Deutschland und Afghanistan Weht bald die Taliban-Flagge in Berlin?
Stand: 08.10.2025 06:00 Uhr
Schon bald könnte die weiße Taliban-Flagge in Berlin wehen. Die Radikalislamisten haben nach ARD-Informationen vor, sie über der afghanischen Botschaft zu hissen. Die Bundesregierung kann nicht viel tun.
„Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist der Gesandte Gottes“: Die Flagge des Islamischen Emirats Afghanistans trägt das muslimische Glaubensbekenntnis in schwarzer Schrift auf weißem Grund. Eine Flagge, die Symbol ist für den Staat der Radikalislamisten, den sie nach der Machtübernahme im August 2021 in Afghanistan errichtet haben.
Nach dem Willen der Regierung in Kabul soll diese Flagge bald schon auch in Berlin wehen. Ein hoher Ministerialbeamter aus dem afghanischen Außenministerium sagte dem ARD-Studio Südasien bei einem Gespräch in der afghanischen Hauptstadt, man wolle die Emirats-Fahne vor dem Gebäude in der Taunusstraße im Berliner Stadtteil Grunewald hissen. Aktuell weht dort noch die schwarz-rot-grüne Fahne der Islamischen Republik Afghanistan. Zudem soll die diplomatische Vertretung den bisherigen Namen „Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan“ verlieren und in „Botschaft von Afghanistan“ umbenannt werden.
„Islamische Republik Afghanistan“ ist der Name, den der Staat Afghanistan seit 2004 trug. Unter diesem Namen ist das Land auch Mitglied der Vereinten Nationen und von den meisten Staaten der Welt anerkannt. Das von den Taliban ausgerufene „Islamische Emirat Afghanistan“ hingegen ist, mit Ausnahme von Russland, von keinem anderen Staat der Welt anerkannt.
In Kabul sind die großen Taliban-Flaggen bereits Alltag.
Staatsrechtler sieht keine Grundlage, Taliban-Flagge zu verbieten
Auf Anfrage der ARD heißt es aus dem Auswärtigen Amt, derartige Pläne seien ihnen nicht bekannt. Man habe „der afghanischen Seite klar unsere Erwartung kommuniziert, dass die Botschaft weiterhin Titel sowie Insignien der ‚Islamischen Republik Afghanistan‘ verwendet“.
Viel kann die deutsche Seite ohnehin nicht machen: „Es gibt keine wirkliche rechtliche Grundlage, einem souveränen Staat, mit dem man diplomatische Beziehungen unterhält, zu verbieten, dass er seine Staatssymbole, seine Fahne auch führt und seinen Staatsnamen wählt“, sagt der Völkerrechtler Markus Kotzur von der Universität Hamburg. „Natürlich hätte Deutschland die Möglichkeit, die diplomatischen Beziehungen abzubrechen und Personen im Botschaftsgebäude zur Persona non grata zu erklären, aber das ist sicher politisch nicht gewünscht.“
Die Bundesregierung will derzeit die Abschiebung afghanischer Straftäter aus Deutschland forcieren und verhandelt darüber mit der Taliban-Regierung. Vergangene Woche waren aus diesem Grund auch Beamte aus dem Bundesinnenministerium in Kabul.
Bundesregierung erkennt Taliban offiziell nicht an
Nach vier Jahren Herrschaft über Afghanistan haben es die neuen Machthaber nach eigenen Angaben mittlerweile geschafft, auch den weit überwiegenden Teil ihrer Auslandsvertretungen an sich zu binden oder gar zu übernehmen. Dort arbeiten nach wie vor in vielen Fällen die vor 2021 entsandten Diplomaten, die nun mit den Taliban kooperieren.
In anderen Fällen wurden zusätzliche Diplomaten von den Taliban entsandt. In der Volksrepublik China, in Pakistan und in den Vereinigten Arabischen Emiraten residieren bereits Taliban-Botschafter. In Moskau gibt es nach der Anerkennung durch Russland im vergangenen Juli schon ganz offiziell eine Botschaft des Islamischen Emirats.
Die Bundesregierung erkennt, wie es das Auswärtige Amt auf seiner Homepage mitteilt, die Taliban-Regierung weiterhin offiziell „politisch nicht als legitime Regierung Afghanistans an“. Dennoch hat sie zuletzt nicht nur deutsche Beamte mit Taliban-Vertretern über Abschiebeflüge verhandeln lassen, sondern zuletzt auch zwei von den Taliban ernannte Konsularbeamte akkreditiert und nach Deutschland einreisen lassen. Wie es aus dem Außenministerium auf Anfrage heißt, sind dies die „einzigen beiden Mitarbeiter, die Deutschland seit der Machtübernahme der De-facto-Regierung akkreditiert hat“.
Die beiden Taliban-Gesandten sollen die Konsulate in Bonn und Berlin übernehmen. Die bisherigen Konsularmitarbeiter in Bonn hatten Ende September unter Protest das Konsulat verlassen und der Bundesregierung schwere Vorwürfe gemacht. Vergangenen Freitag haben sich Mitarbeiter der afghanischen Botschaft Zutritt zu dem Gebäude in Bonn verschafft. Das bestätigte die Polizei auf Anfrage der ARD.
„Gibt keine Zugeständnisse und keinen Deal“
Während die Taliban zuletzt den politischen Charakter der Gespräche mit Vertretern Deutschlands betont haben, beharrt die Bundesregierung darauf, dass der Austausch lediglich „technisch“ sei. So hätten deutsche Beamte vergangene Woche in Kabul bei ihrem Besuch zwar auch mit Vertretern des Innen- und Außenministeriums gesprochen. Dabei sei es aber nur um Fragen der technischen Abwicklung von Abschiebeflügen gegangen.
Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte dazu Anfang der Woche, die afghanische De-facto Regierung, hätte „Rückführungen auf dem Luftweg grundsätzlich zugestimmt“, wenn die betroffenen Personen als afghanische Staatsangehörige identifiziert worden seien. Die Sprecherin betonte, „wir haben keine Zugeständnisse gemacht, und es gibt auch keinen Deal“.
Der innenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Marcel Emmerich, bezweifelt das. Er wirft Bundesinnenminister Dobrindt „Geheimdiplomatie mit Terroristen“ vor und forderte, Dobrindt müsse „endlich im Bundestag Stellung nehmen und offenlegen, welchen Preis er den Taliban für diesen schmutzigen Deal zahlt“. Kritik der Grünen hatte Dobrindt zuletzt im Bundestag als „heuchlerisch“ zurückgewiesen.