Stand: 21.09.2025 05:14 Uhr
In New York treffen sich die Staats- und Regierungschefs von Montag an zur UN-Vollversammlung. 80 Jahre nach ihrer Gründung ist den Vereinten Nationen aber nicht zum Feiern zumute.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, ist nicht zu beneiden. Die Welt leidet unter immer mehr Kriegen und Konflikten. Doch die Vereinten Nationen stehen ziemlich machtlos im Abseits.
Und so mahnt UN-Chef António Guterres fast verzweifelt: „Die Vereinten Nationen sind der richtige Ort zur Lösung von Konflikten. Die Zeit dafür ist nächste Woche. Die Regierungschefs müssen sich endlich anstrengen und Ergebnisse erzielen.“ Zugleich preist er die UN-Vollversammlung als „Weltmeisterschaft der Diplomatie“. Zahlreiche Treffen der Staats- und Regierungschefs sind geplant. Er selbst hat 150 bilaterale Gespräche vereinbart.
Doch die Vielzahl an Treffen könne den Bedeutungsverlust der Vereinten Nationen nicht kaschieren, sagt einer der profundesten Kenner der UN, Richard Gowan.
Die Weltgemeinschaft ist so zersplittert. Und die Trump-Regierung so zerstörerisch. UN-Mitarbeiter haben diese Krise sogar mit der des Völkerbunds verglichen, der vor dem Zweiten Weltkrieg scheiterte. Die Sorge ist sehr groß.
Richard Gowan von der Denkfabrik „Crisis Group“:
Schuld sind vor allem die drei großen Veto-Mächte im Weltsicherheitsrat. Bei den wichtigsten Kriegen in Gaza und in der Ukraine blockieren Russland und die USA Lösungen durch ihr Veto. Schlimmer noch: Den Präsidenten der USA, Russlands und Chinas Trump, Putin und Xi scheint das Völkerrecht egal. Sie verstoßen immer ungehemmter gegen die Charta der Vereinten Nationen. An die Stelle der regelbasierten Ordnung tritt immer häufiger das Recht des Stärkeren.
Genetralsekretär Guterres kämpft gegen den Bedeutungsverlust der UN.
USA und andere Länder kürzen Gelder
Hinzu kommt, was Richard Gowan den „Trump-Schock“ für die UN nennt: „Gleich in den ersten Wochen hat die Trump-Regierung die Finanzierung aller UN-Organisationen blockiert oder gestrichen. Diese Trump-Regierung ist viel ideologischer und entschlossener, die UN anzugreifen, als die erste.“
Mit einem Rückzug Amerikas aus dem Klimaschutzabkommen und UN-Organisationen wie dem UN-Menschenrechtsrat, der UNESCO oder der Weltgesundheitsorganisation hatte man gerechnet. Nicht aber mit solch dramatischen Kürzungen des Hauptgeldgebers der UN. Die Folgen für die humanitäre Arbeit und die Entwicklungshilfe der Vereinten Nationen sind katastrophal, zumal es keine anderen Länder gibt, die eingesprungen sind.
Wenig Kritik an Trump erwartet
Im Gegenteil: Auch China und viele europäischen Staaten kürzen bei der Entwicklungshilfe. Aber auch die UN als Organisation sind betroffen. UN-Generalsekretär Guterres hat einen drastischen Sparplan, UN80, vorgestellt. Danach müssen die Vereinten Nationen 20 Prozent ihres Budgets kürzen und jede fünfte Stelle streichen. Lange war sogar befürchtet worden, dass Trump sein Land ganz aus den Vereinten Nationen zurückzieht.
Stattdessen – so UN-Experte Gowan – werde Trumps Rede am Dienstag nun der mit Spannung erwartete Höhepunkt dieser UN-Vollversammlung. „Trump genießt seine Auftritte vor den UN. Er genießt es, der Star der Show zu sein. Er genießt den Applaus der anderen Staatschefs. Und in seiner Rede wird er nochmal betonen, dass er den Friedensnobelpreis wirklich verdient.“
Nur wenige werden Trump in der UN-Vollversammlung kritisieren Gowan zufolge – Brasiliens Präsident Lula da Silva dürfte dazugehören. Die große Mehrheit der Staats- und Regierungschefs aber wolle sich nicht mit dem US-Präsidenten anlegen.
Gaza und das Leid der Palästinenser das bestimmende Thema
Trump hat auch dafür gesorgt, dass Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas kein Visum für die Einreise nach New York bekommt. Die für Montag geplante Anerkennung Palästinas als unabhängiger Staat durch mehrere westliche Staaten – diesen seltenen Lichtblick für die Palästinenser – soll Abbas nicht persönlich miterleben dürfen.
Im vergangene Jahr konnte Mahmud Abbas noch vor der UN-Vollversammlung sprechen.
Nicht verhindern kann Trump, dass der Krieg in Gaza und das Leid der Palästinenser das bestimmende Thema dieser UN-Vollversammlung werden. Israel sei derzeit leider nicht an ernsthaften Verhandlungen für einen Waffenstillstand in Gaza interessiert, bedauert UN-Generalsekretär Guterres.
Die Kritik aus islamischen Staaten und aus Ländern des globalen Südens, die UN ließen Israel einfach gewähren, lässt Guterres nicht gelten. Die israelische Regierung habe die Vereinten Nationen aus Gaza vertrieben und UN-Mitarbeiter getötet: „Die Geschichte wird die 400 in Gaza getöteten UN-Mitarbeiter nicht vergessen. Auch nicht, dass wir die ständigen Verstöße gegen internationales Recht und das ganze Ausmaß von Tod und Zerstörung stets angeprangert haben.“ Das sei ohne Beispiel in seiner Amtszeit.
Kein einfacher Job für Selenskyj
Dagegen muss sich der ukrainische Präsident Selenskyj in seiner Rede am Mittwoch anstrengen, dass die Weltgemeinschaft den russischen Angriffskrieg gegen sein Land nicht vergisst. Gerade Länder aus dem globalen Süden seien zunehmend genervt, dass dieser Krieg so viele Ressourcen binde, sagt Richard Gowan von der Denkfabrik Crisis Group: „Für die Ukraine ist es seit 2023 immer schwieriger geworden, Unterstützer im Kampf gegen Russland zu finden. Auch weil viele nicht-westliche Staaten enttäuscht sind, wie sich die Europäer zu Gaza verhalten. Also sind auch sie weniger bereit, die Ukraine zu unterstützen.“
Kritik an Deutschland
Das ist auch für Deutschland ein Problem. Noch im vergangenen Jahr gab es viel Lob für die erfolgreiche Arbeit Deutschlands als Federführer beim Zukunftspakt der Vereinten Nationen. Nun wird Kritik laut, dass sich die Bundesregierung nicht deutlicher von der israelischen Regierung distanziert. Mit Blick auf die Kandidatur Deutschlands für einen Sitz im UN-Sicherheitsrat könnte dies ein Nachteil sein.