Gesprächsprotokolle von Albert Einstein „Ich bin ein Magnet für alle Verrückten“
Stand: 27.09.2025 08:04 Uhr
Über Albert Einstein, den Begründer der Allgemeinen Relativitätstheorie, ist fachlich vieles dokumentiert. Ein neues Buch zeigt jetzt auch den privaten Einstein, der sich für viele Themen begeistern konnte.
Albert Einstein war bis zu seinem Tod im April 1955 gefragt. Der Physiker war wohl der angesehenste Wissenschaftler der Neuzeit. Fachkollegen wollten ihre Arbeiten von ihm überprüfen lassen, Forschungsgesellschaften aus aller Welt baten um einen Vortrag und viele versuchten ihre – zuweilen auch obskuren – Thesen mit ihm zu diskutieren. „Ich bin ein Magnet für alle Verrückten, und sie interessieren mich auch“, sagte Einstein im Oktober 1953 in einem privaten Gespräch, damals war er 74. „Nachzukonstruieren, wie sie gedacht haben, das ist eine Liebhaberei von mir. Diese Menschen tun mir in der Seele leid, das ist auch der Grund, warum ich da zu helfen versuche.“
In einem gerade erschienenen Buch sind Ausschnitte der Telefonate nachzulesen, die Einstein in den letzten anderthalb Jahren seines Lebens fast täglich mit seiner Freundin Johanna Fantova führte. Sie hatte – wohl mit Einsteins Wissen – notiert, was der große Wissenschaftler sagte. „Er hat da berichtet, was ihm am Tag passiert ist und worüber er nachgedacht hat, was er gerade liest, hört“, beschreibt Autor Peter von Becker.
Bekannt ist Albert Einstein vor allem durch die Allgemeine Relativitätstheorie von 1915, die unsere Vorstellungen von Raum, Zeit und Materie maßgeblich verändert hat. Ein Buch gibt jetzt Einblicke in die Gedanken des Physikers.
Blick in Herz und Kopf
Vermutlich hielt Johanna Fantova die Gespräche fest, weil ihr vieles bedeutsam erschien – veröffentlicht hat sie diese aber nie. Erst jetzt liegen die Protokolle als Buch vor. Ein Bibliothekar hatte sie 2004 beim Aufräumen in Princeton im US-Bundesstaat New Jersey entdeckt, wo Einstein viele Jahre am Institute for Advanced Studies forschte.
„Elektrisiert hat mich, dass man wirklich in das Herz und in den Kopf des berühmtesten Menschen des 20. Jahrhunderts, ja vielleicht der Neuzeit, schaut“, sagt Peter von Becker. „Niemand war so bewundert wie Albert Einstein, obwohl von den meisten Menschen ja wissenschaftlich gar nicht verstanden.“
Allgemein bekannt ist, dass Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie von 1915 unsere Vorstellungen von Raum, Zeit und Materie maßgeblich verändert haben. In den Gesprächen mit seiner Freundin aber spürt man hautnah die täglichen Empfindungen des älteren Einsteins, und auch seine „ungeheure Nähe von großer Weisheit“, wie es Peter von Becker beschreibt. Der Physiker war auch im höheren Alter offen für alles Neue, anderen Meinungen gegenüber tolerant und in seinem großen Interesse an Politik durchaus klar.
Politisch ein „feuerspeiender Vesuv“
„Ja, ich bin ein alter Revolutionär, wie du immer sagst – ja das bin ich, politisch bin ich noch immer ein feuerspeiender Vesuv“, bekräftigt Einstein im Februar 1954. Es ist eine turbulente Zeit, sowohl international in den ersten Jahren des Ost-West-Konflikts wie auch national in den USA.
Viele der damaligen Debatten wirken heute wieder erstaunlich aktuell – auch das fasziniert an der Lektüre der Gespräche: Einstein kritisiert das Aufrüsten in Ost und West, lehnt den ungezügelten Kapitalismus mit extremem Reichtum ab und verteidigt den Vater der Atombombe, Robert Oppenheimer, als der plötzlich in den USA als angeblicher Kommunist verdächtigt und deshalb als Institutsleiter entlassen wird.
Einstein beschreibt sich selbst als „Subversiven“, Peter von Becker ordnet den Physiker als Linksliberalen ein. „Wie damals in der McCarthy-Zeit, als US-Konservative plötzlich in jedem kritischeren Geist einen Kommunisten sahen, wäre er heute sicher ein Oppositioneller und Widerständler gegen Präsident Trump und die Einschränkungen der Meinungsfreiheit“, mutmaßt der Autor.
In einem gerade erschienenen Buch sind Ausschnitte der Telefonate nachzulesen, die Einstein in den letzten anderthalb Jahren seines Lebens fast täglich mit seiner Freundin Johanna Fantova führte.
Unterstützer und Kritiker Israels
Wegen seiner jüdischen Herkunft avancierte der schon damals weltbekannte Forscher unter dem NS-Regime zum Staatsfeind Nummer eins. Er weilte während Hitlers Machtergreifung im Ausland und kehrte nie mehr nach Deutschland zurück. Nach dem Holocaust unterstützte Einstein Israel, weil er die Notwendigkeit sah, dass die Juden einen sicheren Zufluchtsort brauchen.
In Peter von Beckers Buch wird aber deutlich, dass er den jungen Staat durchaus auch kritisierte. „Bewegend ist zu sehen, dass er gleichzeitig immer vehement für eine Gleichberechtigung zwischen jüdischen Israelis und den arabischen Palästinensern eintritt. Das liest sich auf eine erstaunliche Weise aktuell. Und man würde sich wünschen, dass jemand von der moralischen und geistigen Autorität Einsteins heute seine Stimme erheben könnte, die tatsächlich auf allen Seiten gehört würde.“
Suche nach physikalischen Erkenntnissen
Bis zuletzt dachte Einstein auch über neue Theorien nach, versuchte all die bahnbrechenden physikalischen Erkenntnisse seines Lebens noch zu verbinden. Die Protokolle zeigen auch seine vielfältigen Interessen an Kunst und Musik. „Er wollte ein bisschen auch dieses alte Ideal des Universalgelehrten verkörpern“, beschreibt Peter von Becker. „Und er war musisch, er hat Geige gespielt und Klavier und war musikalisch interessiert.“
Eine weltweit geachtete Autorität wie Einstein hat es seither wohl nicht wieder gegeben. Und gleichzeitig – auch das zeigt dieses Buch – war er ein Mensch mit viel Humor. „Ich war bei meinen Nachbarn“, berichtet der Physiker seiner Freundin eines Abends. „Es besteht die Gefahr, dass ihr Sohn heiratet. Übers Heiraten sagte ich zu ihnen, es ist ein unglücklicher Versuch aus einem Ereignis einen Zustand zu machen.“