Gedenkstätte in Berlin Prozessauftakt nach Messerangriff an Holocaust-Mahnmal
Stand: 20.11.2025 17:24 Uhr
Neun Monate nach der Attacke auf einen Besucher des Holocaust-Mahnmals in Berlin steht der mutmaßliche Angreifer nun vor Gericht. Die Bundesanwaltschaft geht von einer radikal-islamistisch und antisemitisch motivierten Tat aus.
- Prozessbeginn zur Messerattacke auf Tourist im Stelenfeld im Februar
- 19-jähriger Verdächtiger soll sich bewusst den Tatort ausgesucht haben
- Bundesanwaltschaft: radikal-islamistisch und antisemitisch motivierte Tat
- Angeklagter schweigt zunächst
Ein schlanker, junger Mann in dicker schwarzer Steppjacke sitzt in dem abgeschlossenen Separée des Gerichtssaals, das bei besonderer Sicherheitslage den Angeklagten vorbehalten ist. Durch ein Fenster kann er sehen und hören, was im Saal geschieht. In der Stuhlreihe davor: sein Anwalt und zwei Übersetzer, die dem jungen Syrer das Prozessgeschehen simultan wiedergeben.
Der Angeklagte, ein anerkannter Geflüchteter mit Wohnsitz in Leipzig, beantwortet Fragen zu seiner Person, höflich und eher leise. Nachdem die Vertreterin des Generalbundesanwalts die Anklage verlesen hat, entscheidet er sich dann, dass er zu den Vorwürfen vorerst schweigen wird.
Wassim Al M. soll am 21. Februar 2025 im Stelenfeld des Mahnmals für die ermordeten Juden Europas nahe dem Brandenburger Tor einen spanischen Touristen mit einem Messer angegriffen und dabei lebensgefährlich verletzt haben. Das Messer mit der 16 cm langen, gebogenen Klinge habe er sich zuvor eigens im Internet besorgt.
Am Tattag sei er dann nach Berlin gefahren, zum Mahnmal. Im Stelenfeld, davon sei der 19-Jährige ausgegangen, werde sein Angriff mit großer Wahrscheinlichkeit eine Person jüdischen Glaubens treffen.
Mutmaßlicher Täter wollte sich offenbar dem IS andienen
„Die Tat ist das Ergebnis einer spätestens seit 2024 erfolgten Radikalisierung des Angeklagten“, so Oberstaatsanwalt Michael Neuhaus, der im Berliner Staatsschutzverfahren den Generalbundesanwalt vertritt. „Eine Radikalisierung im Sinne der salafistisch-dschihadistischen Ideologie des sogenannten Islamischen Staates. Er wollte ein Zeichen setzen, gegen die freiheitliche Gesellschaft, in der wir leben, und gegen Juden, die er für das Leid der Welt verantwortlich machte.“
Mit der Tat habe er sich dem IS als Kämpfer andienen wollen. Dazu soll er über einen verschlüsselten Messengerdienst eine Nachricht mit einem Foto von sich an das „Medienteam“ des IS gesendet haben. Kurz danach, gegen 18 Uhr, soll er dann den spanischen Touristen Iker B.M. im Stelenfeld des Mahnmals angegriffen haben.
Im Dezember soll das Opfer aussagen
Der Angeklagte habe den Touristen dabei von hinten gepackt und ihm einen etwa 14 cm langen, lebensgefährlichen Kehlschnitt zugefügt. Dem Verletzten sei es noch gelungen, aus eigener Kraft aus dem Stelenfeld zur Straße zu flüchten, wo er bewusstlos wurde. Dass er überlebte, sei dem raschen Eingreifen des Notarztes zu verdanken.
Für das Opfer, einen 30jährigen Ernährungswissenschaftler aus dem Baskenland, sei der brutale Angriff deshalb bis heute nicht abgeschlossen, so sein Nebenklagevertreter Sebastian Sevenich. „Er ist natürlich durch diese Tat immer noch sehr schwer betroffen. Auf körperlicher Ebene dadurch, dass der Schnitt durch den Hals bis ins Gesicht ging. Dadurch ist auch eine Nervenschädigung entstanden, von der man noch nicht weiß, ob sie sich je wieder richtig geben wird. Und auf der psychischen Ebene ist er natürlich erheblich traumatisiert, was auch dazu führt, dass er noch nicht wieder arbeitsfähig ist.“
Einen Versuch, Kontakt aufzunehmen oder sich zu entschuldigen, habe es von Seiten des Angeklagten nicht gegeben. Im Dezember wird Iker B.M. nach Berlin reisen, um im Verfahren als Opferzeuge auszusagen.
Verurteilung nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht?
Wassim Al M. ist wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung sowie versuchter Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrororganisation angeklagt, eventuell komme aber auch schwere Körperverletzung als Tatvorwurf in Frage, so die Vorsitzende Richterin Doris Husch. Ob der 19-Jährige dabei nach Jugend- oder nach Erwachsenenstrafrecht beurteilt wird, ist noch offen.
Wegen der besonderen Bedeutung des Falles und der Gefährdung der inneren Sicherheit hatte der Generalbundesanwalt die Ermittlungen in dem Verfahren übernommen. Der Tatverdächtige befindet sich seit seiner Festnahme, kurz nach der Tat, in Untersuchungshaft. Dort soll er sich gegenüber der Jugendgerichtshilfe auch zu möglichen Motiven und Mitwissern geäußert haben.
Mit einem Urteil wird Ende Januar 2026 gerechnet. Die Tat hatte im Februar bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte, der Täter müsse „mit aller Härte bestraft“ und „direkt aus der Haft abgeschoben“ werden.
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.11.2025, 18:20 Uhr









