Kanzler reist zu G20-Gipfel Zwischen Ukraine-Plan und Afrika-Kontakten
Stand: 21.11.2025 18:28 Uhr
Die Bundesregierung will den G20-Gipfel in Südafrika nutzen, um vor allem die Beziehungen zu den afrikanischen Regierungen zu verbessern. Aber auch der Ukraine-Plan der USA dürfte Thema werden.
Bevor es nach Johannesburg geht, wollte der Bundeskanzler am Freitagmorgen noch in der Robert-Reinick-Grundschule in Berlin-Spandau einen Zwischenstopp machen. Doch der Wohlfühltermin zum bundesweiten Vorlesetag wurde kurzfristig abgesagt.
Friedrich Merz (CDU) musste sich am Freitagvormittag um die Ukraine kümmern, deshalb mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem britischen Premierminister Keir Starmer und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefonieren. Sie begrüßen die US-Bemühungen um ein Ende des Ukraine-Kriegs, wollen aber eng eingebunden werden.
Abgestimmte europäische Linie
Die Zeit drängt, zumal nach Aussage von Außenminister Johann Wadephul (CDU) Deutschland über die US-Überlegungen im Vorfeld nicht informiert worden war. Wadephul begrüßt zwar, dass in die Sache Bewegung gekommen ist. Für ihn ist es aber noch kein Plan, sondern es sind Punkte, die zu diskutieren seien, sagte der CDU-Politiker gestern im ZDF.
Vor allem weil der Plan zahlreiche Vorschläge enthält, die für Kiew nur schwer zu akzeptieren sein dürften, wie: kein NATO-Beitritt, ein kleineres Heer und dauerhaft weitreichende Gebietsabtretungen. Der G20-Gipfel in Johannesburg bietet sich für weitere Abstimmungen an, auch wenn US-Amerikaner, Russen und Chinesen nicht mit am Tisch sitzen. Zumindest die Europäer wollen mit einer abgestimmten Linie auftreten.
Ein selbstbewusster Gastgeber
Dabei wird eine Unterstützung bei Themen wie dem Ukraine-Krieg von den Gastgebern aus Südafrika, aber auch von Nationen wie Indien oder Brasilien nicht unbedingt zu erwarten sein. Südafrika lasse sich nicht vorschreiben, „wen es sich zum Feind machen lässt“, sagt Henrik Maihack. Er leitet das Afrika-Referat der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin.
Aus seiner Sicht könne man es aber auch als Vorteil sehen, „dass Südafrika mit vielen schwierigen Akteuren im Gespräch ist, mit denen Deutschland vielleicht aktuell nicht so sehr im Gespräch ist“. Zumal sich die Südafrikaner immer wieder eingebracht haben – „nicht zuletzt übrigens auch im Ukraine-Krieg“.
Macht- und wirtschaftspolitische Gemeinsamkeiten
Merz will die Treffen nutzen, die beim G20-Gipfel und dem darauffolgenden EU-Afrika-Gipfel in Angola anstehen. Allein zahlreiche bilaterale Gespräche mit afrikanischen Staats- und Regierungschefs sind geplant. Afrikaner und Europäer stellen in den Vereinten Nationen zusammen 40 Prozent der Stimmen.
Ein Pfund, das in einer multipolaren Welt immer wichtiger wird, ist Maihack überzeugt. „Europa und Afrika haben zusammen mehr als 80 Länder, die alle keine Großmacht sind und die alle davon profitieren, dass die Vereinten Nationen funktionieren, dass der Welthandel funktioniert, und das könnte man viel mehr nutzen, dieses Potenzial.“
Konkret wird Deutschland beispielsweise auf afrikanische Stimmen angewiesen sein, wenn es 2027 für einen nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat kandidiert. Es gibt aber auch wirtschaftliche Gründe, die Zusammenarbeit zu vertiefen. Denn Afrika hat die weltweit jüngste Bevölkerung, und elf der 20 am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften sind auf dem Kontinent.
Neue Kooperationen im Bereich Rohstoffe
Gleichzeitig ist der Handel zwischen der EU und Afrika in den vergangenen Jahren rückläufig gewesen. Die Europäer sollten den Gipfel deshalb gemeinsam nutzen, um Rohstoff-Partnerschaften oder Infrastrukturprojekte wie „Global Gateway“ voranzubringen, sagt Matthias Krämer. Er leitet den Bereich Außenwirtschaftspolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie. „Die Zahl der Projekte, die da tatsächlich schon laufen, ist natürlich noch überschaubar.“ Von daher sei es allerhöchste Zeit, da konkret zu werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt für die deutsche Wirtschaft – neue Kooperationen im Bereich Rohstoffe, um auch die Abhängigkeit von China abzubauen. Die Afrikaner sind an Projekten interessiert, die über einen reinen Rohstoff-Export hinausgehen, sagt Krämer: „Das heißt, dass man nicht nur Rohstoffe aus diesen Ländern exportiert, sondern dass man eben auch Angebote in der Weiterverarbeitung macht, dass auch Wertschöpfung in diesen Ländern entsteht. Dieses Interesse haben diese Länder, und das ist auch verständlich.“
Gute Partnerschaften mit Gleichgesinnten?
Ohne Donald Trump und Xi Jingping könnte es möglicherweise auf dem ersten G20-Gipfel auf dem afrikanischen Kontinent kein gemeinsames Abschlusskommuniqué geben.
In einer zunehmend multipolaren Welt könnte es aber auch eher auf gute Partnerschaften mit Gleichgesinnten als auf wachsweiche Papiere ankommen. Der deutsche Kanzler und der Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) wollen diese Chance nutzen.









