Durchführung von Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen. Zusätzlich sieht Artikel 83 der Verfassung Parlamentswahlen erst nach der Aufhebung des Kriegsrechts vor.
Das Gesetz zum Kriegsrecht ist durch einen einfachen Parlamentsbeschluss änderbar. Verfassungsänderungen sind während des Kriegsrechts in Artikel 157 verboten. Angesichts dieser Rechtslage akzeptieren die europäischen Partner, dass Selenskyj Präsident ist und dies vorerst auch bleibt.
Gibt es weitere Argumente gegen Wahlen im Krieg?
Ja, eines ist die fehlende Sicherheit vor allem in frontnahen Gebieten. Wahlurnen in die vordersten Linien zu bringen oder eine Öffnung von Wahllokalen unter russischem Beschuss zu ermöglichen, ist schwer vorstellbar. Die Teilnahme von mehreren Millionen ukrainischer Staatsbürger in den von Russland besetzten Gebieten ist kaum realisierbar. Für Millionen Geflüchtete im Ausland wäre eine Abstimmung zudem schwierig. Die Konsulate wären schlichtweg überfordert, und Briefwahl ist im ukrainischen Wahlgesetz nicht vorgesehen.
Letztlich müsste Russland für die Zeit des Wahlkampfes und des Wahltermins eine Waffenruhe garantieren. Moskau hat aber mehrfach erklärt, dass dies nicht infrage komme. Kiew würde diese Zeit nur nutzen, um Kräfte zu sammeln, um den Krieg danach fortzusetzen, hieß es.
Warum bringt Selenskyj Wahlen überhaupt ins Gespräch?
Das dürfte vor allem ein taktischer Schachzug gegenüber Trump sein. In Gesprächen über einen Friedensplan sind die USA und die Ukraine uneins in zentralen Fragen wie Sicherheitsgarantien und Territorien. Also kommt Selenskyj dem Weißen Haus in einem anderen Punkt entgegen. Selenskyj macht klar, dass er sich nicht an sein Amt klammert.
Zugleich spielt er den Ball zurück: Wahlen seien nur möglich, wenn die USA und Europa für deren Sicherheit sorgten. Aus Selenskyjs Sicht könnte dies der Einstieg in die langersehnten Schutzmaßnahmen der westlichen Partner sein.
Welches Verfahren schlägt Selenskyj vor?
Konkret hat Selenskyj kein Konzept für Wahlen während des Krieges vorgelegt. Vielmehr hat er die Entscheidung und damit die weitere Verantwortung an das Parlament delegiert. Die Fraktion seiner Partei Diener des Volkes soll Gesetzesänderungen für Präsidenten- und Kommunalwahlen ausarbeiten.
Bei der Präsidentenwahl sieht das geltende Gesetz zwischen Ansetzung und Urnengang eine Frist von 90 Tagen vor. Bei Kommunalwahlen ist diese mit 60 Tagen kürzer. Ob sich im Parlament eine Mehrheit für die Gesetzesänderungen findet, ist unsicher – zumal Selenskyjs Position nach den jüngsten Korruptionsskandalen angeschlagen ist.
Wie reagiert Moskau auf den Vorstoß?
Moskau begrüßte die erklärte Bereitschaft zu Wahlen in der Ukraine. Dies sei „ziemlich neu“ und decke sich mit Forderungen, die Putin schon länger erhoben habe, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, erklärte indes, Wahlen unter dem Schutz der USA seien ein Marionettentheater und nicht demokratisch.








