Stand: 09.11.2025 08:06 Uhr
Bei manchen Menschen lösen Fitness-Apps statt Motivation eher Gefühle wie Frust oder Scham aus. Das hat ein Forschungsteam aus London durch die Analyse von Social-Media-Beiträgen herausgefunden.
Fitness-Apps gehören weltweit zu den profitabelsten und populärsten Hilfsmitteln für die Gesundheit. Auf mögliche Nachteile wurde bisher wenig geschaut. Forschende des University College London (UCL) haben nun fast 60.000 Posts auf der Social-Media-Plattform X ausgewertet und eine Studie erstellt.
Darin haben sie die Reaktionen auf fünf der weltweit am häufigsten genutzten Fitness-Apps analysiert: Calorie Counter von MyFitnessPal, Run, Ride, Swim von Strava, WW von den Weight Watchers, Workouts von Muscle Booster und FitCoach.
Etwa jeder sechste Kommentar negativ
Insgesamt waren rund 13.000 der Kommentare von negativen Gedanken geprägt. So zeigten sich Nutzende beispielsweise genervt, weil sie Ziele nicht erreichen konnten: „So, wie erkläre ich jetzt MyFitnessPal, dass ich mir gerade zwei Tacos anbrate und sie dick mit süßer Sauce bestreiche, weil ich Heißhunger auf Kohlenhydrate habe“, schreibt ein Nutzer.
Andere User von Fitness-Apps beklagen, der Algorithmus sei zu simpel, um ihren Alltag und die körperliche Aktivität angemessen zu erfassen. Viele berichteten auch über negative Gefühle, wenn sie Benachrichtigungen der Apps erhalten.
Vergleich mit anderen kann unglücklich machen
Wut, Ärger und Traurigkeit – auch das können Fitness- und Gesundheit-Apps auslösen. Während sie für manche Menschen eine Hilfestellung sind, um sich aufzuraffen und den inneren Schweinehund zu überwinden, wirken sie für andere regelrecht frustrierend.
Jens Kleinert, Sport- und Gesundheitspsychologe an der Deutschen Sporthochschule Köln sagt, kritisch sei dabei oft der Vergleich mit anderen, den die Apps möglich machten:
„Fitness-Apps sind Orte, wo ich mich eben ständig mit anderen im Vergleich sehe und ich mir vielleicht Beispiele nehme, an die ich niemals herankomme. Dann führt das ganz schnell genau ins Gegenteil: Es hilft mir nicht, sondern ich laufe ständig einem Ideal hinterher und sehe oft Menschen, die besser trainiert sind. Das frustriert natürlich unheimlich und führt genau zum Negativen.“
Ziele sollten realistisch gesetzt werden
Tatsächlich legen die Nutzenden selbst ihre Ziele in den Fitness-Apps fest. Sie basieren also nicht auf Empfehlungen für die öffentliche Gesundheit. Oft werden diese Ziele aber unrealistisch und viel zu hoch angesetzt. Gerade weil man sich gerne mit Vorbildern vergleichen will.
Hier sollte man aufpassen, rät Sportpsychologe Kleinert. „Im Normalfall würden wir immer empfehlen, dass eigentlich der eigene, der innere Vergleich, der viel Wichtigere ist. Dass man sich selbst ganz persönliche Ziele setzt, also nicht so sehr nach außen schaut.“
Auch die Studienautorinnen und Autoren appellieren an die Nutzenden insgesamt freundlicher zu sich selbst zu sein.
Schuldgefühle und Scham motivieren nicht
Schuldgefühle, weil man Ziele nicht erreicht oder gar Scham deswegen sind keine gute Motivation. Der Kölner Sportpsychologe Kleinert unterstreicht, dass es deshalb wichtig sei, sich Rückschläge und Fehler zu verzeihen. Aber es gebe sehr viele Menschen, die mit eigenen Fehlern und Rückschlägen sehr schlecht umgehen können und sich dann selbst runter machen und negativ bewerten. „Das ist auch eine große Gruppe und die leiden natürlich besonders.“
Forschende raten nicht von Fitness-Apps ab
Andererseits können selbst gesetzte Ziele, die wir mit Hilfe einer App verfolgen, auch das Gefühl der Selbstwirksamkeit stärken und uns bestätigen. Deshalb raten Sportwissenschaftler nicht grundsätzlich von der Nutzung von Fitness-Apps ab. Sportpsychologe Kleinert lobt etwa den Anstoß zu mehr Bewegung, den solche Apps bewirken können.
App-Pausen sind nützlich
Letztlich rät der Sportpsychologe auch, immer mal Pausen zu machen von der App-Nutzung und dabei auf sich selbst zu hören. „Man sollte immer wieder überlegen, ob mir diese App gerade hilft, kann ich wirklich gut damit umgehen und fühle ich mich am Ende des Tages auch gut, wenn ich sie benutzt haben? Wenn mich die Nutzung eher belastet, dann ist es Zeit, die App zu löschen.“








