faq
75 Jahre Verfassungsschutz Wie funktioniert das „Frühwarnsystem der Demokratie“?
Stand: 27.10.2025 13:16 Uhr
Das Bundesamt für Verfassungsschutz feiert heute den 75. Jahrestag seiner Gründung. Wie ist es organisiert, welche Befugnisse hat es und vor welchen Herausforderungen steht der Verfassungsschutz aktuell? Ein Überblick.
Wie ist das Bundesamt für Verfassungsschutz organisiert?
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat seinen offiziellen Dienstsitz in Köln im Stadtteil Chorweiler. Es gibt eine weitere große Liegenschaft in Berlin-Treptow und einige weitere geheime Dienststellen an unterschiedlichen Orten in Deutschland.
Offiziell hat das Amt rund 4.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wortkarg wird der Verfassungsschutz allerdings dann, wenn man wissen möchte, wer davon was macht und wie viele Menschen ganz genau operativ, also bei der geheimen Beschaffung von Informationen eingesetzt werden.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf nur Informationen sammeln und auswerten. Das ist weltweit ziemlich einmalig. Es hat keine exekutiven Kompetenzen, es muss also niemand mit dem Verfassungsschutz sprechen, niemand kann vorgeladen oder festgenommen werden. Der Verfassungsschutz darf auch nicht heimlich Wohnungen betreten – wohl aber unter gewissen Umständen Telefone abhören und Menschen in der Öffentlichkeit beobachten.
Pünktlich zum Jahrestag hat das Amt mit Sinan Selen einen neuen Präsidenten, der selbst viel Erfahrung hat. Der Jurist aus dem Rheinland war schon lange als Vizepräsident, aber auch im Innenministerium, beim Bundeskriminalamt und bei der Bundespolizei mit Sicherheitsthemen befasst.
Zum Jahrestag steht das Bundesamt sehr im Fokus. Allerdings haben die Bundesländer auch eigene Verfassungsschutzbehörden und die Bundeswehr das Amt für den Militärischen Abschirmdienst (MAD). In Deutschland gibt es 19 Nachrichtendienste, wenn man den Auslandsnachrichtendienst BND mitzählt. Auch das ist im internationalen Vergleich eher ungewöhnlich.
Dienstherr für die Verfassungsschützer ist der Bundesinnenminister. Der Präsident ist ein politischer Beamter, der jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden kann.
Wie autark kann das Amt arbeiten?
In der globalisierten Welt und im Angesicht des internationalen Terrors kann eigentlich kein Staat völlig allein agieren. Deutschland hilft daher auch anderen befreundeten Staaten. Wenn ein konkreter terroristischer Anschlag droht, unterstützt Deutschland sogar Staaten, mit denen es sich eigentlich nicht grün ist.
Aber wahr ist auch: Ganz häufig bekommt das Bundesamt für Verfassungsschutz wichtige Tipps und Hinweise aus dem außereuropäischen Ausland – und zwar nicht nur von den USA. Diese Staaten haben technisch, vor allem aber auch rechtlich sehr viel mehr Möglichkeiten. Für die kommenden Jahre ist die spannende Frage, ob die Dienste international so eng zusammenarbeiten wie in der Vergangenheit. Das gilt auch für den Auslandsnachrichtendienst BND.
Im Grunde haben alle Bereiche, in denen der Verfassungsschutz nachrichtendienstliche Aufklärung betreibt, gerade Hochkonjunktur. Das ist ungewöhnlich, denn in den vergangen Jahrzehnten gab es zwar immer wieder Schwerpunkte – der islamistische Terror oder die russische Spionage während der Blockkonfrontation.
Doch gerade sind über diese beiden Themen hinaus auch rechter Terror, linke Gewalt, Cyberattacken und Reichsbürger große Baustellen. Dazu kommt ein gestiegenes Bedürfnis an Sicherheitsüberprüfungen im Öffentlichen Dienst, die das Bundesamt zusammen mit den Landesämtern macht.
Und dann ist da noch der Streit mit der AfD über deren Einschätzung als ganz oder teilweise extremistisch. Auch das gibt der Behörde viel zu tun.
Im Verfassungsschutz weiß man aber auch: Jammern hilft nichts. Wenn alles gut läuft, gibt es nur selten Lob. Wird etwas übersehen, ist das Amt schuld.
Welche Kritik gibt es am Verfassungsschutz?
Dem Verfassungsschutz trägt diese Konstellation manchmal den Vorwurf ein, eine politisch gesteuerte Behörde zu sein, gerade wenn es um die Frage geht, ob eine Partei oder Gruppierung verfassungsfeindlich ist.
Ganz von der Hand weisen kann man das nicht. Natürlich gibt der Bundesinnenminister und seine Staatssekretäre die Richtung vor. Im Amt legt man allerdings großen Wert darauf, die eigentliche Expertise selbst zu haben und das auch im Ministerium so zu vertreten.
Hat der Verfassungsschutz Grund zu feiern?
Aus der eigenen Perspektive selbstverständlich. Zudem dienen solche Anlässe auch immer dazu, sich in Anwesenheit des Ministers und der Chefs der anderen Sicherheitsbehörden seiner selbst zu vergewissern. Das gilt besonders in einer Zeit, in der das Amt an so vielen Stellen gefordert ist und an so vielen Stellen kritisiert wird wie selten.
Man kann das mit dem Grund zum Feiern aber natürlich auch so sehen: Der Verfassungsschutz versteht sich als Frühwarnsystem der Demokratie und seine Arbeit als aktiven Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland. Und aus diesem Verständnis heraus sind dann mehr als 75 Jahre Demokratie für den Verfassungsschutz auch etwas, an dem man selbst Anteil hat – auch wenn das in der Gesellschaft wohl nur zum Teil so gesehen wird.









