Bundesverfassungsgericht Durchsuchung bei Redakteur war verfassungswidrig
Stand: 19.11.2025 17:21 Uhr
2023 durchsuchte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe die Privatwohnung eines Radioredakteurs, dem damals vorgeworfen worden war, eine verbotene Vereinigung zu unterstützen. Das war verfassungswidrig.
Radio Dreyeckland aus Freiburg bezeichnet sich selbst als freien, nicht-kommerziellen Radiosender. Hier läuft keine Werbung, das Programm wird überwiegend von Ehrenamtlichen gemacht.
2022 geriet der kleine Sender in den Fokus der Ermittlungsbehörden. Der Grund: Redakteur Fabian Kienert hatte auf der Internetseite von Radio Dreyeckland einen Artikel veröffentlicht. Darin hatte er ein Online-Archiv der Internetseite linksunten.Indymedia verlinkt. Linksunten Indymedia wurde 2017 vom Bundesinnenministerium verboten. Auf der Archivseite konnten alle Beiträge abgerufen werden, die auf der ursprünglichen Seite von linksunten.Indymedia bis zu deren Verbot veröffentlicht waren. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe war der Ansicht, Kienert habe sich mit der Verlinkung wegen der Unterstützung einer verbotenen Vereinigung strafbar gemacht.
Durchsuchung in der Wohnung des Redakteurs
Deshalb durchsuchte die Staatsanwaltschaft Anfang 2023 die Redaktionsräume von Radio Dreyeckland und die Privatwohnung von Redakteur Kienert. In letzterer beschlagnahmten die Ermittler einen Laptop, Handys und mehrere Speichermedien, die Kienert für seine redaktionelle Arbeit nutzte. Kienert legte beim Oberlandesgericht Stuttgart Beschwerde gegen die Durchsuchung ein, ohne Erfolg. Das OLG Stuttgart lehnte seine Beschwerde ab. Daraufhin legte Kienert Verfassungsbeschwerde gegen die Durchsuchung ein.
Hohe Hürden für Durchsuchungen bei Presseangehörigen
2024 sprach das Landgericht Karlsruhe Kienert von dem Vorwurf der Unterstützung einer verbotenen Vereinigung frei. Damit war zumindest das Strafverfahren gegen ihn beendet.
Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht über seine Verfassungsbeschwerde entschieden: Die Durchsuchung seiner Privatwohnung war verfassungswidrig. Dabei betonte Karlsruhe, dass die Rundfunk- und Pressefreiheit „schlechthin konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung“ sind. Dementsprechend hoch seien die Hürden, wenn bei Presseangehörigen durchsucht werden soll.
Daran ändert es nichts, dass in Kienerts Privatwohnung durchsucht wurde. Schließlich bewahrte er dort seinen Laptop und weitere Geräte auf, die er für seine Arbeit als Journalist nutzte.
Keine Anhaltspunkte für Fortbestehen von Linksunten.Indymedia
Das Bundesverfassungsgericht sagt: Staatsanwaltschaft und Gerichte haben diese hohen Hürden nicht beachtet, als sie über die Durchsuchung bei Kienert entschieden haben. So habe es bereits an dem Anfangsverdacht für eine Straftat gefehlt. Damit Kienert die verbotene Vereinigung linksunten.Indymedia überhaupt hätte unterstützen können, hätte diese noch existieren müssen. Und dafür gab es, so die Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht, keine stichhaltigen Anhaltspunkte. Die bloße Existenz einer „seit mehreren Jahren nicht mehr aktualisierten Archivseite“ genüge dafür jedenfalls nicht.
Auch das Argument, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass sich linksunten.Indymedia nach dem Verbot tatsächlich aufgelöst hat, lässt Karlsruhe nicht durchgehen: Statt bloßer Vermutungen hätte die Fortexistenz mit Tatsachen belegt werden müssen.
„Irrsinniges Strafverfahren“
David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte hat Fabian Kienert bei der Verfassungsbeschwerde unterstützt. Werdermann findet, dass die Justiz im Fall von Kienert deutlich zu weit gegangen ist: „Die Entscheidung setzt einen Schlusspunkt unter ein völlig irrsinniges Strafverfahren. Mehrere durchsuchte Wohnungen, zahlreiche beschlagnahmte Datenträger und eine aufreibende Hauptverhandlung – das alles nur wegen eines harmlosen Links auf eine Archivseite.“
Zu der Frage, ob der Link selbst tatsächlich harmlos ist, hat sich das Bundesverfassungsgericht nicht geäußert. Damit bleibt die Frage offen, ob die Verlinkung einer Archivseite tatsächlich eine verbotene Unterstützungshandlung sein kann. Für Werdermann ist das bedauerlich: „Die Verlinkung erfolgte im Rahmen der journalistischen Berichterstattung. Es muss möglich sein, kritisch über Vereinsverbote zu berichten, ohne sich dem Verdacht einer strafbaren Unterstützung auszusetzen.“
Ein Statement des Oberlandesgerichts Stuttgart, das Kienerts Beschwerde gegen die Durchsuchung ablehnte, steht noch aus. Der lange Streit um die Verlinkung der Archivseite von Radio Dreyeckland ist mit der Entscheidung aus Karlsruhe nun beendet.









