Stand: 18.12.2025 13:23 Uhr
Die Hip-Hop-Shows der Veranstaltungsreihe „Unreleased“ sind oft innerhalb von wenigen Minuten ausverkauft. Und das, ohne auch nur einen Künstlernamen aus dem Line-Up zu verraten. Das liegt vor allem an einem Marketing, das Social Media neu denkt.
Ein Montagabend in Hamburg. Der Mojo Club auf der Reeperbahn ist brechend voll. Mehr als 850 Menschen haben sich für diesen Abend ein Konzertticket gekauft – ohne zu wissen, wer eigentlich auftritt. „Unreleased“ heißt die Veranstaltungsreihe, die die jungen Menschen hierhergelockt hat. Das Konzept: Zehn Artists aus der Hip-Hop-Szene spielen teils unveröffentlichte Songs. Welche Künstler auftreten, ist bis zur Show ein Geheimnis.
Auf den Shows sind Handys verboten. Auch das ist Teil des Konzepts. Die Handykameras der Besucher werden am Eingang abgeklebt. Bisher gab es „Unreleased“ nur in Berlin. Die Instagram-Seite, der fast 65.000 Menschen folgen, heißt deshalb auch „unreleased.berlin“. Mehr als 400 Artists sind bei 27 Shows aufgetreten. Jetzt testen die Veranstalter das Konzept in anderen Städten. Neben Hamburg sind auch Shows in Frankfurt, Leipzig und München geplant.
„Anscheinend hatten nicht nur wir Bock, sondern auch ihr. Wir waren nach einer Woche sold out!“, ruft „Unreleased“-Mitbegründer Federico Battaglia von der Bühne. Die Menge jubelt. Zwar gehen in Berlin die Tickets oft innerhalb von wenigen Minuten weg, aber trotzdem: Ein Konzert so schnell auszuverkaufen – ohne dass das Publikum etwas über die Künstler weiß – das ist alles andere als selbstverständlich. Was reizt die Menschen so an diesem Konzept?
Die Überraschung – ein Trend im Veranstaltungs-Business
„Es macht einfach Spaß, überrascht zu werden“, sagt eine Konzertbesucherin. Sie sagt, sie gehe auch zu der Veranstaltungsreihe „Geheimkonzert Hamburg“. Auch dieses Konzept spielt mit dem Überraschungsmoment. Bis zum Konzerttag verraten die Veranstalter weder die Location noch das Line-Up. Die Überraschung – ein Trend im Veranstaltungs-Business.
So lockte im August der Rapper Marteria beispielsweise 15.000 Besucher zu einem kostenlosen Überraschungskonzert in seine Heimatstadt Rostock, Superstar Ed Sheeran sang spontan vor der Stuttgarter Oper und beim Reeperbahn-Festival oder dem Marketing-Festival OMR gehören Überraschungskonzerte mittlerweile zum Programm dazu.
„Unreleased“-Mitbegründer Federico Battaglia
Der Überraschungseffekt sei ein wichtiges Element bei „Unreleased“, sagt Mitgründer Battaglia. Die Leute hätten aber auch Lust, sich auf neue Musik und Künstler einzulassen. Was dabei eine entscheidende Rolle spielt: Die Menschen vertrauten darauf, dass „Unreleased“ ihnen in jedem Fall ein gutes Line-Up liefert.
Das scheint vor allem durch den engen Kontakt in die Szene zu funktionieren. Die Gründer sind gut vernetzt und haben einen guten Riecher für die Stars von morgen. Ein Beispiel ist der 20-jährige Rapper Jassin, der seinen ersten Auftritt bei „Unreleased“ hatte. Mittlerweile ist er in der Szene mehr als nur ein Geheimtipp, hat es mit seinem Debüt-Album in die Top 40 der deutschen Albumcharts geschafft.
Veranstalter kennen die Szene gut
Aber auch die großen Stars aus der deutschen Hip-Hop-Szene gehen bei „Unreleased“ ein und aus. Sängerin Nina Chuba hat bereits bei „Unreleased“ gespielt, die Frankfurter Rapper Celo & Abdi oder der Stuttgarter Max Herre. Als an dem Abend im Mojo Club die Hamburger Szene-Größe Disarstar zum Interview erscheint, ruft er der Crew noch scherzhaft zu: „Ey Digger, ich fang jetzt direkt an mit einer Lobeshymne auf ‚Unreleased‘.“ Die Stimmung ist locker. Man kennt sich hier.
Nah dran, ganz ohne Handy: Ein „Unreleased“-Konzert in Hamburg
„Ich find die Veranstaltung geil. Es ist auf jeden Fall Promo für mich und ich mag die Leute. Wenn die mich fragen, ob ich kommen mag, immer, immer gern“, sagt Disarstar. Ihm gefällt das Konzept, sagt er, auch dass das Publikum nicht filmen darf. Auch er hat schon mal Handys bei einer seiner Veranstaltungen verboten. Das habe ihm gut gefallen. Er sagt aber auch:
„Es ist ein zweischneidiges Schwert. Für den Vibe auf dem Konzert ist es natürlich oft geiler, wenn die Leute das Handy einfach weglassen. Aber wenn die Clips machen und das auf Instagram posten und dann mit ihren Freunden in Austausch kommen, dann ist das auch ein wichtiges Kriterium.“
Du siehst immer nur, was du verpasst
Social Media ist in der Konzert-Branche wichtig. Fan-Videos können Gratis-Promo sein für die Veranstaltungen. „Das war am Anfang ein Risiko zu sagen, hier kann niemand etwas von posten“, sagt Battaglia. Doch das heißt nicht, dass auf Social-Media-Marketing verzichtet wird – im Gegenteil. Auf den Konzerten filmen die Veranstalter mit und drehen jede Menge Content mit den Acts für Instagram und Tiktok. Viele der Besucher erfahren auf Social Media so von der Offline-Veranstaltung.
„Wir haben die Logik sozusagen umgedreht“, sagt Battaglia. Die Veranstalter könnten durch das Handy-Verbot alle Aufmerksamkeit auf ihre Kanäle lenken. „So haben wir es geschafft, einen richtigen Hype zu generieren. Weil du eigentlich immer nur das siehst, was du verpasst hast. Und deshalb willst du beim nächsten Mal unbedingt dabei sein.“









