
Debatte über Brandmauer Merz will noch größere Distanz zur AfD
Stand: 17.10.2025 18:54 Uhr
Bröckelt die Brandmauer der Union gegen die AfD? Nein, betont Kanzler Merz – und will sogar auf noch größere Distanz zum „Hauptgegner“ gehen. Dass Beschlüsse auch mal mit Stimmen der AfD fallen könnten, hält er aber für möglich.
In der Union wird ein weiteres Mal über den richtigen Umgang mit der AfD diskutiert – dabei gehen die Auffassungen erneut deutlich auseinander. Nun hat sich auch Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz zu der hochgekochten Debatte geäußert – und dabei klar Stellung gegen eine mögliche Zusammenarbeit bezogen.
„Wir werden noch viel deutlicher die Unterschiede zwischen uns und der AfD herausstellen“, kündigte der CDU-Politiker im Interview der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung an. In der öffentlichen Wahrnehmung setze sich die falsche Erzählung fest, man könne mit der AfD alles durchsetzen, wenn man die sogenannte Brandmauer einreißen würde, warnte Merz und betonte: „Diese Erzählung ist falsch.“
Mit Blick auf anstehende Wahlen bezeichnete Merz die AfD als „Hauptgegner“, denn sie stelle nicht nur die Politik der früheren Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel infrage. „Die AfD stellt die Bundesrepublik Deutschland infrage, wie sie seit Adenauer geprägt worden ist und wie sie die CDU mitgeprägt hat“, so Merz.
AfD in Wählerumfragen im Aufwärtstrend
Ein Blick zurück: Im Jahr 2018 hatte sich Merz – damals im Rennen um den Vorsitz seiner CDU – zum Ziel gesetzt, die Wählerschaft der AfD „halbieren“ zu wollen. Eine Aussage, von der er später selbst abrückte. Und ein Ziel, von dem die Union heute weiter entfernt liegt denn je. Im aktuellen ARD-DeutschlandTrend erreicht die AfD ihren bisher höchsten Wert in der Wählerumfrage und landet damit erstmals gleichauf mit der Union.
Und auch der Blick auf das kommende Jahr dürfte für Unruhe sorgen – in fünf Bundesländern wird gewählt. Derzeit kann sich die AfD dabei in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern Hoffnung machen, stärkste Kraft zu werden. In Baden-Württemberg könnte es nach jüngsten Erhebungen für Platz zwei vor den Grünen reichen. Gewählt wird auch in Rheinland-Pfalz und Berlin.
Keine Koalition, aber gemeinsame Beschlüsse
Eben diese hohen Umfragewerte haben der Debatte um den richtigen Kurs gegenüber der AfD in den Reihen der Union neuen Aufwind gegeben. Mehrere ehemals führende Unionspolitiker, unter ihnen der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber und Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), sprachen sich für eine Abkehr von der Brandmauer aus und dafür gemeinsame Beschlüsse mit der AfD als Option zuzulassen.
Es folgte massive Kritik aus beiden Schwesterparteien – aber eben nicht nur. Mehrere ostdeutsche CDU-Politiker schlossen sich der Forderung nach einer teilweisen Kehrtwende gegenüber der AfD an. Zu ihnen zählt Sachsens CDU-Generalsekretär Tom Unger, der betonte, der bisherige Umgang aller anderen Parteien in den vergangenen Jahren mit der AfD habe nicht dazu geführt, dass die Partei schwächer geworden sei.
Und mit einem anderen Umgang ist aus Sicht der Brandenburger CDU-Bundestagsabgeordneten Saskia Ludwig ja nicht gleich eine Koalition gemeint. Vielmehr gehe es darum, „Mehrheiten für gute Anträge zuzulassen“. Ganz ähnlich äußerte sich der Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Andreas Bühl, als er mahnte, wer seine Politik allein daran ausrichte, von wem sie Zustimmung erfahre, verwechsele Moral mit Politik.
Votum mit Stimmen der AfD nicht ausgeschlossen
Und auch, wenn Merz auf Distanz setzt und damit den seit 2018 geltenden Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei für eine Zusammenarbeit mit der AfD nochmals unterstreicht – auch er schließt Abstimmungen mit Stimmen der AfD nicht aus. Wenn die Union ihre eigene Politik nicht mehr zur Abstimmung im Bundestag stelle, „nur weil die AfD aus rein taktischen Gründen möglicherweise zustimmt“, bestimme allein die AfD über den Parteikurs. „Genau in diese Abhängigkeit darf die CDU nie geraten“, mahnte der Kanzler im interview.
Genau diesen Fall hatte es im Januar im Bundestag gegeben, als ein Antrag der damals noch oppositionellen Union zur Verschärfung der Migrationspolitik auch mit Stimmen der AfD verabschiedet wurde. Es folgte massive Kritik – und auch hier die Frage, wie stabil die sogenannte Brandmauer gegenüber der AfD überhaupt ist.
Für das Erstarken der AfD sieht Merz vor allem die Vorgängerregierungen in der Verantwortung. Fehler der Regierung unter Merkel, vor allem in der Migrationspolitik. Und auch die Ampel-Koalition habe es versäumt, von diesem Kurs wieder abzurücken. Dadurch, so räumte Merz ein, habe die Union politisch nach rechts zu viel Platz gelassen.