
Stand: 17.10.2025 10:17 Uhr
Immer wieder greift die Ukraine den Öl- und Treibstoffsektor Russlands an – das Herzstück der russischen Wirtschaft. So soll Kremlchef Putin an den Verhandlungstisch gezwungen werden.
US-Präsident Donald Trump will seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj bei dem heutigen Besuch von seinem Telefonat mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin berichten. Selenskyj wird unterdessen wohl die Erfolge der ukrainischen Armee darlegen, insbesondere im Luftkrieg. Immer wieder greift die Ukraine mit Drohnen und Raketen das Herzstück der russischen Wirtschaft an: den Öl- und Treibstoffsektor.
So war es auch in der Nacht auf gestern. In Saratow, über 500 Kilometer von der Grenze zu Russland entfernt, brannte eine Raffinerie. Der ukrainische Militärexperte Ivan Stupak sagte dem Internetportal NV: „Das Ganze hat systematischen Charakter.“ Seit August greife die Ukraine den russischen Ölsektor im großen Maßstab an und seit Oktober sei noch die Stromversorgung hinzugekommen, so Stupak. „Im russischen Gebiet Wolgograd hat die Ukraine gerade ein sehr großes Umspannwerk getroffen. Mit seiner Hilfe kommt Strom von einem Wasserkraftwerk in die zentralen Regionen Russlands.“
Russische Wirtschaft im Visier
Diese Angriffe unterschieden sich von den russischen Angriffen auf die ukrainische Energieversorgung, meint Stupak. Denn ihr Ziel sei es nicht, den Russinnen und Russen das Leben zu erschweren. Vielmehr solle die russische Wirtschaft getroffen werden, darunter die Rüstungsindustrie. Mit Erfolg, so Russlandexperte Andrey Gurkov. „Die ukrainischen Drohnenangriffe führen dazu, dass die Raffinerien für Tage, Wochen, vielleicht sogar für Monate nicht betriebsfähig sind.“
Man könne sich leicht ausmalen, was mit einer Wirtschaft passiert, die nicht genug Treibstoff bekommt, betont Gurkov. Vor allem für die Logistik sei das ein Problem. „In einem Land, das so groß ist wie Russland, spielt Logistik, also der Transport mit Lkw, eine sehr große Rolle.“
Was bringt Putin an den Verhandlungstisch?
Das passt zur Rhetorik der US-Administration aus den vergangenen Wochen. Von dort heißt es, die russische Wirtschaft müsse geschwächt werden, damit Putin an den Verhandlungstisch komme.
Unter dem früheren US-Präsidenten Joe Biden forderten die USA die Ukraine auf, weitreichende Schläge auf russisches Staatsgebiet zu unterlassen. Für Waffen, die US-Komponenten enthalten, verbot die Biden-Regierung dies sogar. Die US-Regierung unter Trump handhabt das anders. Die britische Zeitung Financial Times berichtete vor Kurzem, die USA lieferten der Ukraine jetzt Satellitendaten, die Angriffe unter anderem auf russische Raffinerien ermöglichen.
„Tomahawks“ als Druckmittel?
Beobachterinnen und Beobachter in der Ukraine hoffen, dass Trump noch einen Schritt weitergeht und der Ukraine weitreichende Marschflugkörper vom Typ „Tomahawk“ zusagt – womöglich beim bevorstehenden Treffen zwischen Trump und Selenskyj. „Tomahawks“ sind viel schlagkräftiger als Langstreckendrohnen und Marschflugkörper ukrainischer Bauart. Trump deutete bereits an, dass er über die Lieferung von „Tomahawk“ nachdenkt.
„Damit hat die US-Administration unter Trump zum ersten Mal wirklich den Druck auf den Kreml erhöht“, sagt der ukrainische Militärexperte Oleksandr Musijenko im Internetkanal Zachid. Die USA hätten Putin damit signalisiert, dass er nicht fortwährend Krieg führen und gleichzeitig Trump und die ganze Welt anlügen kann, dass er eigentlich Verhandlungen wolle. Musijenko ist überzeugt: „Wenn Putin dabei bleibt, dann werden die USA zur nächsten Etappe übergehen und diese Raketen tatsächlich der Ukraine übergeben.“
Nun allerdings werden die USA wieder hochrangige Verhandlungen mit Russland beginnen. Trump kündigte sogar ein Treffen mit Putin in Budapest an. Wenn das so kommt, werden Beobachter darüber spekulieren, was Putin zurück an den Verhandlungstisch brachte, ob die Angriffe auf russische Raffinerien dazu beitrugen oder die Drohung mit „Tomahawks“ – oder beides.