analyse
Stand: 10.12.2025 19:01 Uhr
Schuldzuweisungen bei der Verzögerung der Bürgergeld-Reform und kontroverse Positionen zur Rente: Beim Koalitionsausschuss heute gibt es beträchtlichen Gesprächsbedarf. In der Koalition zeichnet sich ein Muster ab.
Es sollte diesmal wirklich ein möglichst sachlich-unaufgeregtes Arbeitstreffen werden, so wie der Koalitionsausschuss als regelmäßig tagendes Gremium von Beginn dieser schwarz-roten Koalition an gedacht war. Mit Raum für ergebnisoffene Gespräche, ohne Zeitdruck. Eine Pressekonferenz noch am Abend ist deswegen nicht geplant, damit die Koalitionäre Zeit haben. Doch ein geräuschloses Routine-Treffen ist auch heute wohl nicht drin. Wieder einmal.
Es sind zwar weiter dicke Bretter zu bohren, die Merz-Regierung will mit stetigen Reformen punkten – unter anderem die Neuregelungen beim sogenannten Heizungsgesetz, dem Gebäudeenergiegesetz (GEG). Doch es wird wohl auch um die Kommunikation miteinander gehen müssen. Denn erneut gibt es in letzter Minute Uneinigkeit über ein auf Spitzenebene geeintes Projekt.
Schon die vergangene Woche war für Schwarz-Rot mit dem Rentenpaket im Bundestag nicht gerade rund gelaufen. Man kam mit einem blauen Auge, aber nicht besonders ruhmreich davon.
Routine- oder doch wieder Krisenmodus?
Als Themen sollen nun neben dem GEG die private Altersvorsorge sowie der bereits angekündigte Industriestrompreis und die Kraftwerkstrategie besprochen werden, sagten Parteivertreter am Montagabend. Auch die Beschleunigung beim Ausbau der Infrastruktur soll thematisiert werden. Darüber hinaus gehe es um Klimaschutz.
Nun kommt die Grundsicherung dazu, die das Bürgergeld der Ampelkoalition ersetzen soll. Sie sollte bereits am Vormittag als geeinte Vorlage durch das Kabinett gehen.
Zuständig ist die Arbeitsministerin Bärbel Bas, die diese für die SPD nicht einfache Reform ausgearbeitet hatte. Das Papier galt als mit dem Kanzleramt geeint. Doch am Vortag meldeten zwei unionsgeführte Ministerien Vorbehalte und Änderungsbedarf an.
Bundeskanzler Friedrich Merz selbst musste dann am Vorabend zum „leidigen Thema Bürgergeld“ einräumen, dass das Kabinett diese Woche nicht mehr zur Grundsicherung kommt – wohl aber noch in diesem Jahr. Merz fügte hinzu: „Wenn es gut geht.“
Langsam entsteht ein Muster
Langsam entwickelt sich ein Muster: Ein Koalitionspartner versucht, ein von den Spitzen bereits geeintes Papier aufzuknüpfen. Und vielen in der Koalition ist klar: Damit sieht die Regierung nicht gut aus.
Nach der jüngsten Kabinettsklausur hieß es, aus dem Ruckeln solle ein Ruck werden. Der Kanzler gab sich optimistisch und lobte die „kollegiale, offene und vertrauensvolle Atmosphäre“.
Die Botschaft sollte lauten: Das Miteinander und die Stimmung seien gut, man sei zusammengewachsen. Womöglich meint Merz seinen inneren Führungskreis mit SPD-Vizekanzler Lars Klingbeil – und übersieht gerade das viel größere Miteinander zwischen Regierung und den Regierungsfraktionen.
Immer wieder bricht Misstrauen durch. Und handwerklich schlechte Kommunikation, sagt der eine oder andere selbstkritisch. In der Großen Koalition unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel sei das eine ganz andere Liga in der Kommunikation gewesen, heißt es in Unionskreisen.
Vertrauen fehlt, Misstrauen bricht durch
Auch beim Rentenpaket waren Spitzengespräche gelaufen, war das Paket geschnürt, als einzelne Unionsabgeordnete der Jungen Gruppe im Bundestag öffentlich damit drohten, dagegen zu stimmen, weil ihre Kritik nicht berücksichtigt worden war.
Bei der Wehrpflicht meldete der Außenminister Johann Wadephul (CDU) Zweifel und einen eigenen Vorschlag an, nachdem sich das Kabinett bereits Wochen zuvor auf einen Entwurf aus dem Hause des SPD-Verteidigungsministers geeinigt hatte.
Immer wieder hört man – und zwar nicht nur von der SPD-Seite, sondern auch unionsintern: Es laufe nicht rund im Zusammenspiel zwischen Kanzleramt und Unionsfraktion.
Doch auch die SPD agiert zuweilen widersprüchlich: Betonte Ministerin Bas beim Rentenpaket die Gültigkeit der bereits geeinten Fassung, signalisierte sie wiederum beim Juso-Kongress, dass sie selbst noch Änderungsbedarf bei der neuen Grundsicherung im parlamentarischen Verfahren sehe – obwohl ihr Entwurf da bereits mit der Union auf Spitzenebene fertig ausgehandelt und abgestimmt war.
Es sieht so aus, als müssten die Fraktionschefs und auch die jeweiligen Ressortchefs samt Kanzleramt ihre Rolle noch finden, beim internen Wegfiltern von Meinungsverschiedenheiten, bevor man mit einem Entwurf an die Öffentlichkeit geht. Ein Koalitionsausschuss wird dafür wohl nicht ausreichen.










